Mannheim. Es steht 6:6. Die Hälfte der bisher zwölf Konzerte der Mannheimer Sommerbühne seit 27. Juli musste wegen Sommerpause in den Saal der Alten Feuerwache umziehen. Nur sechs konnten bisher als Open Air stattfinden – so auch die Show des Electro-Songwriters PaulWetz am Freitagabend. Das passt perfekt. Seine tiefenentspannten, aber tanzbaren Beats verbreiten Urlaubsgefühle auf dem sehr gut gefüllten Platz am Rande der drei Türme. Das grellbunt-gelbe Hemd des Hauptdarstellers strahlt mit der Sonne um die Wette. Der macht auch verbal gut Wetter: „Wir kommen aus der hässlichsten Stadt Deutschlands: Pforzheim.“ So etwas in der Art sage man Mannheim ja auch nach. „Aber ich finde es immer ganz schön bei euch.“
Millionen Klicks auf Spotify
Gut, es ist das erste Konzert des Pforzheimers in der Quadratestadt. Und obwohl er für einen Badener ziemlich viel schwäbelt, sammelt er permanent Sympathiepunkte – und schafft absolute Wohlfühlatmosphäre. „Safe Space für alle“, nennt er das irgendwann – und das gilt sogar für Schwäbisch säuselnde Personen wie ihn. Dass der Platz vor der Feuerwache nicht genau voll gepackt ist, wie bei der Sternstunde mit Paula Carolina am Vorabend, verwundert eigentlich: Denn vor allem PaulWetz’ englischsprachige Songs sind auf Spotify wahre Klickmaschinen. Allein die Liebeskummernummer „Sleepless“ wurde fast 49 Millionen Mal aufgerufen, die abgefeierte Zugabe „Moment“ in zwei Versionen weit über 20 Millionen Mal. Vom ausgelassenen Teil des Publikums mit am lautesten gefeiert wird aber der aktuelle Hit „Tanz in Deiner Wohnung“, der zusammen mit der ganz frisch veröffentlichten Nummer „Gaga Baby“ den stärksten Eindruck hinterlässt. Dass der Videodreh per Smartphone durch Manager (und normalerweise Drummer) Johannes Lange-Kabitz von PaulWetz hierbei mehr Aufmerksamkeit bekommt als die Zuhörerschaft, ist der einzige etwas uncharmante Moment an diesem gelungenen Abend.
Auf den Fersen von Helene Fischer
Der sehr freundliche Menschenfänger am Mikrophon kann auch sehr ordentlich Gitarre spielen, wirkt aber wie ein Techno-Hippie und ist trotzdem längst eine imposante Branchengröße: Bei Spotify erreicht er monatlich zwei Millionen Hörerinnen und Hörer. Da liegt Helene Fischer (2,4 Millionen) nicht viel weiter vorn. Und in dieser derzeit härtesten Währung im Geschäft mit aufgenommener Musik hat PaulWetz mehr als doppelt so viel Zählbares vorzuweisen wie die Electro-Pioniere von Kraftwerk. Ohne die womöglich weder er noch sein musikalischer Mitstreiter Andre Haaf (Keyboards/Synthesizer) wüssten, wie man Beats und Sounds aus dem Computer zum Leben erweckt. Der Tastenmann hat wie Lange-Kabitz an der Popakademie studiert und ergänzt seinen zum Ausdruckstanz neigenden Frontmann mit stoischer Perfektion. Auch optisch bietet er Kontrastprogramm: ganz in Schwarz,aber mit neu-romantischer Eleganz. Als wäre er auf dem Weg zum Vorspielen bei Orchestral Manoeuvres In The Dark.
Nächstes Konzert mit Future Franz
So positiv und fluffig die Musik wirkt, so melancholisch und sinnsucherisch sind Texte wie „People“. Vor allem „Wenn die Welt weint“ beeindruckt mit tiefen Beats und minimal orientalischem Einschlag. Wenn es beim druckvollen großen Hit „Silence“ noch etwas Lichtshow in der Dunkelheit gegeben hätte, wären keine Wünsche offen. Trotzdem hat PaulWetz völlig Recht, wenn er zum Schluss in die jubelnde Menge ruft: „Viele Menschen, ein bisschen Musik, alles friedlich – was gibt’s Schöneres?“ Weiter geht’s auf der Sommerbühne am Sonntag mit Indie-Pop von Future Franz, Montag folgt Jazz von Mobilé (jeweils kurz nach 20 Uhr, Eintritt frei).
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