Knautschke, Knut & Co. - die Geschichte des Berliner Zoos

Vor sieben Wochen kommen im Berliner Zoo zwei Panda-Babys zur Welt – jüngste Attraktion und angemessenes Geschenk zum Geburtstag dieser Traditionseinrichtung. Denn vor 180 Jahren wird sie gegründet und ist damit der älteste Tierpark Deutschlands

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Konstantin Groß
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Die Zukunft der Traditionseinrichtung ist gesichert: Eines der beiden am 22. August geborenen Panda-Babys, hier drei Wochen nach ihrer Geburt, am 15. September, auf dem Videoschirm im Panda Garden. Heute, wiederum vier Wochen danach, wiegen sie bereits um die 2300 Gramm und sehen auch schon aus wie Pandas. © Konstantin Groß

Berlin. Wir schreiben das Jahr 1990. Thomas Gottschalk und Günther Jauch interviewen Helmut Kohl. Es geht um Persönliches. Der Kanzler erzählt, dass er gerne den Berliner Zoo besucht. „Eines Tages kamen wir aus dem Menschenaffenhaus“, berichtet er schmunzelnd, „da begegnet mir eine typisch Berliner Rentnerin, schaut mich an und sagt: Sind Sie der Kohl?“ Er sagt Ja, und sie antwortet: „Und da dürfen Sie hier so frei herumlaufen?“

Berliner Zoo: Helmut Kohl nicht der einzige Fan 

Der Staatsmann ist nicht der einzige Fan der Einrichtung. Um die 3,5 Millionen besuchen jedes Jahr den Berliner Zoo, mit 20 000 Tieren aus 1200 Arten der größte der Welt. Seit August leben hier zwei neue Bewohner: Panda-Babys – passendes Geschenk zum 180. Geburtstag der Einrichtung, die 1844 eröffnet wird, damit der älteste Zoo in Deutschland ist und der neuntälteste der Welt.

Seine Gründung entspricht dem Geist jener Zeit. Man holt die Welt zu sich, um sie zu verstehen. Nicht umsonst steht Alexander von Humboldt an der Wiege der Einrichtung. 1841 legt er dem König von Preußen ein Memorandum zum Thema Zoo vor. Mit Erfolg: Friedrich Wilhelm IV. stellt das Gelände im Süden Berlins.

Dennoch ist der Zoo ein Werk des Bürgertums. Zur Trägerschaft wird eine Aktiengesellschaft gegründet. 55 Bürger sind dabei, darunter jüdische Mäzene wie die Bankiers Mendelssohn aus der Familie des gleichnamigen berühmten Philosophen.

Am 1. August 1844 öffnet die Einrichtung. Anfangs sind vor allem einheimische Tiere zu sehen. Für Exotik sorgen ein Leopard sowie ein paar Kamele und Kängurus. Doch bald folgt ein Löwe aus Nordafrika, 1879 mit Boy aus Indien der erste Elefant.

Elefantengehege in früheren Jahren. Interessant ist der Schriftzug links unten: „Sehr böse“ – Schlaglicht auf die damalige Sichtweise auf Tiere. © Archiv

Untergebracht sind die Tiere anfangs in Holzverschlägen. Die werden bald durch feste Bauten ersetzt, die jedoch weniger heutigen zoologischen Ansprüchen als realitätsferner Romantik genügen. So etwa das Antilopen- und Giraffenhaus mit Minaretten, das Flusspferdhaus im maurischen Stil, das Straußenhaus als ägyptischer Tempel und das Elefantentor mit japanischen Pagoden. Rekonstruiert sind sie heute architektonische Kleinode des Zoos.

Ein düsteres Kapitel: die „Menschenzoos“

Ein düsteres Kapitel sind die euphemistisch als Völkerschauen bezeichneten Menschenzoos. Von Agenturen wie Hagenbeck mit falschen Versprechungen angelockt, werden indigene Menschen wie und mit Tieren in Zoos ausgestellt, in dieser fremden Umgebung alleine gelassen, vernachlässigt (auch medizinisch) und nicht selten körperlich gezüchtigt. 25 dieser Völkerschauen finden im Berliner Zoo statt, die erste 1878 mit Inuit aus Grönland. Die erkranken an Pocken und sterben. Indigene aus Feuerland, die 1881 reißerisch als Menschenfresser präsentiert werden, sterben an Lungenentzündung. Letzte große Ausstellung dieser Art ist 1900 die Samoa-Schau; präsentiert werden junge Frauen in einer Form, die unterschwellig erotische Fantasien befriedigt.

