„Yeeow!“ – Mit ihrem Schrei animieren sie dann wirklich alle im Publikum zum Riesenbeifall für das temperamentvolle Finale aus dem Musical „Oklahoma“ von Richard Rodgers. Alistair Lilley, seit dieser Spielzeit Chordirektor am Nationaltheater, hatte in die Alte Schildkrötfabrik geladen zum „Opernchor in Concert“. Und wer sich lediglich eine Abfolge der gängigen Opernchor-Hits erwartet hatte, wurde schnell eines Besseren belehrt.
Ein sehr ambitioniertes und abwechslungsreiches Programm präsentieren die 24 Damen und 24 Herren des Chores, unterstützt von einigen Mitgliedern des Orchesters. Wobei sich die Drei-Block-Bestuhlung nicht unbedingt als ideal erweist, gönnt sie doch einem Großteil des Publikums weder einen Blick auf den Dirigenten Lilley noch auf das Instrumental-Ensemble.
Überraschend eingeläutet wird der Abend mit geistlicher Musik von Henry Purcell, Johann Sebastian Bach und Gioacchino Rossini. Zur Einstimmung ein fünfstimmiges anglikanisches Kirchenlied, sowie eine doppelchörige A-capella-Motette mit jeder Menge Koloraturen – schon gewagt für einen Opernchor! Dementsprechend wurde doch viel in die Noten und wenig auf den Dirigenten geschaut. Im „Cum santo spirito“ aus Rossinis „Petite messe solennelle“, begleitet von Matthew Gibson am Klavier und Lorenzo die Toro am Harmonium, kann sich der warme volle Klang des Chores dann entfalten.
Mit Rossinis „Barbier“ war der Bann gebrochen
Die Liebeslieder-Walzer op. 52 von Johannes Brahms, 17 bezaubernde Preziosen im Minutentakt, verlangen trotz scheinbar heiter-leichtem Ton extrem gute Textverständlichkeit und flexible Charakterzeichnung, damit Witz, Ironie und lyrische Schwelgerei trefflich zum Ausdruck kommen. Da hätte man sich dann doch mehr musikalische Ausgestaltung vorstellen können!
Doch spätestens mit dem genialen Dumdumdullibaba-Arrangement der Ouvertüre zu Rossinis „Barbier von Sevilla“ nach der Pause war der Bann gebrochen. Jetzt ist der Chor, geschmückt mit bunten Tüchern und Blümchen, in seinem Element! Im Jägerchor aus Webers „Freischütz“ bestechen die Herren, im Hexenchor aus Verdis „Macbeth“ die Damen, beim Triumph- und Gefangenenchor aus Verdis „Aida“ und „Nabucco“ bleiben keine Wünsche offen: Phrasierung, Dynamik, Übergänge, Tempiwechsel, Klangkultur: tipptopp. Nun kommen auch die vorzüglichen Instrumentalsolisten zum Einsatz: die Trompeter Roman Kupriianov und Falk Zimmermann, Hornist Teodor Blagojevic, Johanna Pschorr an der Posaune, Siegfried Jung an der Tuba sowie Volker Masson am Kontrabass und Jens Knoop am effektfreudig besetzten Schlagzeug.
Bei Benatzky ist die ganze Welt himmelblau
Mit zwei beschwingt-fetzigen Nummern aus komischen Opern des britischen Komponisten Arthur Sullivan sowie der Meran-Huldigung aus dem Musical „Chess“ der Abba-Männer Benny Anderson und Björn Ulvaeus bleibt der englische Chordirektor seinem programmatischen Anspruch auf originelle musikalische Mixtur durch die Jahrhunderte treu.
Das Potpourri aus Ralph Benatzkys Operette „Im weißen Rößl“ mit Hits wie „Die ganze Welt ist himmelblau“ und „Im Salzkammergut kann man gut lustig sein“ erinnert dazu an längst vergangene Erfolge am Mannheimer Nationaltheater: „Es muss was Wunderbares sein.“ Warum gibt es einen solchen Abend, an dem sich das Chor-Kollektiv gut in Szene setzen kann, denn eigentlich nur einmal?
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