Eine ungewöhnliche Frau

Als erste Frau in Europa wurde sie Professorin an einer Kunstakademie: Catharina Treu, einst berühmte Hofmalerin des Kurfürsten Carl Theodor am Mannheimer Schloss und dann in Vergessenheit geraten. Doch jetzt wird wieder an sie erinnert.

Von 
Peter W. Ragge
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So hat sie sich selbst gesehen: Porträt, gemalt 1771 von Catharina Treu und ihrem Bruder Johann Nicolaus Treu, mit Palette und Früchtekorb, Öl auf Eichenholz (39 x 51cm), in den Beständen der Museen ihrer Geburtsstadt Bamberg. © Barthel A.G.W., Bamberg

Der bedeutende Schauspieler und Theaterintendant August Wilhelm Iffland, Dirigent und Komponist Johann Stamitz, Landschaftsmaler Ferdinand Kobell sowie Hofbildhauer und Architekt Peter Anton von Verschaffelt – man kennt sie als die großen Namen, welche Kunst und Kultur am Mannheimer Schloss über Jahrzehnte prägen. In einem Freskenzyklus im Bayerischen Nationalmuseum, in dem die Herrscherfamilie der Wittelsbacher auch ihre Zeit in der Kurpfalz und Mannheim in einem Fresko als „Hauptsitz der Kunstbildung“ würdigte, tauchen sie alle auf – und eine Frau: Catharina Treu, als Blumenmalerin.

„Ein wichtiger Beleg für die einstige Bedeutung der Malerin und Ausdruck der Wertschätzung durch das wittelsbachische Herrscherhaus“, findet Gabriele M. Thölken, die Kunstgeschichte und Geschichte studiert hat sowie am Historischen Museum der Pfalz in Speyer tätig war. Sie hält Treu für „die bedeutendste Stilllebenmalerin des 18. Jahrhunderts“, die über 40 Jahre in Mannheim arbeitete, dabei „beeindruckende Werke schuf“ und sich trotz zahlreicher männlicher Konkurrenz nicht nur in der Kurpfalz, sondern sogar international etablieren kann. Sie sei aber „zu Unrecht in Vergessenheit geraten“, bedauert die Forscherin.

Zwei Werke im Schloss

Doch Treu habe mehr Beachtung verdient, so Thölken, die nun nicht nur eine umfangreiche Forschungsarbeit und das erste Werkverzeichnis der Künstlerin erstellt, sondern zudem die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg als Verbündete gewonnen hat. Sie bieten künftig Schlossführungen zu der einstigen Hofmalerin an.

Schließlich hängen zwei Werke von Treu in der Dauerausstellung „Kunst und Kultur am Mannheimer Hof“ im Barockschloss: Das „Früchtestillleben mit Glaspokal“ zeigt rote und weiße Weintrauben, Birnen und Äpfel. Der von ihnen ausgehende süße Duft lockt bereits die ersten Insekten an; man sieht kleine Weberknechte, Raupen und Fliegen. Das „Früchtestillleben mit Ananas“ präsentiert Zitronen und Ananas, Kirschen und grüne Johannisbeeren, Reste von Wein und zwei auffällige Muscheln , wobei die reifen und zum Teil schon geöffneten Früchte auch da wieder Wespen, Raupen und eine Hummel anziehen. Beide Werke sind Leihgaben der Alten Pinakothek München – denn dorthin sind viele Gemälde gekommen, die einst im Mannheimer Schloss hingen.

Erstaunliche Karriere

Wenn man um die Schwierigkeiten einer künstlerischen Ausbildung für Frauen im 18. Jahrhundert „mit seinem restriktiven bürgerlichen Weiblichkeitsentwurf“ wisse, so Gabriele M. Thölken, „staunt man umso mehr über die Karriere von Catharina Treu“, so die Kunsthistorikerin. Treu habe aber „seit frühester Jugend“ künstlerische Inspiration durch ihren Vater und ihre ebenfalls malenden Geschwister erfahren.

