Jazz

Thomas Siffling: „Singen hat mich zu einem besseren Musiker gemacht“

Der Mannheimer Jazz-Trompeter Thomas Siffling spricht im Interview mit dieser Redaktion über seine neue CD „Gentlemen’s Choice“, auf der er auch als Sänger zu hören ist. Erfolgsproduzent Toni Berardi hat sie als Smooth-Jazz-Platte konzipiert

Von 
Georg Spindler
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Bezeichnet sein neues Album „Gentlemen’s Choice“ als seine bisher ehrlichste Platte: Thomas Siffling. © Manfred Rinderspacher

Mannheim. Der Mannheimer Jazztrompeter Thomas Siffling geht neue Wege: Auf seinem aktuellen Album „Gentlemen’s Choice“ stellt er sich als Sänger vor. Unter der Ägide von Produzent Toni Berardi (Santiano) setzt er auf flauschigen Smooth Jazz. Darüber spricht er im Interview mit dieser Redaktion.

Herr Siffling, Ihr neues Album wirkt so entspannt wie ein Urlaub in einem Wellness-Hotel. Wollten Sie mit derart gefälligem Jazz und poppigen Gesangsstücken gezielt ein größeres Publikum erreichen?

Thomas Siffling: Es war nicht die Intention, ein noch größeres Publikum anzusprechen. Ich bin ja seit Jahren auf dem Weg, einen eher umgänglichen, kommerzielleren Jazz zu machen. Die Idee einer Gesangsplatte hatte ich schon sehr lange. Nur der Mut, es zu versuchen, war nie da. Ich bin meinem Produzenten Toni Berardi sehr dankbar, der das forciert hat. Er hat es in die Hand genommen, mich zu führen und mir als Sänger Mut zuzusprechen. Er hat die Platte auch als groovig relaxtes Smooth-Jazz-Album konzipiert, viele Stücke und alle Texte geschrieben. Ich habe gemerkt, dass Singen das Emotionalste ist, was du machen kannst, Gesang ist das ehrlichste Instrument, das du hast. Du kannst dich da nicht hinter einer Trompete verstecken, sondern stehst quasi nackt vor den Leuten und lässt sie in deine Seele schauen. Nächtelang habe ich darüber gegrübelt, ob das der richtige Weg ist. Denn natürlich habe ich als Sänger noch nicht das Niveau, das ich als Trompeter habe. Logischerweise. Aber ich habe gemerkt, dass ich daran total viel Spaß habe.

Erfolgreicher Jazzer: Thomas Siffling

  • Thomas Siffling, geboren 1972, ist einer der gefragtesten Jazztrompeter Deutschlands. Bundesweit geschätzt wird er aufgrund der Präzision und Brillanz seines Spiels. Als Leiter des international renommierten Mannheimer Jazzclubs Ella & Louis hat er zudem eine weitere Erfolgsgeschichte geschrieben.
  • „Gentlemen’s Choice“ (erschienen auf Sifflings Label Jazznarts) ist Sifflings erste Platte seit sechs Jahren. Darauf präsentiert er sich erstmals als Sänger und spielt ausschließlich Flügelhorn. Zu seiner neuen Band gehören Werner Acker (Gitarre), David Heiner (Keyboards), Dirk Blümlein (E-Bass) und Julian Losigkeit (Schlagzeug). Produzent ist Toni Berardi, bekannt durch Santiano, Ben Zucker, Culture Beat. Er hat die CD als kommerzielle Smooth-Jazz-Platte konzipiert.
  • Live vorgestellt wird das Album beim MA Jazz Festival am Donnerstag, 30. Mai, 20 Uhr, bei einem Doppelkonzert mit Nicole Johänntgens Band Henry im Mannheimer Jazzclub Ella & Louis. 

 

Hat sich Ihr Musikverständnis durch die Beschäftigung mit dem Gesang verändert?

