Interview

Wahl-Mannheimerin Paula Carolina träumt von einem eigenen Open Air vor 17000 Fans

Die Deutschpop-Senkrechtstarterin über ihre Einflüsse, Gegenwind aus den sozialen Medien und ihr großes Ziel: ein Konzert in der Berliner Wuhlheide. Am Samstag spielt sie beim Maifeld-Derby-Ableger Elektrik Pony Cup

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Paula Carolina im Interview: Die Wahl-Mannheimerin mischt gerade die deutsche Popmusik auf. © Thomas Tröster

Mannheim. Paula Carolina – sind das eigentlich Ihre Vornamen oder Vor- und Zuname?

Paula Carolina: Also Paula und Carolina sind tatsächlich meine Vornamen. Und Carolina ist auch der erste Vorname meiner Mama. Deswegen habe ich das Projekt so genannt. Weil ich finde, wir sind in den Texten sehr, sehr persönlich, und ich erzähle viele Details aus meinem Leben in meinen Texten. Ich habe lange darüber nachgedacht, ob ich mir einen Namen gebe, der nicht meiner ist. Zum Beispiel Stolle (lacht).

Ihr Nachname ist unbekannt. Warum?

Paula Carolina: Mit dem Nachnamen tue ich mich schwer, weil ich meine Familie da gerne raus halte. 

Einen bekannten musikalischen Namen gibt es in Ihrer Familie – war deshalb Musik früh wichtig?

Paula Carolina: Mein Urgroßopa war Eugen Jochum. Er war Dirigent, hat die ganze Welt bereist und mit Karajan und solchen Leuten Platten aufgenommen. Und ich habe zumindest das Gefühl, ich habe die Gene übertragen bekommen schönerweise. Ich habe da sehr viel Glück, weil ich ganz wenig geübt habe und dafür relativ viel hinbekommen konnte. Die Generation von meinem Opa hat die Musik ein bisschen ausgelassen, weil die halt studiert und gearbeitet hat. Aber meine Mutter hat dann wieder angefangen, Klavier zu spielen, bei uns stand ein Flügel im Wohnzimmer. Und mein kleines Klavier „Olaf“ war auch schon immer da. So habe ich angefangen, im Alter von fünf Jahren Klavier zu spielen. Und Rhythmus war bei uns ein Riesending, denn meine Mama war Stepptanz-Lehrerin und Ärztin. Das heißt, ich bin aufgewachsen mit Jazz und Swing – und habe dazu getanzt, seitdem ich laufen kann. So habe ich auch angefangen, Saxofon zu spielen in einer Bigband. Und in jedem Musical des Dorfes mitgespielt, für das meine Mutter die Choreographien gemacht hat. Bis wir weggezogen sind. Im Allgäu war das schwerer. Da ist alles eingeschlafen, außer Klavier.

Wie blieb Ihr musikalisches Interesse wach?

Paula Carolina: Tatsächlich war das ganz gut. Ich habe dann angefangen, am Klavier zu schreiben. Weil ich keinen Unterricht mehr hatte und deswegen nicht mehr Noten abgespielt habe. Stattdessen spielte ich einfach für mich und habe am Klavier alles verarbeitet, was ich gerade zu verarbeiten hatte. So merkte ich, dass ich lieber selber schreibe.

Eine Band gab es nicht?

Paula Carolina: Nie. Ich wollte immer eine Band. Aber ich habe mich nie in einer Kirchenband gesehen. Das war das, was es auf dem Dorf halt gab. Und dadurch, dass ich so viel umgezogen bin und so viele Hobbys hatte, hatte ich nie Zeit, eine Band zu gründen. Ich habe alles an Hobbys gehabt. Ich hatte in Hannover elf, also von Ballett über Jazz, Dance, Hip-Hop, Reiten. Und dann die ganzen Musicals, Bigband, das Saxofon, Unterricht – und alles parallel. Da hatte ich einfach nie Zeit, darüber nachzudenken, dass ich jetzt eine Band haben will. Also hatte ich halt Big Band. Später im Allgäu kannte ich niemanden und bin viel zu schnell wieder weggezogen.

Was waren Ihre Einflüsse? Ihre aktuelle Musik klingt ja sehr stark nach Neuer Deutscher Welle à la Nena, Ideal oder Nichts und den New Romantics wie etwa OMD. Was gut in die jetzige Zeit mit den Erfolgen von Edwin Rosen, Drangsal oder Betterov passt.