Am 21. Mai 1743 wird sie, so die Forscherin, in Bamberg als jüngstes Kind „einer der bedeutendsten Künstlerfamilien Frankens“ geboren, die jüdische Wurzeln hat und in Süddeutschland bei Adels- und Fürstenhäusern gut vernetzt ist. Ihr Vater Marquard Joseph Johannes Treu betreibt zunächst ein Galanteriewarengeschäft, heiratet die Tochter eines Malers und arbeitet dann selbst als Maler. Er bringt auch seinen fünf Kindern seine Kunst nahe.

Marquard Joseph Johannes Treu lautet aber nicht sein ursprünglicher Name – sondern Jol Nathan, Sohn des Bamberger Hofjuden Wolf Nathan. Noch vor der Geburt seines ersten Kindes tritt er indes zum katholischen Glauben über. Bereits mit zehn Jahren soll Catharina erstmals selbst zum Pinsel gegriffen und mit dem Malen von Früchten begonnen haben. 1763, zehn Jahre später, nimmt sie ihre Arbeit als Malerin in der Bamberger Residenz auf. „Ihro hochfürstliche Gnaden“ lassen „des allhiesigen Mahlers Marquard Treu Tochter“ für „zwey Supraporte“ zehn Carolins (bayerische Goldmünze) auszahlen, so eine Zahlungsanweisung des Fürstbischofs an die Hofkammer von 1763. Die beiden über Türen angebrachten Werke mit Früchten und Insekten sind laut Thölken die ältesten bekannten professionellen Arbeiten von Catharina Treu.

Die ganze Familie arbeitet für die Höfe von Bamberg, dann auch von Würzburg und schließlich für die Residenz des Fürstbischofs von Speyer, Franz Christoph Freiherr von Hutten zum Stolzenberg, in Bruchsal – denn dessen in Würzburg und Bamberg tätige Brüder empfehlen die Künstlerfamilie. Schließlich beruft der Fürstbischof das jüngste Mitglied jener Familie als Hofmalerin. Derweil sind Catharinas Vater und andere Familienmitglieder für weitere Adelshäuser tätig. Marquard Treu scheine eine florierende Werkstatt unterhalten und als Kunsthändler die Werke seiner Kinder gut vermarktet zu haben, schließt Thölken daraus, wie oft sie auf Gemälde von ihnen stößt. Von Sohn Nicolaus Treu stamme eines der äußerst seltenen Familienporträts der Familie Mozart von 1764, die er im Jahr zuvor in Bruchsal kennenlernt. Thölken ist in einem Auktionskatalog von 1996 auf dieses in der Forschung unbekannte, bisher nicht publizierte Gemälde gestoßen.

Ein hohes Gehalt

Fürstbischof Franz Christoph Freiherr von Hutten zum Stolzenberg, der den von seinem Vorgänger begonnenen Schlossbau in Bruchsal vollendet, erweitert den Hofstaat auf über 400 Personen. Er gilt als Förderer von Musik und Malerei, unterhält eine große Galerie. Dass er als katholischer Kirchenfürst eine Hofmalerin beschäftigt, ist ungewöhnlich – aber er holt Catharina Treu an seine Residenz, als sie 21 Jahre jung ist. Er ermöglicht ihr einen einjährigen Studienaufenthalt an der neu errichteten Kurfürstlichen „Academie der Maler, Bildhauer- und Baukunst“, die spätere Kunstakademie Düsseldorf. Aber er bedauert, er könne sie nicht „gemäß ihrem Talent lebenslang verpflichten“. Kurz vor seinem Tod schickt er ein Gemälde von ihr nach Mannheim und empfiehlt sie dem Kurfürsten Carl Theodor.

Das hat Erfolg: Am 25. November 1769 wird die 26-Jährige von Carl Theodor zur kurfürstlichen Kabinettmalerin ernannt. Auch wenn Carl Theodor vor allem als großer Musik- und Theaterfreund gilt, so fördert er doch die bildenden Künste ebenso. Er richtet 1755 im neu erbauten Westflügel des Schlosses eine Galerie ein und macht sie für die Öffentlichkeit kostenlos zugänglich, gründet den Antikensaal und die Zeichnungsakademie.

