Zeitreise

Anna Maria Luisa de’ Medici - Kurfürstin der Pfalz und Gönnerin

Ob sie jemals in Mannheim war, weiß man nicht – aber Anna Maria Luisa de’ Medici, die letzte Angehörige der berühmten Florentiner Familie, fungierte als Kurfürstin der Pfalz. Mit ihrer großzügigen Stiftung finanzierte sie die Hofmusik am Schloss.

Von 
Peter W. Ragge
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Dieses Porträt von Anna Maria de‘ Medici, eine Leihgabe der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen München, hängt im neuen Hofmusikraum des Mannheimer Schlosses. © Bayerische Staatsgemäldesammlungen/Nicole Wilhelms

Mannheim. Sie sei „die glücklichste Prinzessin und zufriedenste Frau der Welt“, hat sie im Sommer 1691 an ihren Vater geschrieben. Es ist der toskanische Großherzog Cosimo III. (1642-1723), und auch der muss jetzt zufrieden sein. Er ist zu jener Zeit das Oberhaupt der berühmten italienischen Herrscherdynastie der Medici, die über drei Jahrhunderte hinweg die Geschicke der Stadt Florenz und der Toskana bestimmt. Und endlich ist es ihm geglückt, seine 1667 geborene Tochter mit einem Angehörigen des europäischen Hochadels zu verheiraten – und jetzt schwärmt die Tochter auch noch von ihrem Gatten, was bei politisch arrangierten Ehen ja eher selten vorkommt.

Es dauert aber lange, bis der Großherzog die Tochter – im Wortsinne – an den Mann bringt. Das liegt nicht an ihr. Sie soll „eine aparte Schönheit“ gewesen sein, so Liselotte Homering, ehemalige Leiterin der Theatersammlung der Reiss-Engelhorn-Museen, die sich zum 270. Todestag mit ihr befasst hat. Homering charakterisiert Anna Maria Luisa de’ Medici als „erstaunlich ausgeglichene, musisch wie sprachlich gebildete, geistvolle, lebensfrohe junge Frau von einigem diplomatischem Geschick“, die zudem eine „ausgezeichnete Konstitution und eine gute Portion Humor“ besessen habe.

Schloss in Düsseldorf

Der für sie ausersehene Gatte ist eigentlich auch eine gute Partie: Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg, seit 1679 Herzog von Jülich-Berg und seit 1690 Kurfürst von der Pfalz. Der „Jan Wellem“ genannte Herrscher regiert vom Düsseldorfer Schloss aus auch die Kurpfalz, weil hier 1688 bis 1697 der Pfälzische Erbfolgekrieg tobt und französische Soldaten viele Landstriche besetzen oder völlig verwüstet haben, darunter 1693 das Heidelberger Schloss.

Der neue Hofmusikraum im Schloss

Anschrift: Schloss Mannheim, Bismarckstraße, 68161 Mannheim

Zu besichtigen: Haupttreppenhaus, Rittersaal, je vier rekonstruierte Räume des Kaiserlichen Quartiers und des Appartements der Großherzogin, der Gang hinunter zum Fundament sowie das Schlossmuseum im Erdgeschoss mit Dauerausstellung. Sie zeigen das Leben zur Zeit der Kurfürsten (1720 bis 1777) sowie der Großherzogin Stéphanie von Baden (1809-1860).

Hofmusikraum: Im Trabantensaal ist 2021 ein Hofmusikraum eingerichtet worden. Neben neun originalen Streichinstrumenten sind Grafiken und ein Bühnenmodell der Hofoper zu sehen. Hörstationen und Filme erschließen die musikalische Glanzzeit. Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen haben vier Werke als Dauerleihgaben zur Verfügung gestellt, die bis 1778 in Mannheim hingen und nun zum Bestand der Alten Pinakothek München gehören – darunter ein Porträt von Anna Maria Luisa de’ Medici.

Eintritt: Schloss mit Audioguide oder App für Erwachsene neun Euro, für Ermäßigte 4,50 Euro und für Familien 22,50 Euro.

Öffnungszeiten: Bis 31. März Donnerstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr, letzter Einlass um 16 Uhr. 24., 25. und 31. Dezember geschlossen.

