Schauspiel

Viel Witz in "Hamlets" Tragödie aufgespürt

Holger Schultze inszeniert am Heidelberger Theater den „Hamlet“ - überaschend neu, ohne Shakespeare zu dekonstruieren

Von 
Eckhard Britsch
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Leon Maria Spiegelberg als Hamlet. © Susanne Reichardt

Heidelberg. Der Wald steht stumm und schweiget, denn er besteht aus schwarz gekachelten Säulen. Düster die Szenerie, wenn der Geist eines Ermordeten nicht zur Ruhe kommt. König war er, was Begehrlichkeiten weckte, und sein Bruder Claudius hat ihm das tödliche Bilsenkraut ins Ohr geträufelt. Doch nicht genug, der Thronräuber krallt sich gleich noch die Witwe zur schändlichen Tat, spiegelt Liebe vor, wo es ihm nur um Begehr, Unterwerfung und Macht ging. Ein Gruselstück, diese Tragödie von William Shakespeare?

"Hamlet" am Heidelberger Theater: Letzte Premiere der Saison

Hausherr Holger Schultze knöpft sich am Heidelberger Theater in der letzten Saisonpremiere diesen „Hamlet“ vor und findet dabei zu einer mit scheinbar leichter Hand geführten Sichtweise. Die Szene hellt sich auf (Bühne: Lorena Diaz Stephens), die Figuren gruppieren sich in moderner Kleidung (Kostüme: Jan Hendrik Neudert) um die Säulen, während vom Bühnenhimmel große Leuchtkörper Helle werfen. Geschickt auch der Einbau von Videos auf Bildschirmen, um die Zeitebenen zu verschränken.

Fast harmlos gehen die Protagonisten aufeinander zu; ihre Sprache ist in der Fassung von Angela Schanelec und Jürgen Gosch dem Heute zugewandt. Schlegel war mal, doch seine Bonmots bleiben erhalten. Schultze dekonstruiert Shakespeare nicht, aber er erlaubt sich den Hinweis, das im Tragischen auch eine gehörige Portion Absurdität enthalten ist.

Schultze nimmt Hamlet sein hohles Pathos

Exemplarisch wird dies in der Person des „Hamlet“ gezeigt. Schultze entlässt seinen Darsteller Leon Maria Spiegelberg aus dem nur selbstquälerischen Korsett und nimmt ihm hohles Pathos. Der berühmte Monolog, eingekürzt, kommt eher beiläufig daher wie ein Gemurmel, denn Hamlet spielt im wahrsten Sinne sich und den Mitmenschen etwas vor. Ist der Wahn nur ein Täuschungsmanöver? Das Wüten nur Selbstzweck, um Gertrudes Mutterliebe zu konterkarieren? Ein junger Mann, per Erbfolge fürs Königtum vorgesehen, das ihn nicht zu interessieren scheint.

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Alle Figuren sind genau gezeichnet. Marco Albrecht spielt den Claudius als oft zynischen Machtmenschen. Er schreckt vor nichts zurück, wägt aber immer ab. Und Katharina Quast als Gertrude: Sie steckt im steten Zwiespalt zwischen Staatsraison und familiärer Bindung, wobei sie diesen durch äußere Beherrschtheit kaschiert.

Polonius als subalterner Staatsrat

Einprägsam zeigt Hans Fleischmann den Polonius, als subalternen Staatsrat im braven Staubmantel und schwarzer Aktentasche. Klasse die Fechtszene zwischen Hamlet und Laertes (Jonah Moritz Quast), die Thomas Ziesch einstudiert hat; subtil die Begegnung mit Ophelia, der Esra Schreier die Züge eines leicht verwirrten Mädchens auf der Suche nach dem Selbst gibt, am Ende cool als Kriegsgewinnler Fortinbras im Business-Anzug. In weiteren Rollen dürfen sich André Kuntze, Daniel Friedl. Andreas Seifert und Steffen Scheumann profilieren. Ein Sonderlob gilt dem Horatio, denn Simon Mazouri spielt zudem auch das befeuernde, wuchtige Schlagzeug mit eigens komponierter Bühnenmusik.

Am Ende sind natürlich, wie es Euch gefällt, (fast) alle tot, aber das erfreute Publikum empfindet keinen Schmerz, weil es einer kurzweiligen und gelegentlich amüsanten Premiere beigewohnt hat.

„Hamlet“: 20., und 22. Juni, 1. und 8. Juli; Karten unter: 06221/5820000

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