Paula Carolina: Also ich bin damit nicht so stark aufgewachsen. OMD kenne ich zum Beispiel gar nicht. Ich habe super viel Klassik in meinem Leben gehört – und Jazz. Im Pop waren es eher Philipp Poisel oder Phoebe Bridgers. Und ganz viel englischsprachige Musik, weil das sprachlich eigentlich meine große Liebe war. Dann hatte ich aber oft keinen Plan, was da passiert. Ich konnte es abspielen, aber was die da genau musikalisch machen – keine Ahnung! Ich war auch nie an dem Punkt, wo ich dachte, ich muss Musik verstehen. Sondern ich wollte immer Musik machen. Deswegen habe ich es auch nicht studiert. Obwohl ich mich auf die Aufnahmeprüfung in für Schulmusik in Augsburg vorbereitet hatte. Aber ich habe gemerkt: Wenn ich das zugesagt bekomme und studiere, dann wird es für mich viel zu verkopft.

Vorher haben Sie sich unbewusst in eine Position gebracht, in der nur die Selfmade-Popkarriere übrig blieb.

Paula Carolina: Ich wollte auch gar keine Karriere. Also, ich habe es mir nicht zugetraut, dass ich das kann. Ich hätte es nie gedacht, denn ich hatte halt keine Band und wusste nicht, wie ich anfangen soll.

Wie hat sich das geändert?

Paula Carolina: Ein ganz springender Punkt war: Ich habe 2021 während des Corona-Lockdowns übers Internet meinen ersten Produzenten kennengelernt. Ich wollte ihn beeindrucken und Songs schreiben. Was ich vorher nie gemacht hatte. Ich habe immer komponiert am Klavier und getextet, viele Gedichte, es aber nie zusammengefasst. Dann hab’ ich ihm meinen ersten Song geschickt, und er meinte: „Okay, das ist echt gut.“ Und kurz darauf war ich in Österreich in einem Songwriting-Camp. Zu dem Zeitpunkt hatte ich drei Lieder geschrieben und ging mit null Selbstwertgefühl da rein – und bin rausgegangen mit elf Songs. So habe ich gemerkt: Woah, das ist voll meins! So entstand eine erste EP, die nie veröffentlicht wurde. Aber ich habe mich damit beim Popkurs Hamburg beworben. Obwohl ich gar nichts konnte, hat meine Vision, die Art zu singen und zu texten, die Leute dort getriggert – und ich wurde aufgenommen. Dabei traf ich am ersten Tag meinen Gitarristen Nikolaus Winkelhausen. Mit ihm hat alles, was ich im Kopf hatte, plötzlich Sinn ergeben. Er spielt quasi jedes Instrument, kann alles umsetzen – und hat jemanden gesucht, der so textet und singt wie ich. Seine größte Inspiration ist Queen. Er beherrscht zwar die krassesten Jazz-Riffs, aber er spielt am liebsten Power-Akkorde und springt über die Bühne. Das war genau meine Vision, um gute Laune zu verbreiten.

Live am 11. November beim ersten Elektrik Pony Cup in Mannheim

  • Die Sängerin und Songschreiberin Paula Carolina wurde am 29. Juli 1999 in Langenhagen bei Hannover geboren. Die Urgroßenkelin des Star-Dirigenten Eugen Jochum (1902-1987) wuchs in Bissendorf in der Wedemark. Als sie 14 Jahre alt war, zog die Familie ins Allgäu nach Sonthofen. Dort folgten das Abitur und mit 18 der Umzug nach England. Die Folgen des Brexits veranlassten Paula Carolina, ein Semester lang Übersetzen und Dolmetschen in Kempten zu belegen. Aufgrund der wegbrechenden Perspektiven des Berufs studierte zunächst auf Gymnasial-Lehramt, dann für die Mittelschule.
  • In der Pandemie forcierte die heute 24-Jährige 2021 ihre Musikkarriere und besuchte den Popkurs in Hamburg. Dort traf sie ihren jetzigen Gitarristen Nikolaus Winkelhausen.
  • Paula Carolina zog Anfang 2022 nach Mannheim und gründete mit dem Popakademiker Winkelhausen, Felix Burtscher (Drums), Jonas Schmitt (Keyboards) sowie Charly Härtel (Bass) ihre aktuelle Band.
  • Im Juli 2023 veröffentlichte sie die Vinyl-EP „Heiss/Kalt“ mit millionenfach geklickten Liedern wie „Schreien!“, „Trophäe“ oder „Wär’s ok?“. Zuletzt erschienen die Lieder „Kein Bock“, „Offiziell glücklich“ und das Feature„Es regnet Hirn“ für OK Kid.
  • Die Termine von Paula Carolinas jüngster Tournee mussten an vielen Orten in größere Spielstätten verlegt werden. Die nächste Tour startet am 10. Oktober 2024 in Graz. Mehr: paulacarolinamusik.de
  • In Mannheim ist sie am Samstag, 11. November, ab 22 Uhr beim ersten Elektrik Pony Cup zu sehen – neben Alli Neumann, Tränen, Das Sterben, UHD oder Donkey. Das Indoor-Festival ist ein Ableger des Maifeld Derbys und läuft in der Alten Feuerwache sowie im benachbarten Jugendkulturzentrum Forum. Der Cup startet bereits am Freitag um 19.30 Uhr mit Jon Doe.
  • Differenzierte Abendkassenpreise und das komplette Programm der zwei Abende finden sich unter delta-konzerte.de

Und er war an der Mannheimer Popakademie, wo Sie dann Teile Ihrer restlichen Band und Ihre Managerin fanden.

Paula Carolina: Ja, wobei ich selbst mit der Popakademie nichts zu tun habe. Meine Band hatte von Anfang an das Grundvertrauen und hat an das Projekt geglaubt. Menschen zu begeistern und zusammenzuführen, ist neben Singen und Texten wohl mein größtes Talent.

Sie sind dann 2022 nach Mannheim gezogen. Gefällt es Ihnen in der Quadratestadt, obwohl Sie quasi als Landei sozialisiert sind? Ihr düsterstes Lied „Das Ende“ haben Sie ja mit Blick auf die Friesenheimer Insel geschrieben.

Paula Carolina: Ich fühle mich auch in Berlin wohl. Aber ich glaube, ich bin tatsächlich viel zu sehr Landei, um mein ganzes Leben in der Großstadt zu wohnen. In Mannheim ist es das Gleiche – egal, wie grün die Stadt ist. Und ich bin super gerne auch in Heidelberg, Weinheim oder der ganzen Ecke. Etwa zum Wandern. Ich sehe mich aber langfristig irgendwann in einem kleinen Studio und einem kleinen Holzhaus am See.

Ihre ersten Songs klangen noch nach neuen Liedermacherinnen wie Dota, jetzt reihen Sie fast nach Belieben druckvolle Ohrwürmer aneinander. So haben Sie im August auf der Sommerbühne der Alten Feuerwache abgeräumt – ist das die Regel bei Ihren Konzerten?

Paula Carolina: Mittlerweile ja. Es liegt an den Songs. Themen und Texte haben sich gar nicht so stark verändert, aber die Musik schon. Inzwischen will ich eine andere Reaktion vom Publikum. Die Band macht’s. Und ich finde, es gibt derzeit wenig Frauen auf den Bühnen, die derart tanzbare Musik machen. Aber ich musste erst lernen, live gegen eine Band zu singen. Das erklärt den Stilwandel am besten. Das Genre, das wir jetzt spielen, hätte ich mir vor zwei Jahren noch nicht zugetraut.

Ihr NDW-Sound ist total in, die entspannten „woken“ Texte passen perfekt in die Zeit – haben Sie dieses Paket gezielt gepackt?

Paula Carolina: Nein. Wir haben die meiste Zeit keine Ahnung, was wir tun (lacht). Aber das Bauchgefühl weiß, was es tut. Bei uns ist ganz wenig zielgeführt auf Erfolg. Denn dann würden wir andere Musik machen. Wir haben eher die ganze Zeit Schiss gehabt, dass wir zu wenig kommerziell sind – weil bei uns ein echtes Schlagzeug auf der Bühne steht. Weil wir nicht mit DJ anreisen, weil unsere Produktion mit so vielen Leuten teuer ist. Das ist alles nicht auf Geld ausgelegt, sondern darauf, dass wir Spaß haben. Ich glaube, das ist auch das, was der Gesellschaft gerade fehlt.

Gibt es auch negative Reaktionen? Heutzutage polarisiert ja alles.

Paula Carolina: Es ist alles angreifbar – und es wird auch angegriffen auf Social Media. Es gibt Videos von Frauen, die einen Moshpit anleiten, und es kommen 300 Hasskommentare darunter. Mit den Aussagen, die wir da machen, mit meinem Outfit, kommen viele Fragen: Ist die Person, die da arbeitet, eine Frau oder ein Mann? Nur wegen meinen Haaren und des Outfits. Wir sind da schon eine krasse Zielscheibe. Das muss man sich trauen, und da muss man erstmal reinwachsen.

Wo wollen Sie in fünf Jahren spielen: Alte Feuerwache, Rosengarten oder SAP Arena?

Paula Carolina: Ich kann es für Berlin ganz gut sagen: In meiner Traumwelt ist das Ziel ein eigenes Wuhlheide-Konzert. Dort haben wir im Sommer im Vorprogramm von Kraftklub und vor 17 000 Fans gespielt. Nach anderthalb Minuten gab es auch bei uns einen Moshpit, dann teilweise fünf parallel. Das war die geilste Show des Jahres. Also mein Traum wäre in fünf Jahren ein eigenes Konzert in dieser Größe, natürlich gern in mehreren Städten.

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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