Anfahrt: Mit öffentlichen Verkehrsmitteln bis Hauptbahnhof Mannheim, dann weiter mit Stadtbahnlinien 1, 4/4 A und 5 bis Haltestelle „Schloss“ oder zu Fuß in 12 Minuten. Mit dem Auto ab Autobahneinfahrt Mannheim oder aus der Pfalz über B 37/Konrad-Adenauer-Brücke, in Mannheim der Beschilderung folgen; Parkmöglichkeit in der Parkgarage Universität/Mensa oder Tiefgarage Stadthaus N 1. pwr

Aber trotz aller Kriege – der 1658 geborene Johann Wilhelm hat eine herausgehobene Rolle im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Er darf nicht nur als einer der Kurfürsten den Kaiser wählen, sondern fungiert nach dessen Tod bis zum Amtsantritt eines Nachfolgers auch als der Stellvertreter. Seit dem Tod seiner ersten Frau Maria Anna Josepha von Habsburg, Erzherzogin von Österreich, im Jahr 1689 ist Johann Wilhelm jedoch verwitwet, mit Anfang 30 aber immer noch ein attraktiver künftiger Gatte.

Trauung ohne Bräutigam

Vor einer neuen Ehe sind indes finanzielle Fragen zu klären – und das Protokoll. Johann Wilhelm schickt im Februar 1691 einen Gesandten in die toskanische Hauptstadt. Vor den Verhandlungen stehen Etikettefragen, denn die florentinischen Minister zieren sich zunächst, den kurpfälzischen Diplomaten so zu behandeln, wie es seinem Rang geziemt. Dann geht das Geschacher los, wie hoch die Mitgift der Medici sein wird, wie hoch das Witwengeld und was der Ehefrau an Unterhalt zusteht. Letztlich lässt der Kurfürst zusagen, dass seine Braut als Morgengabe „einige schöne vndt pretiose Jubellen“, also Juwelen, erhält, wie Uta Coburger, Konservatorin der Staatlichen Schlösser und Gärten, in alten Dokumenten gefunden hat.

Am 29. April erfolgt endlich die Trauung im Dom von Florenz durch den Erzbischof. Die Braut erscheint im prächtigen, mit Edelsteinen verziertem Kleid, wird von einer langen Kutschenkolonne zum Dom gebracht. Der Kurfürst erscheint – gar nicht. Das ist aber so üblich in diesen Kreisen. Die Trauung erfolgt „per procurationem“, also per Stellvertreter. Gesegnet wird der Vermählungsring, den danach mit einem handschriftlichen Brief der Braut ein Kurier nach Neuburg bringt, wo Johann Wilhelm sich aufhält.

Derweil vergießt Anna Maria Luisa de’ Medici viele Tränen – ob vor Rührung, Glück oder Abschiedsschmerz, das weiß man nicht. Jedenfalls habe sie sich „ein Tag oder zwei vorhero gantz ausgeweint“, meldet Obrist Johann Jakob von Hamilton an seinen Kurfürsten, der ihm die neue Ehefrau zuführen soll. Erst am 6. Mai erfolgt die Abreise nach Florenz, ein paar Hofdamen reisen ihr entgegen und dienen ihr ab Bologna.

Eigentlich will Johann Wilhelm seine neue Ehefrau erst in seiner Neuburger Residenz empfangen. Weil der Offizier ihm von Bologna die Nachricht zukommen lässt, Anna Maria Luisa de’ Medici sei „so verliebt“, eilt er ihr entgegen und trifft sie am 25. Mai in der Tiroler Landeshauptstadt Innsbruck. In der Privatkapelle der dortigen Erzherzogin Eleonore wird den frisch Vermählten ein Segen erteilt, danach die Ehe vollzogen. Das ist ganz wichtig, denn erst danach gibt es die Morgengabe – Juwelen, die 100 000 Reichstaler Wert sein sollen. Daraufhin schreibt sie dem Vater, dass sie so glücklich und zufrieden ist.

