Jazz

Wie ein Altmeister des Jazz das Hemsbacher Schloss fast in die Carnegie Hall verwandelt

Jazzlegende und Bassist Ron Carter und sein Trio machen aus dem Hemsbacher Schloss die Carnegie Hall - na ja, fast. Der Altmeister ist da selbst ergriffen.

Von 
Markus Mertens
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Faszinierte sein Publikum in Hemsbach: Jazz-Legende Ron Carter. © Markus Mertens

Das Hemsbacher Schloss ist zwar nicht die Carnegie Hall – aber an diesem Abend, der hier die Jazztage eröffnet, erinnert dennoch viel an die musikalische Party, die dem legendären Jazz-Bassisten erst vor wenigen Wochen die Ehre zum 85. Geburtstag erwies. Entsprechend stilecht steigt Ron Carter hier mit Worten ein, die fast alles sagen: „I had a pretty nice career“ (ich hatte eine ziemlich schöne Karriere).

Die Zeugnisse davon finden sich bis heute auf über 2000 Tonträgern wieder, die zwischen Straight Jazz und Fusion, Herbie Hancock und Miles Davis, kurzum: zwischen Grandiosität und Experiment wandeln. Doch was Ron Carter heute noch ist, das hört Hemsbach in diesen 120 Minuten. Mit einem Trio im Gepäck, das seinen Leader nicht nur seit Jahrzehnten kennt, sondern seine Musik auch zu spüren versteht. Allein die Zurückhaltung einer Renee Rosnes, die an den Tasten schier unbegrenzte Fähigkeiten hätte, sich aber ganz bewusst auf ein dezentes, galantes Spiel im Hintergrund beschränkt, spricht Bände. Auch Payton Crossley an den Trommeln präsentiert als Gentleman, der seine Jazzbesen wie feine Reinigungspinsel einsetzt – und stellenweise gerade in den Piano-Momenten die größte Gänsehaut erzeugt, wäre allein ein Konzert wert. Wäre da nicht noch der Protagonist dieser ganz genau zwei Stunden, der – ganz Altmeister – schlichtweg mit geschlossenen Augen agiert. Wenn Carter zu einem seiner wenigen Soli an diesem Abend ausholt, muss er das nicht mit einer großartigen Geste andeuten: Der Routinier hört den Augenblick einfach, ergreift ihn – und lässt seine Musiker ganz subtil verstehen, dass die nächsten Takte ihm gehören. Saxofonist James Greene nimmt die Bälle von Carter dann häufig wie einen Startschuss auf, dekoriert die Basslinien mit seinem warmen Motown-Klang zu glänzenden Schmuckstücken – und der Jubel scheint quasi schon garantiert.

Carter ist selbst ergriffen

Was an diesem Abend, der ganz bewusst ohne Pause und falsche Unterbrechungen auskommt, wirklich imponiert, ist sein völlig ungezwungener, grenzenlos authentischer Variantenreichtum. Denn ob Carter nun Tango-Melodien verarbeitet, Historisches von Cannonball Adderley zitiert oder seinen ganz eigenen kompositorischen Pfaden folgt: Was der 85-Jährige an diesem Abend spielt, schimmert golden. Weil es ohne Ansagen, Inszenierung oder Erklärungen auskommt. Da ist nur die Musik, ihre Schönheit und die tiefe Dankbarkeit des Publikums, die sich in blindem Einverständnis daraus ergibt.

Manchmal ist selbst Carter davon noch so ergriffen, dass sich sein Mund ein wenig öffnet, sich die Stirn leicht in Falten legt und die Macht des Grooves von Sinnen und Händen dieser Legende des Jazz Besitz ergreift. Es sind dies die brillanten Augenblicke eines an Größe ohnehin nicht armen Abends, der seine Losung zum Ende hin treffender selbst nicht hätte ausgeben können: „You And The Night And The Music“. Was für ein würdiges Finale!

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