Siffling: Dass ich mich mit dem Thema Gesang auseinandersetze, hat mich zu einem besseren Musiker gemacht. Bei meiner letzten Tour habe ich sehr viele Komplimente bekommen, wie sich mein Trompetenspiel verbessert hat. Ich habe zum Beispiel gelernt, dass jede Tonart anders wirkt. E-Dur klingt anders als Es-Dur, das hat eine immense Wirkung. Das ist mir früher nie so klar gewesen. Durch den Gesang hat sich mein musikalisches Bewusstsein generell extrem geändert. Bei einem Instrumentalisten geht es um Phrasierung und um Sound. Das ist das Allerwichtigste. Sobald du aber einen Song hast, geht es um die Vermittlung des Textes. Es kam oft im Studio vor, dass Toni zu mir gesagt hat: „Das war gut gesungen, Thomas, aber ich glaube es dir nicht. Ich kauf’ dir die Message nicht ab.“ Das Thema Authentizität ist daher für mich sehr wichtig geworden.

„Gentlemen’s Choice“ von Thomas Siffling auf Jazz’n’Arts erscheint am 25. Mai als CD im Handel und auf allen üblichen Streaming-Portalen. © Verlag

Finden Sie, dass „Gentlemen’s Choice“ Ihre Persönlichkeit - die ich mit Begriffen wie Eloquenz, Eleganz, Smartness, Optimismus umschreiben würde - bislang am besten widerspiegelt?

Siffling: Auf jeden Fall. Das würde ich unterschreiben. Ich glaube, dass es bis jetzt die ehrlichste Platte von mir ist. Das Album, auf dem ich statt Trompete durchweg das weicher klingende Flügelhorn spiele, ist auch so konzipiert, dass es Leute ansprechen soll, die gerne mal ein gutes Glas Whiskey trinken, eine gute Zigarre rauchen, ein schönes Auto fahren. Alles das, wofür ich ja auch stehe und für das ich eine Leidenschaft habe.

Haben Sie extra Gesangsunterricht genommen?

Siffling: Nee. Ich hab nur mal ab und zu eine Stunde genommen. Das ist perspektivisch etwas, wo ich dran arbeiten muss. Ich wollte das Projekt aber relativ jungfräulich oder naiv, oder wie man es sonst nennen will, angehen.

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Wie kam der Kontakt zu Toni Berardi zustande?

Siffling: Per Zufall. Toni, der auch schon für Culture Beat geschrieben hat, habe ich bei einer Jury- Sitzung kennengelernt und wir haben uns gleich gut verstanden. Den Wunsch, mit einem Produzenten zusammenzuarbeiten, gab es schon ganz lange. Weil ich gut finde, wenn jemand von außen auf dich guckt. Toni hat oft zu mir gesagt: „Braucht das jetzt die Musik oder braucht das dein Ego?“ Das fand ich schon spannend: Da ist jemand, der nicht aus dieser Jazz-Blase kommt, sondern ein Erfolgsproduzent und -autor ist, der viel mehr Leute erreicht als ich. Der betont halt nicht dieses jazztypische Muskeln spielen lassen, sondern er setzt auf Understatement. Und es ist manchmal echt schwieriger, Sachen weg zu lassen als die ganze Zeit seine Bebop-Licks abzudrücken.

Aber steht Ihre Musik nicht doch auch in der Jazztradition? Früher hatten Größen wie Lester Young oft nur zwei, drei Chorusse, um ihre musikalischen Aussagen zu machen. War das für Sie nicht eine besondere Herausforderung?

Siffling: Die Verknappung ist auf jeden Fall ein Reiz. Ich finde es charmant, mich eher etwas kurz zu halten. Es geht ja immer auch darum: Für wen machst du die Musik? Wenn ich zwanzig Chorusse spiele, muss ich mir nach dem dritten Chorus sagen, dass ich das nur für mich mache.

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Finden Sie das wirklich?

Siffling: Die Leute, die zehn Chorusse von dem, was ich mache, wirklich nachvollziehen können, das ist nur ein ganz kleiner Teil des Publikums, das sind die Hardcore-Jazzfans. Die meisten sind aber mit zwei oder drei Chorussen glücklich. Durch sechs Jahre Ella & Louis habe ich ein Gefühl dafür bekommen, wie das Publikum tickt. Meine größte Erkenntnis ist, dass man sich von dem Gedanken verabschieden muss, dass das Publikum versteht, was du machst. Das sind nur ganz wenige. Die meisten reagieren auf Authentizität, Emotionen, Präsentation. Die wollen nicht zehn Chorusse Thomas Siffling haben, die wollen ein abwechslungsreiches Programm, sie wollen unterhalten werden und sie wollen sagen: Das hat mich berührt. Darum geht es doch eigentlich.

Redaktion

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