Verliebtes Paar

Über München und Augsburg geht die Reise des Paares nach Neuburg zum festlichen Empfang in der dortigen Residenz, nach ein paar Tagen Aufenthalt weiter nach Norden. Erst am 19. Juli 1691 treffen Kurfürst und Kurfürstin in Düsseldorf ein. Sie gelten als glückliches, verliebtes Paar, und auch wenn die Verbindung kinderlos bleibt, soll sie von echter Zuneigung geprägt gewesen sein. „Beide tanzten gerne, frönten der Jagdleidenschaft, waren exzellente Reiter und fanden sich nicht zuletzt in ihrem Interesse an der Kunst“, so Liselotte Homering. In Briefen in die Heimat – nahezu die einzigen Quellen aus jener Zeit – ist von Bällen, Festen, der Jagd und dem rheinischen Karneval die Rede.

„Gemeinsam förderten sie Malerei und Musik in Düsseldorf“, so Uta Coburger. Auch dank ihrer Mitgift gewinnt die Residenz Schloss Benrath an Glanz. Johann Wilhelm baut, auf der Basis einiger vom Großvater gesammelter Werke, eine üppig bestückte Gemäldegalerie mit Werken von Rubens, Raffael, Dürer und Rembrandt auf. Nach seinem Tod holt sie sein Nachfolger Carl Philipp ins Mannheimer Schloss. Als dessen Nachfolger Kurfürst Carl Theodor das bayerische Erbe antreten muss, lässt er die Bilder nach München bringen, wo sie den Grundstock der Alten Pinakothek bilden.

Auf die Initiative von Anna Maria Luisa de‘ Medici soll der Neubau eines Opernhauses in Düsseldorf 1694/95 zurückgehen, wozu sie 80 000 Gulden aus ihrem Privatvermögen beisteuert. Große barocke Opern, auch Uraufführungen, finden daraufhin dort statt. Überliefert sind Auftritte des berühmten Komponisten Georg Friedrich Händel. „Er spielt auch sehr schön“, schreibt die Kurfürstin nach Florenz.

Für den Sommer 1698 ist eine Reise des Kurfürstenpaares in die Kurpfalz belegt, mit Aufenthalten im Weinheimer Schloss, einem Besuch der Frankfurter Messe und Jagd in Schwetzingen. Johann Wilhelm verfügt den Wiederaufbau des zerstörten Mannheim und erneuert die Stadtprivilegien. Zudem entscheidet er sich, Schloss Schwetzingen als Sommerresidenz wiederaufzubauen und zu einer repräsentativen Dreiflügelanlage erweitern zu lassen, nachdem er nach dem Ende des Pfälzischen Erbfolgekriegs die Rückgabe der von den Franzosen besetzten pfälzischen Gebiete erreicht. Er lässt ferner viele Skulpturen in den Schlossgarten bringen. Nicht ohne Grund prangt das Wappen von ihm und der Medici auf den beiden Säulen des Eingangsportals des Ehrenhofs in Schwetzingen.

Jagd in Schwetzingen

1699 ist von einem erneuten, mehrmonatigen Aufenthalt des Paares in der Kurpfalz die Rede, von Weinheim, Jagd in Schwetzingen, auch von Frankenthal, Philippsburg und Neustadt. In späteren Jahren berichten Quellen zudem von Reisen nach Heidelberg, immer wieder Weinheim und Schwetzingen, wo die Kurfürstin 1711 ein Kreuz für die Pfarrei St. Pankratius stiftet. Mannheim taucht zwar in den Listen ihrer Besuche mal auf – aber da gibt es eigentlich nur eine zerstörte, im Wiederaufbau befindliche Stadt ohne angemessene Residenz.

Mehr weiß man nicht. „Weitere Angaben zu Mannheim existieren nicht“, sagt Uta Coburger. „Der ganze Bereich der frühen Pfalz-Neuburger Herrschaft in der Kurpfalz ist kaum erforscht“, bedauert sie. „Die Neuburger haben zwar die Kurwürde der Pfalz geerbt, aber keine Residenz im alten Kernland gehabt“, erläutert die Konservatorin. Da sie nicht im zerstörten Schloss Heidelberg wohnen können, weichen sie nach Weinheim aus. In Heidelberg hätten Johann Wilhelm und seine Frau „erste Sicherungen und Renovierungen der Kriegsschäden“ durchführen und die nicht zerstörte Hofkirche mit einem prächtigen Hochaltar und Logen ausstatten lassen. Bekannt sind ebenso Auftritte der Düsseldorfer Hofkapelle in der Schlossruine, einmal anlässlich des Besuchs des römischen Königs und künftigen Kaisers Joseph.

