Konzertkritik

Wie Konstantin Wecker in Mannheim "Utopia 2.0" entwickelt

Der Liedermacher und seine Träume leben auf der Bühne des Rosengartens pazifistische Träume aus - musikalisch und sprachlich hochklassig

Von 
Raimund Frings
Lesedauer: 
Der 76-jährige Konstantin Wecker beeindruckt im Mannheimer Rosengarten mit seiner Band und klingender Sprache. © Rudolf Uhrig

Mannheim. Liedermacher Konstantin Wecker wieder auf Tour: „Utopia 2.0“: So der trotzige Titel seines Programms, das er im Musensaal des Rosengartens auf für Wecker-Fans gewohnte drei Stunden Länge ausrollt. Gleich vorweg: Seine musikalische Qualität ist am höchsten, wenn er seine träumerischen Liebeslieder wie „Wenn der Sommer nicht mehr weit ist“ oder „Wenn du fort bist“ vorträgt. Dann steht er an der Bühnenkante und genießt den direkten Kontakt zum Publikum, entwickelt mit dem Klang seiner Sprache eine berührende, intime Intensität.

Gerade in den lyrischen Passagen artikuliert der inzwischen 76-Jährige wie kein anderer. Unnachahmlich sein rollendes R, seine Fähigkeit, jedem einzelnen Wort ein eigenes Gewicht zuzumessen, sein ganz leichtes Vibrato in der warmen Stimme. Doch heuer hat er gleich vier gestandene Musiker mitgebracht, die zusammen einen schier orchestralen Sound zelebrieren und auch einzeln überzeugen: Pianist Jo Barnikel und Schlagzeuger Jürgen Spitschka sowie Fany Kammerlander am Cello und Norbert Nagel am Saxophon bauen dabei Elemente aus dem Free Jazz ein, vollführen karibische oder südamerikanische Anklänge. Konstantin Weckers antifaschistische Überzeugungen und emphatische Appelle werden so abgemildert.

Gegen Egoismen der Macht

Den Zuschauern ist es egal. Sie jubeln bei jeder Aussage gegen die Egoismen der Macht. Das heiß erwartete „Sag nein“ aus dem Jahr 1993 ist wuchtig und eingängig. Der Song „Wenn die Börsianer tanzen“ klingt nahezu wie ein Charts-Hit. Saxophon-Soli, melancholische Cello- oder Pianopassagen inszenieren genussreiche Momente, denen der Liedermacher dann doch wieder schroffe Statements gegen den Krieg entgegensetzt. Schwer erträglich anzuhören ein eingespieltes Radiodokument von Ernst Toller aus dem Jahr 1930, in dem der tagelang anhaltende Schrei eines sterbenden Soldaten beschrieben wird.

Eher Agitprop als Chanson

Eher Agitprop als Chanson. Da manifestiert der Münchener zu Lebzeiten sein Vermächtnis, stellt sich wie immer gar nicht uneitel in eine Reihe mit Philosophen, Dichtern und anderen Persönlichkeiten, als aufrechter Kämpfer einer Bewegung gegen die Sinnlosigkeit von Hass und Gewalt. Bliebe er doch bei eigenen Liedern, seinen Erinnerungen an musikalische Wegbegleiter wie das aufmunternde „Gracias al la vida“ von Mercedes Sosa. Oder seiner träumerischen Ballade von der „Welt, die nie zu Ende geht“. Hier wird sein „Utopia“, an dem er auch nach über 40 Jahren Bühne festhält, wirklich glaubwürdig.

Mehr Termine: wecker.de

Freier Autor

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke