Mannheim. Schwarze Hose und T-Shirt, darüber ein bunt gemustertes Hemd: Hans-Jürgen Hubert Dohrenkamp, besser bekannt als Jürgen von der Lippe, bleibt seinem bewährten Outfit treu. Auch verbal ist er spritzig und spontan wie eh und je. 50 Jahre nach seinem Bühnendebüt hat er nichts von seinem Charisma eingebüßt. Aktuell ist der 75-Jährige mit seinem Werk „Sex ist wie Mehl“ auf Tour, das er im Rahmen einer Comedylesung präsentiert. Im ausverkauften Capitol ist der Autor und Komiker am Donnerstag vor rund 700 Zuschauerinnen und Zuschauern aufgetreten. Dabei hat er mit seinem speziellen Humor, einem Mix aus derben Zoten und feinsinnigen Sprachkapriolen für Lachsalven gesorgt.
Der Titel des Buchs macht neugierig: Welchen gemeinsamen Nenner mag das gemahlene Getreideprodukt mit Bettakrobatik haben? Es sei eine alte Müller-Weisheit, sagt er lakonisch. „Zuviel und der Sack platzt“. Der Künstler mit der sonoren Stimme analysiert darin schonungslos ehrlich komische Situationen des Alltags und komplexe zwischenmenschliche Beziehungen in ihrer ganzen Pracht.
Meist gipfeln diese Anekdoten in einer Pointe mit überzeichnetem Ende. Da führt ein Gast einen grotesken Dialog mit einem Kellner beim Versuch, einen Tisch im Lokal zu bekommen. Am Ende landet der Gast mit Herzinfarkt im Krankenhaus, während seine Sekretärin sich den Sternekoch angelt - und ihn gegen einen Zwei-Sterne-Koch eintauscht. Dies sei gnadenloser Feminismus, der im Kontrast zu Goethes „Faust“ stehe.
Küsse und ihre Konsequenzen
„Dieses Jahr wird als Kuss-Jahr in die Geschichte eingehen“, prophezeit von der Lippe. „Da küsste der Dalai Lama einen kleinen Jungen auf den Mund und forderte ihn auf, an seiner Zunge zu lutschen. Also nicht an seiner eigenen, sondern des Dalai Lamas Zunge.“ Auch der missglückte Wangenkuss zwischen Innenministerin Nancy Faeser und Kanzler Olaf Scholz wird thematisiert. „Dann kommt der berühmte Sportkuss, der wochenlang die Presse beschäftigte“, spielt er auf Luis Rubiales an, der die spanische Nationalspielerin Jennifer Hermoso ohne Einwilligung auf den Mund küsste. „Empörung weltweit.“ Rubiales Mutter sei aus Solidarität in den Hungerstreik gegangen. „Süß“, kommentiert er trocken. „Nach zwei Tagen hat sie abgebrochen, wahrscheinlich hat sie Hunger gehabt.“ Doch er hat auch gute Nachrichten: Bei Mund-zu-Mund-Beatmung gehe das Gesetz von einer mutmaßlichen Einverständniserklärung aus.
Dank seines sprachwissenschaftlichen Studiums gehören neben Anspielungen auf literarische Werke auch rhetorische Figuren zum Auftritt. Begriffe wie Alliteration oder Zeugma erklärt er am Beispiel. Er parliert eloquent über Metamorphosen, erklärt, dass Gags über Hässliche funktionieren, weil sich keiner betroffen fühlt. Zudem würzt er mit schlüpfrigen Witzen seine Lesung. Nach drei Zugaben, in denen er etwa erklärt, warum Frauen und Männer ein anderes Verhältnis zum Reden während dem Sex haben, verabschiedet er sich unter viel Beifall.
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