Nach zwei Jahren schwerer Krankheit stirbt Johann Wilhelm am 8. Juni 1716. Am 3. August wird er in der Hofkirche beigesetzt. Sein Bruder Carl Philipp übernimmt die Nachfolge, residiert erst in Heidelberg – und legt 1720 den Grundstein für das Mannheimer Schloss.

Anna Maria Luisa de’ Medici kehrt im September des darauffolgenden Jahres zurück nach Florenz. Weil beide Brüder ohne Nachkommen bleiben, will ihr Vaters sie zur Großherzogin machen – aber die europäischen Mächte machen das nicht mit. Die Toskana fällt an die Habsburger – als Ausgleich für andere Gebietsverluste. Weil die Mitgift von Anna Maria Luisa de‘ Medici zurückgefordert wird, muss der Düsseldorfer Hof abgewickelt werden. Massive Silbermöbel aus Düsseldorf gelangen aber ins Mannheimer Schloss. „Sehr elegant“, weiß Uta Coburger zu berichten.

Vermächtnis für Florenz

Düsseldorf indes verarmt so sehr, dass es 1720 die Straßenbeleuchtung wieder abschafft. Das Opernhaus wird zur Kaserne umgebaut. Die Hofmusiker wechseln teilweise an den Hof von Carl Philipp. Ein Beispiel ist der Lautenist Johann Sigismund Weiß, dessen Musik heute im Hofmusikraum des Mannheimer Schlosses an Anna Maria Luisa de‘ Medici erinnert. „Da die spätere Kurpfälzer Hofmusik kaum noch Lauten einsetzte, ist dies auch ein sehr gutes Beispiel für die charakteristische Musik des frühen 18. Jahrhunderts und den Klangunterschied zur späteren Kurpfälzer Musik – mit viel mehr Streichern, Klarinetten und kaum noch Lauten“, erläutert Uta Coburger.

Als Anna Maria Luisa de‘ Medici am 18. Februar 1743 in Florenz stirbt, trauert die ganze Stadt und der Karneval fällt aus. Sie ist die letzte Vertreterin des berühmten Geschlechts. Per Vertrag und Testament sorgt sie dafür, dass ihr gesamtes Eigentum wie Villen, Gemälde, Skulpturen „zur Zierde des Staates, zum Nutzen des Publikums und um die Neugier der Fremden anzuziehen“ niemals aus Florenz entfernt werden dürfe. Es bildet den überwiegenden Teil der weltberühmten Kunstsammlung in den Uffizien.

Erbe für die Kurpfalz

Doch auch die Kurpfalz profitiert. Anna Maria Luisa de‘ Medici richtet eine Stiftung ein, wonach die Hofmusik jährlich 52 000 erhalten soll, andere Quellen nennen gar den Betrag von 80 000 Gulden. „Dieses Vermächtniß ist so fest gegründet, dass es kein Churfürst mehr umstoßen kann“, schreibt eine zeitgenössische Quelle und führt es darauf zurück, dass „die Musik in der Pfalz in kurzem zu einer so bewunderswürdigen Höhe aufstieg“. „Die Stiftung wurde erst mit dem Tod der Medici wirksam und war unter Carl Theodor gültig – auch mit der Residenzverlegung nach München“, so Uta Coburger.

Aber wie lange die Stiftung Geld abwirft, ist offen. Sie reicht immerhin, dass die Hofmusik in der Kurpfalz über Jahrzehnte hinweg einen sicheren, ja unantastbaren Etat hat, die durchschnittlich immerhin 75 Musiker ein recht hohes Einkommen haben und die Kurpfalz zu einer der führenden Musikmetropolen Europas wird. Anna Maria Luisa de‘ Medici habe so letztlich „die Grundlage der Blüte der Mannheimer Hofmusik“ geschaffen, so Coburger.

In ihrem Grab in Florenz trägt sie die Krone der Kurpfalz. Das stellt sich 2012 heraus, als Experten um Wilfried Rosendahl, Chef des „German-Mummy-Projects“ der Reiss-Engelhorn-Museen, von den Italienern mit der Exhumierung und Untersuchung der sterblichen Überreste der Kurfürstin beauftragt werden.

Redaktion Chefreporter

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