Zuweilen sorgt der Zoo auch für ein Politikum. 1881 kommt der Elefant Rosom als Geschenk des britischen Thronfolgers Edward in den Zoo. Nicht artgerecht gehalten, verletzt er 1883 einen Pfleger tödlich und soll erschossen werden. Dagegen interveniert Queen Victoria persönlich bei ihrem Enkel, Kaiser Wilhelm II. Das Tier wird verschont.

Berliner Zoo: Infos für Interessierte und Tipps für Besucher

  • Lage: im Westteil von Berlin nahe Kurfürstendamm und Bahnhof Zoo. Post-/Navi-Anschrift: Hardenbergplatz 8, 10787 Berlin, zwei Eingänge: „Elefantentor“ (Budapester Straße), „Löwentor“ (Hardenbergstraße).
  • Umfang: 33 Hektar mit etwa 20 000 Tieren aus 1200 Arten, damit der artenreichste Zoo der Welt.
  • Frei-Anlagen: u. a. Steinbockfelsen, Adlerschlucht, Bärenfelsen, Robbenfelsen, Fasanerie, Streichelzoo.
  • Tierhäuser: Elefantenhaus mit Außengelände: Heimat der indischen Elefanten; Nashornhaus: Pagode mit Sumpflandschaft; Flusspferdhaus: Durch die Scheiben des Wasserbeckens kann man die Tiere beim Unterwasserspaziergang beobachten; Raubtierhaus mit 600 qm Freifläche für Tiger, Löwen, Leoparden etc.; Affenhaus, Panda-Garden; Aquarium: 16 000 Tiere aus 750 Arten.
  • Aktivitäten: tägliche öffentliche Fütterungen vor allem von Seehunden und Elefanten; „Panda-Blog“.
  • Infrastruktur: Bollerwagen-Verleih gegen geringe Gebühr, Cafés, Souvenir-Shop, historische Hinweistafeln.
  • Öffnungszeiten: 28. Oktober bis 28. Februar 9-16.30 Uhr (letzter Einlass 15.30), Frühjahr/Sommer bis 18 bzw. 18.30 Uhr (letzter Einlass 17 Uhr).
  • Preise: Erwachsene 25 Euro (mit Aquarium 37), online 16 bzw. 24 Euro, Kinder 12,50 bzw. 17,50 Euro (online 7,50 bzw. 11).
  • Literatur: „Hauptstadt der Tiere. Die Geschichte des ältesten deutschen Zoos“ von Clemens Maier-Wolthausen, 280 Seiten mit 270 teils historischen Fotos, erschienen zum 175. Jubiläum 2019, 30 Euro, erhältlich vor Ort und im Buchhandel. -tin

1913 entsteht das Aquarium. Um es mit Meerwasser zu versorgen, werden 350 Tonnen aus der Nordsee auf Kähnen über Elbe und Spree transportiert und von der Feuerwehr mit einer kilometerlangen Schlauchleitung in die Becken gepumpt.

Ein Jahr danach die Krise: der Erste Weltkrieg. In der Heimat herrscht Hunger. Viele Tiere sterben an fehlender Nahrung oder werden geschlachtet, um an angeblich wichtigere Tiere verfüttert zu werden.

1933: Lutz Heck, Fördermitglied der SS und der NSDAP, ist Zoodirektor. Die beiden jüdischen Aufsichtsräte werden zum Rücktritt gezwungen – nur Anfang ihres Martyriums: Georg Siegmann wird in Auschwitz ermordet, Walter Simon in Riga. Ab 1938 steht auch am Elefantentor „Juden unerwünscht“. Die Ideologie hat sogar Folgen für die Tierhaltung. Der überzeugte Nazi Heck propagiert einen „deutschen Zoo“ vor allem mit Bären, Wölfen und Adlern.

1939: Krieg. Heck selbst holt sich aus dem Zoo im besezten Warschau interessante Tiere. Den Rest der handzahmen Geschöpfe erschießen er und SS-Leute als feucht-fröhliches Vergnügen an Silvester 1939.

