Hintergrund - Die Finanzierung eines Films über Stiftungen ist mühsam, daher suchen Kreative nun Unterstützer im Internet

Virtueller Sammelhut als Trend

Von 
Ulrike Rechel
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Gerade ist die Frist verstrichen, innerhalb der Claudia Rorarius auf Überweisungen für ihren Film hoffte. 8155 Euro sind zusammengekommen, eingesammelt von Unterstützern im Internet. Die Berlinerin gehört zu den Nutzern von "Crowdfunding": ein in den USA beliebtes, hierzulande aber noch wenig bekanntes Modell, um Finanzierungen von Kulturprojekten auf unbürokratischem Weg zu stemmen. In Deutschland sind es Internet-Initiativen wie "Startnext" und "Inkubato", die eine Plattform anbieten, um Kreative und Spender zusammenzubringen. Nach dem Prinzip des virtuellen Sammelhuts sollen sich viele kleine Beträge summieren.

In Rorarius' Fall wusste man ganz genau, was man unterstützt: Ihr sensibles Roadmovie "Chi L'Ha Visto" um einen jungen Mann aus Berlins Schwulen-Szene, der sich auf die Suche nach dem unbekannten Vater in Italien macht, wurde auf Festivals mit viel Lob und Auszeichnungen bedacht. Teilfinanziert wurde der Film auf traditionelle Weise von der Filmförderungsanstalt sowie der Film-Stiftung NRW. Trotz des guten Feedbacks erhielt "Chi L'Ha Visto" aber keine Verleihförderung. "Es hieß: ein schöner Film, aber wir sehen keine kommerziellen Auswertungschancen", erzählt Rorarius enttäuscht. "Erst wird der Film gefördert, aber dann wollen sie ihn nicht im Kino sehen."

Auf der Suche nach Alternativen kam sie auf "Crowdfunding". Positives hatte ihr die Regisseurin Nana Yuriko darüber berichtet. Deren Projekt "Bar 25", eine Langzeitdokumentation über die mittlerweile verschwundene Berliner Nachtleben-Institution am Spreeufer, konnte mit Zahlungen über die Internetseite "Inkubato" finanziert werden.

Komparsenrolle für Spender

Vier bis sechs Wochen dauert eine solche Aktion im Durchschnitt vom ersten Einstellen bis zum Ende der Frist. Etwas mehr als die angepeilten 25 000 Euro kamen in dieser Zeit zusammen. Wären die Spenden unter dieser Marke geblieben, hätten die Gebewilligen ihren Betrag zurückerhalten. Bei dem Online-Netzwerk hat auch Florian Eichinger seinen zweiten Kinofilm als Projekt eingestellt. "Nordstrand" heißt der geplante Film, in dem zwei Brüder sich mit der ihrer familiären Vergangenheit und erlebter Gewalt auseinandersetzen. Es soll Teil zwei einer Trilogie werden über die psychologischen Auswirkungen häuslicher Gewalt, nach Eichingers Kinodebüt "Bergfest".

Über "Crowdfunding" hatte der Regisseur sich im Rahmen des Hamburger Kurzfilmfests schlaugemacht. Die Werbetrommel für die Aktion rührte er nun vor allem im Freundeskreis und über das Internet-Netzwerk "Facebook". Als Prämie bot er Spendern sogar Rollen als Komparsen an. Mit DVDs, einer Namensnennung im Filmabspann oder einem Abendessen im Kreise der Filmcrew hatte auch die Mannheimerin Christina Stihler geworben, als sie im Internet Unterstützer für ihren Film "Projekt E" suchte. Fast 20 000 Euro wird die Dokumentation über die Mannheimer Musik- und Kreativszene wohl kosten, schätzt die 30-Jährige - ein kleiner Teil davon kam durch "Crowdfunding" zusammen. Stihler hatte einen Aufruf auf "Startnext" veröffentlicht und dafür einen kurzen Film gedreht - den die Internetplattform mit einem Preis würdigte. Inzwischen kamen einige Unterstützer zusammen - unter anderem das Kulturamt der Stadt Mannheim. "Ich bin zuversichtlich, dass wir den Film vollständig finanziert bekommen", sagt die Studentin. Im Herbst soll das "Projekt E" im Mannheimer Atlantis-Kino gezeigt werden.

Während es für "Chi L'Ha Visto" gut aussieht, ist die Frist für den Film "Nordstrand" abgelaufen - und die Resonanz blieb weit hinter dem Erhofften zurück. Über die Gründe denkt Eichinger nach: "Natürlich ist ,Crowdfunding' in Deutschland noch neu, anders als in den USA. Dort herrscht allerdings auch eine andere Mentalität als hier. Es ist viel verbreiteter, Dinge zu unterstützen, die man sinnvoll findet." Hinzu komme, dass man mit der virtuellen Aktion dann doch nur einen Ausschnitt der Gesellschaft anspricht. "Eine wichtige Gruppe, die sich vielleicht engagieren würde, erreichst du kaum: die Generation ,50 Plus', die nicht so internetaffin ist."

Denn so ganz unkompliziert ist der Weg zur Online-Spende, samt Registrierungsmodalitäten und Bestätigungs-Mails, nun auch wieder nicht. Leichter haben es beim "Crowdfunding" offenbar Filme, die neben einem griffigen Thema auch einen Hang zum Gemeinschaftsgedanken haben. Der "Bar 25"-Film traf da wohl ins Schwarze.

Freie Autorin

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