Nationaltheater

Was bei einer NTM-Baustellenführung zu sehen ist

Am Tag des offenen Denkmals war der Auftakt, und der Andrang gleich groß. Künftig bietet das Nationaltheater regelmäßig Führungen auf der Baustelle der Generalsanierung an

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Peter W.ragge
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Auftakt für Baustellenführungen des Nationaltheaters: Hier entsteht unterirdisch der neue Chorprobensaal. © Christoph Blüthner

Der Andrang ist sehr viel größer als gedacht. „Wir mussten ganz viele Leute wegschicken“, bedauert Tatjana Dürr, Leiterin der Geschäftsstelle Generalsanierung des Nationaltheaters. Drei Führungen hat das Theater am Sonntag aus Anlass vom „Tag des offenen Denkmals“ angeboten und kurzfristig eine vierte Gruppe ergänzt, aber für mehr reichen die Helme nicht. Doch das Angebot zum Denkmaltag ist nur der Auftakt. Künftig sollen solche Baustellenführungen regelmäßig arrangiert angeboten werden. „Wenn wir viele Anmeldungen haben, setzen wir noch zusätzliche Termine an“, versichert Nele Haller vom Nationaltheater.

Besucher im Schauspielhaus: Hier wird an der Decke und jeweils seitlich über den Treppenaufgängen die Akustik verbessert. © Christoph Blüthner

„Wir müssen diese Baustelle transparent machen“, begrüßt der neue Oberbürgermeister Christian Specht das Angebot. Bewusst hat er sich einer der Gruppen angeschlossen. „Es ist wichtig, dass wir den Leuten zeigen, was hier passiert - und es ist gut, wenn sich so viele interessieren“, sagt er und läuft mit über von Brettern abgedeckte Wege, zu ausgehobenen Baugruben und tief hinein in das seit über einem Jahr geschlossene Haus am Goetheplatz.

Künftig ein offenes Foyer

Es steht seit 1986 unter Denkmalschutz, hat seit 1997 sogar den Rang eines Kulturdenkmals besonderer Bedeutung, erläutert Tatjana Dürr. Und es stellt „ein extrem gutes Beispiel“ dafür dar, welche Gratwanderung zwischen notwendiger Sanierung und Erhalt der alten Bausubstanz nötig sei, ergänzt Malte Klöckner von der städtischen Denkmalbehörde. Er erinnert auch an die Geschichte des Nationaltheaters, das seit 1777 zunächst in B 3 ansässig gewesen ist. Als der Bau im Zweiten Weltkrieg zerstört wird, erfolgt 1957 der Neubau am Goetheplatz. „Man wollte ein neues Haus, das offen für alle sein soll“, so Glöckner.

Infos zur Generalsanierung

Das Nationaltheater bietet vorerst monatlich Führungen über die Baustelle Goethestraße an – falls die Nachfrage hoch ist, wird aufgestockt.

Die nächsten Termine sind am 21. Oktober und 18. November, 11 Uhr, das Angebot ist kostenlos und Anmeldung über die Theaterkasse per E-Mail nationaltheater.kasse@mannheim.de nötig. Die Dauer der Führung ist auf 60-90 Minuten angesetzt – festes Schuhwerk wird vorausgesetzt und die Führung ist nicht barrierefrei. Die Teilnehmerzahl ist aus Sicherheitsgründen begrenzt.

Im November soll an der Ecke Goethestraße/Friedrichsring, wo jetzt das Baustellenschild steht, ein Infocontainer aufgestellt werden, wo es Infos und Veranstaltungen zur Generalsanierung geben wird. pwr

Das soll es künftig noch viel mehr sein. Theaterkasse und Abobüro werden in das Untere Foyer verlegt. „Das wird tagsüber geöffnet - ein offner Raum für alle“, kündigt Nele Haller an. Auch das Theatercafé solle „durchgehend geöffnet“, im Sommer zudem der Vorplatz mit Außengastronomie bespielt werden.

Auf diesem Vorplatz werde es „eine höhere Außenqualität“ geben, verspricht Tatjana Dürr. Da die Generalsanierung von Bund und Land mitfinanziert werde, müsse es „Kunst am Bau“ geben. Daher seien Künstler beauftragt, sich Gedanken über die Gestaltung des Vorplatzes zu machen. Man wolle ihn „mit einem Kunstwerk ausschmücken“, das vielleicht Wasserspiele beinhalte. Dazu seien viele Bäume geplant.