Die Bedingungen, zu denen Catharina Treu am Mannheimer Hof beschäftigt wird, sind für damalige Verhältnisse „geradezu exzeptionell“, so Thölken. Sie erhält ein festes Gehalt von 600 Gulden und weitere Zugaben von 200 Gulden für Wohnungs- und Brennholzkosten – ein absoluter Spitzenverdienst. Darin zeige sich „die große Wertschätzung“ durch den Kurfürsten, so Thölken – auch im Vergleich zu den Gehältern anderer Hofmaler. Nur Hofsänger oder Komponisten beziehen mehr Geld, teils das Doppelte.

Prominente Kunden

Zudem erhält sie Zugang zum kurfürstlichen Naturalienkabinett. Sie darf, und das ist ein Privileg, jederzeit (nach Voranmeldung) verreisen und ihre Bilder auf dem freien Kunstmarkt, sprich Adel und gehobenem Bürgertum, anbieten. „Die Liste ihrer urkundlich nachgewiesenen Auftraggeber ist prominent und liest sich wie ein ,Who is Who’ des europäischen Adels“, hebt Thölken hervor. Ihre Stillleben, die die Natur lebensecht nachbilden und dem Betrachter ein sinnliches Eintauchen ermöglichen, sind begehrt. Die Beziehungen des Kurfürsten und das Netzwerk ihrer Familie helfen Catharina Treu, ihre Werke zu verkaufen. So wird ihre Kunst in Stuttgart und Karlsruhe, München und Mailand, St. Petersburg und London versteigert, und sie erzielt auch ungewöhnlich hohe Preise.

Carl Theodor weiß, was er an der Künstlerin hat. Er ernennt seine Malerin am 15. Februar 1776 zur Professorin an der Kunstakademie Düsseldorf – eine „Auszeichnung, die in dieser Zeit nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa einzigartig ist“. Catharina Treu ist damit die erste Malerin im deutschsprachigen Raum im 18. und 19. Jahrhundert, die diesen Titel führen darf. Schon der Hofkalender 1777 weist „die Jungfrau Treuin“ als Professorin und Mitglied der Akademie aus. Sie verwendet den Titel selbstbewusst in Briefen an ihren Kurfürsten und bleibt lange das einzige weibliche Mitglied – bis ins 20. Jahrhundert.

Als Kurfürst Carl Theodor mit seinem Hof 1778 das bayerische Erbe antritt und mit 2500 Mitgliedern des Hofstaats nach München übersiedelt, folgt Catharina Treu ihm nicht. Sie bleibt in Mannheim, rückt in der Hierarchie der Maler im Hofkalender gar an die erste Stelle und erlangt den Titel der alleinigen Historienmalerin – was belegt, dass sie nun längst mehr als nur Stillleben malt, sondern auch Porträts und Szenen. Sie gilt ebenso als, so Thölken, hervorragende Kopistin älterer Meister.

Trennung vom Ehemann

1781 heiratet sie den reichen Schwetzinger Hofbesitzer Johann Jacob König. Obwohl Katholikin, willigt sie in eine reformierte Trauung ein. Aber ob es ihr künstlerischer Ehrgeiz, die konfessionellen Unterschiede oder der Abstand beim Alter ist – nach nur drei Jahren trennt sich Catharina Treu von ihrem acht Jahre jüngeren Mann, und zwar noch vor Geburt der zweiten Tochter, und zieht wieder nach Mannheim. Offenbar wird die Scheidung aber nicht formal vollzogen, denn es gibt Urkunden, die sie nach dem Tod ihres Mannes als „Wittib Königin“, also als Witwe des Herrn König, bezeichnen.

In ihren letzten Lebensjahren geht es Catharina Treu wie auch vielen anderen Hofkünstlern schlecht, denn die Französische Revolution, der Einmarsch der Franzosen in Mannheim und der Tod von Carl Theodor in München wirken sich aus – sie bekommt kein Gehalt mehr, schreibt mehrfach vergeblich Bittgesuche nach München.