Bombenangriff verwandelt Berliner Zoo in ein Flammenmeer

Doch der Krieg kommt zurück. Beim Bombenangriff auf Berlin im November 1943 wird der Zoo in ein Flammenmeer verwandelt. Ein Drittel des Tierbestandes stirbt, darunter sieben der acht Elefanten, drei Löwen, zwei Tiger. Unter den Überlebenden ein Flusspferd: Knautschke.

Am 22. April 1945 schließt der Zoo, die Russen stehen vor der Stadt. In Gefechtspausen versuchen Wärter unter Lebensgefahr, ihre Tiere zu füttern. Damit freilaufende Raubkatzen Menschen nicht gefährden, werden sie erschossen. Am 3. Mai 1945 endet für den Zoo der Krieg.

Symbol für den Überlebenswillen der geteilten Stadt: Flusspferd Knautschke, das den Bombenhagel überlebt, hier mit Gefährtin Bulette in den 1950er Jahren. © Archiv

Fast alle Gebäude sind zerstört. Von den einst 4000 Tieren gibt es nur noch 91, natürlich Knautschke, den Schimpansen Suse, zwei junge Löwen, den Elefanten Siam. Mit ihnen öffnet der Zoo am 1. Juli 1945 wieder. Bis Jahresende kommen bereits 300 000 Besucher, 1947 schon eine Million. Die Berlin-Blockade vom Juni 1948 bis Mai 1949 bedroht erneut seine Existenz. Tiere haben keine Priorität, wenn Menschen hungern. Und trotzdem bringen die Berliner Küchenabfälle in den Zoo.

In den 1950ern geht es aufwärts. Das Berliner Schülerparlament schreibt 1951 an den indischen Premierminister Nehru und bittet ihn um einen Elefanten: Und der schenkt dem Zoo die Elefantendame Shanti. Neben ihr und Knautschke wird der Schimpanse Jonny zum Star, obwohl ein Schild warnt: „Vorsicht, Jonny wirft mit Dreck!“ Der Zoodirektorin beißt er den Finger ab.

Symbol des Kalten Krieges, aber auch der Einheit

Doch Berlin ist geteilt. Der Wettbewerb der Systeme umfasst auch die Zoos. 1955 eröffnet die DDR im Ostteil der Stadt einen eigenen. Der Mauerbau 1961 erhöht die Bedeutung des West-Berliner Zoos für die eingemauerte Stadt – als ein Stück „weite Welt“. Und zum Symbol ihres Überlebenswillens das Flusspferd Knautschke; als er 1988 stirbt, bewegt das die ganze Stadt. Damals wird er von einem seiner 35 Nachkommen, dem Bullen Nante, in einem Revierkampf schwer verwundet. Davon erholt er sich nicht mehr und muss eingeschläfert werden.

Mit der Einheit Deutschlands und Berlins 1990 stellt sich wie bei allem, das in Berlin nun doppelt vorhanden ist, die Frage: Beides erhalten? Am 26. Oktober 1990 gibt der Senat eine Bestandsgarantie für beide Zoos, im Westen weiterhin als Aktiengesellschaft, im Osten als GmbH. Mit jeweils eigenem Profil: im Westen der klassische Innenstadtzoo, im Osten ein Tierpark im besten Wortsinn.

Die Attraktionen sind jedoch im Westen zu sehen. 2006 bringt die frühere Zirkus-Eisbärin Tosca zwei Jungtiere zur Welt, nimmt sie aber nicht an. Pfleger Thomas Dörflein muss mit Handaufzucht beginnen. Eines der beiden Jungtiere stirbt bald, das andere, Knut genannt, wird zum Star, präsentiert sogar von CNN und auf dem Cover von Vanity Fair. 2008 stirbt Dörflein an einem Herzinfarkt. Sein Zögling ertrinkt 2011 – als Folge einer Infektion des Gehirns.

2017 kommen neue Stars: China stellt die Pandabären Meng Meng und Jiao Qing zur Verfügung – leihweise für 15 Jahre und gegen 900 000 Euro Gebühr pro Jahr. Für neun Millionen Euro wird ein Panda Garden errichtet, der von Kanzlerin Merkel und Chinas Präsident Xi eingeweiht wird. Das lohnt sich: Bereits am ersten Tag kommen 10 000 Besucher. Und für weitere Attraktionen ist gesorgt: Am 22. August 2024 bringt Meng Meng zwei Junge zur Welt – just im Jahr des 180. Zoo-Jubiläums. Welch ein Geburtstagsgeschenk!

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