Viel zu eng und daher zu laut: Der alte Orchesterprobensaal wird erweitert – und dazu hier sechs Meter in die Tiefe gegraben. © Christoph Blüthner

Doch das ist natürlich nicht der Grund für die aufwendigen Bauarbeiten. In dem Gebäude habe es „nach 60 Jahren extremer Nutzung einfach einen Sanierungsstau“ gegeben, so Tatjana Dürr. Vor Beginn der Arbeiten sei aber untersucht worden, ob sich die Sanierung rentiere oder ob es Alternativen gebe, erinnert sie. „Es stand auch ein Neubau im Unteren Luisenpark zur Debatte“, doch das habe man nicht nur wegen der Bewahrung der Grünfläche verworfen. „Es ging auch um Denkmalschutz und Nachhaltigkeit“, so Dürr. Zudem hätte ein Neubau wegen heutiger Vorschriften ein um 30 Prozent größeres Bauvolumen erforderlich gemacht. „Aber das Theater, wie wir es jetzt haben, funktioniert vom Raumprogramm her ganz prima“, betont sie.

Was aber nicht mehr funktioniert habe, seien die Haustechnik und der Brandschutz gewesen. „Bei einem Brand hätte binnen 30 Minuten alles in Flammen gestanden, vorgeschrieben sind aber heute 90 Minuten, damit genügend Zeit zur Räumung bleibt“, ergänzt Nele Haller. Viele Investitionen in den Brandschutz, etwa neue Brandmeldeanlagen für alle Bereiche hinter den Kulissen und Abtrennungen im Foyer vor allen Aufgängen zu Opern- und Schauspielhaus, stünden daher im Mittelpunkt der Arbeiten.

Haustechnik veraltet

Hinzu komme der Austausch der gesamten Haustechnik. „Da stammt vieles noch von 1957“, so Nele Haller. Das gelte ebenso für die Arbeitsbedingungen. „Damals gab es eben viel weniger Mitarbeiter, zuletzt mussten viele Kolleginnen und Kollegen daher in Räumen ohne Fenster, ohne Tageslicht, ohne ausreichende Fluchtwege arbeiten“, erläutert sie. Besonders drastisch gelte dies für das Orchester: „Der Probensaal ist bisher viel zu klein, der Schalldruck so groß, dass die nur mit Ohrenschutz üben konnten - das geht auf Dauer nicht!“

Am östlichen Teil des Spielhauses wird daher der bestehende Orchesterprobensaal erweitert - sechs Meter in die Tiefe: „Das ist der technisch anspruchsvollste Teil der Arbeiten“. Für den Chor gibt es einen komplett neuen unterirdischen Probesaal an der Ecke Richtung Berliner Straße, dazu kommen - bisher fehlende - Stimm- und Einsingzimmer. Während hier der Aushub erst noch ansteht, ist auf der Innenstadt-Seite des Theaters bereits ein tiefer Graben zu sehen. Hier entstehen unterirdisch Räume für - bisher nur provisorisch und beengt untergebrachte - Werkstätten, die (ergänzend zu den Kollegen, die im Werkhaus Kulissen bauen) direkt in der Nähe der Bühne sein müssen, um dort Reparaturen und Veränderungen vornehmen zu können. Damit sie Tageslicht haben, sind auf dieser Seite vom Goetheplatz zwei jeweils sechs mal sechs Meter große Lichthöfe und ein Fluchtturm geplant, auf der Luisenpark-Seite drei Lichthöfe.

Zeitplan steht bisher

„Aber der Platz bekommt wieder seine Anmutung wie vorher“, versichert Haller. Viele der Bauarbeiten, so räumt sie ein, beträfen Bereiche hinter den Kulissen: „Es gibt ganz viel Veränderung, die man aber später nicht sieht.“ Aber die Stühle - die wie, wie alles im Haus, auch vom Denkmalschutz erfasst sind, würden neu gepolstert. Im Schauspielhaus werde das Obere Foyer („Bisher Abstellraum der Hausmeister“) wieder für das Publikum erschlossen und die Akustik durch neue Akustiksegel an der Decke und seitlich des Zuschauerraums deutlich verbessert. Das Obere Foyer vom Opernhaus wird klimatisiert, die Verglasung energetisch erneuert.

Fertig sein soll das alles bis September 2018, bekräftigt Nele Haller, „denn dann beginnt unsere 250. Spielzeit“. Zunächst war schon 2027 geplant, „aber wir sind ein Jahr im Verzug“, erinnerte sie an die Mitteilung vom Juni diesen Jahres. Begründet worden war dies mit der Suche nach Kampfmitteln, sprich Bomben des Zweiten Weltkriegs, die sich als ebenso aufwendig erwiesen hat wie die Schadstoff-Sanierung. „Es war klar, dass wir Schadstoffe finden - aber nicht, dass es so viele sind“, verweist Haller auf die zahlreichen Riesensäcke, für die alle erst Spezialdeponien gefunden werden müssen. Doch „aktuell sieht es ganz gut aus“, antwortet sie auf die Frage, ob der neue Zeitplan noch Bestand hat. Auch beim Budget bewege man sich „noch im angesetzten Rahmen“ von 247 Millionen Euro.

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