Der neue Regent Max Joseph I. bestätigt dann zwar nach einiger Zeit schriftlich das Gehalt, sogar in alter Höhe, fordert 1803 nach Auflösung der Kurpfalz jedoch, dass sie nach München kommt und dort arbeitet. Aber sie bleibt in Mannheim, wohnt hier offenbar in einem Haus in A 3, 7, malt offenbar noch bis 1807 (da ist das letzte nachgewiesene Bild datiert) und stirbt hier am Abend des 14. Oktober 1811 mit 68 Jahren – wobei Gabriele M. Thölken die Lebensumstände der letzten Jahre nicht genau klären kann. Aber sie findet in den alten Unterlagen, dass zwei hohe Beamte an ihrem Sterbebett sitzen und wertet dies als „Indiz für die immer noch hohe gesellschaftliche Achtung der Künstlerin“.

Viel ist verschollen

Thölken hat bei ihrer Recherche entdeckt, wo überall man Werke von Catharina Treu findet – bis hin zu Zar Alexander I. von Russland. Markgräfin Caroline von Baden, erste Frau des Markgrafen Carl Friedrich von Baden und leidenschaftliche Kunstsammlerin sowie Amateurmalerin, kauft Werke von Catharina Treu – was als besondere Auszeichnung gilt. Schließlich ist von ihr der Satz „Ich dulde nichts in meinem Cabinet, das nicht perfekt ist“ überliefert.

Viele Gemälde von Catharina Treu lassen sich in prominenten Sammlungen ihrer Zeit nachweisen und belegten „ihre herausragende Stellung“, so die Forscherin, auch wenn manche Fragen zu ihrem Leben offen bleiben müssten. Bei Auktionen tauchen immer mal wieder Gemälde von ihr auf, sogar in der wegen NS-Raubkunstverdacht 2012 zeitweise beschlagnahmten Kollektion des Kunstsammlers Cornelius Gurlitt. Aber der weitaus größte Teil des Werks bleibe leider verschollen.

Der neue Hofmusikraum im Schloss

Anschrift: Schloss Mannheim, Bismarckstraße, 68161 Mannheim

Zu besichtigen: Haupttreppenhaus, Rittersaal, je vier rekonstruierte Räume des Kaiserlichen Quartiers und des Appartements der Großherzogin, der Gang hinunter zum Fundament sowie das Schlossmuseum im Erdgeschoss mit Dauerausstellung. Die Räume zeigen das Leben zur Zeit der Kurfürsten (1720 bis 1777) sowie der Großherzogin Stéphanie von Baden (1809-1860).

Eintritt: Schloss mit Audioguide oder App für Erwachsene neun Euro, für Ermäßigte 4,50 Euro und für Familien 22,50 Euro.

Öffnungszeiten: Bis 31. März Donnerstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr, letzter Einlass um 16 Uhr. 24., 25. und 31. Dezember geschlossen.

Anfahrt: Mit öffentlichen Verkehrsmitteln bis Hauptbahnhof Mannheim, dann weiter mit Stadtbahnlinien 1, 4/4 A und 5 bis Haltestelle „Schloss“ oder zu Fuß in 12 Minuten. Mit dem Auto ab Autobahneinfahrt Mannheim oder aus der Pfalz über B 37/Konrad-Adenauer-Brücke, in Mannheim der Beschilderung folgen; Parkmöglichkeit in der Parkgarage Universität/Mensa oder Tiefgarage Stadthaus N 1.

Führungen: Zum Themenjahr „Liebe, Lust und Leidenschaft“ planen die Staatlichen Schlösser und Gärten Sonderführungen im Schloss Mannheim „Aus Liebe zur Kunst: Hofmalerin Catharina Treu“ an den Sonntagen, 26. Juni und 23. Oktober, jeweils 14.30 Uhr

Das Buch: Gabriele M. Thölken, „Catharina Treu , Die Hofmalerin des Kurfürsten Carl Theodor, 512 Seiten mit 75, meist farbigen Abbildungen, fester Einband, Verlag Regionalkultur, 39,80 Euro. pwr

Redaktion Chefreporter

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