Die Szene sagt viel aus über den Stellenwert von The Intersphere: Gerade hat man den fulminanten Auftritt der Mannheimer Alternative-Prog-Band im Vorprogramm der britischen Kultrocker Royal Blood Mitte Juni 2023 erlebt und ist mit Sänger Christoph Hessler sowie Drummer Moritz Müller auf dem Weg zu einem Hintergrundgespräch im Backstage-Bereich - da wird er von extrem herzlichen Fans aus Italien angehalten. Die überschütten den Frontmann und Produzenten mit Lobeshymnen. Und das sind nicht nur schöne Worte: Nur wegen des kurzen Auftritts sind sie rund 600 Kilometer gefahren.
So etwas erleben nicht viele in Mannheim angesiedelte Bands. Hessler kennt derlei Resonanz: „Es gibt in vielen Ländern Leute, die unsere Musik so abfeiern wie diese Jungs.“ Aber das sind Genrekenner, und „in der Summe sind es einfach zu wenig, dass man große internationale Tourneen fahren könnte. Für uns bedeutet es einen großen Schritt, mit so einer Band wie Royal Blood eine Europatour zu spielen.“
Da könne seine Band im Vorprogramm jeden Abend 30, 40 Minuten Vollgas geben. Das glaubt dem Aschaffenburger jeder aufs Wort, der The Intersphere live gesehen hat: Wie energetisch und virtuos Konzerte des 2005 als Hesslers an der Popakademie gegründeten Quartetts ausfallen, kann man am 25. Januar beim Heimspiel in der Alten Feuerwache hören.
Ausverkaufte erste Tournee von The Interspere
Hessler ist ein nachdenklicher Mensch, reflektiert wie seine hörenswerten Texte - wie sie auch auf dem aktuellen Album „Wanderer“ zu hören sind. Und so stark rückgekoppelt an die gesellschaftliche Realität wie seine Inhalte mit dem von Album zu Album vielfältigeren Sound der Band. Das alles sorgt für verlässliche Zugkraft als Live-Act auf ordentlichem Niveau. Und das in einer Zeit, in der ein Großteil des Publikums vermeintlich auf Nummer sicher geht und sein Geld vorzugsweise in superteure Tickets für Superstars investiert. „Also das haben wir bei der Release-Tour zum Album nicht wirklich gemerkt. Die fünf Shows, waren am Ende alle ausverkauft. Bei uns heißt das zwischen 300 und 500 Leuten.“

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Zweifel am Kapitalismus
Ihre neuen Songs sind auf Spotify überwiegend sechsstellig gefragt. Das sechste Studioalbum hat mit Platz 27 die zweitbeste Charts-Notierung der Bandgeschichte eingefahren. Für den Intersphere-Songwriter hat der Album- und Songtitel „Wanderer“ zwei Bedeutungen: „Einmal befinden wir uns momentan gesellschaftlich auf einem Weg, auf dem ganz viele Entscheidungen getroffen werden müssen: Welche Tür nimmt man jetzt?“ Sei es beim Thema Klimawandel oder gesellschaftspolitische Fragen, auch nach Wirtschaftssystemen. „Man kann hinterfragen, ob der Kapitalismus mittlerweile solche Auswüchse hat, dass der Scheitelpunkt längst überschritten ist und er sich ins Negative umkehrt. Ist das für den Menschen noch erträglich?“
Der Themenkomplex um Entscheidungen, neue Wege und Veränderung schwebe über dem ganzen Album: „Das Bild, das man zuerst damit assoziiert: Der Typ mit dem Rucksack, der gerade losgezogen ist, und dann auch diese Weite. Man weiß nicht genau, wo man hingeht. Aber man hat ganz viele Optionen.“
Von der Popakademie aufs internationale Rock-Parkett
- Sänger Christoph Hessler gehörte wie Star-Schlagzeuger Moritz Müller 2003 zum Gründungsjahrgang der Popakademie.
- 2005 gründeten sie mit ihren Kommilitonen Thomas Zipner (Gitarre) und Sebastian Wagner (Bass) die nach dem Leadsänger benannte Band Hesslers. 2006 produzierten sie die erste CD „smallOnes brainpain“. 2015 übernimmt Daniel Weber den Bass.
- Seit 2009 nennt sich das Quartett The Intersphere, um den Bandcharakter stärker zu betonen. Das Debüt erschien noch einmal als „s.o.b.p.“.
- Es folgte 2010 das Album „Interspheres"
- 2014 gelang mit „Relations In The Unseen“ auf Platz 26 die höchste Charts-Platzierung. 2018 folgte „The Grand Delusion“.
- Zuletzt veröffentlichten The Intersphere 2023 „Wanderer“ und erreichten damit Platz 27 der Charts.
- The Intersphere: Donnerstag, 25. Januar, Alten Feuerwache Mannheim. Vorprogramm 20 Uhr: Blanket. Abendkasse: 32 Euro.
Dann gibt es eine persönliche Ebene des zehn Songs und knapp 38 Minuten langen Werks: „Es geht auch um unsere Entwicklung in den letzten Jahren. Wir kennen uns schon fast 20 Jahre, haben uns 2003 hier an der Popakademie kennengelernt und auf die Reise begeben. Mit jeder Menge Höhen und Tiefen.“ Es habe sich auch extrem viel verändert. Mittlerweile hätten alle Familien, Kinder, es gebe neue Verantwortung und viele Entscheidungen. Auch, was das Musikmachen und die Band angehe.
„Wir haben festgestellt“, erklärt der 44-Jährige, „dass wir immer länger brauchen, um Entscheidungen zu treffen. Deshalb wurden die Abstände auch immer länger zwischen den einzelnen Alben. Weil man sich die Zeit rausschneiden muss, die wir gemeinsam im Proberaum oder auf Tour verbringen.“
Trotzdem und obwohl die Band längst sehr eingeschworen sei, öffneten sich auch immer wieder neue Türen. Da ging es zuletzt darum, Einflüsse aus anderen Genres zuzulassen. „Wanderer“ hat mehr elektronische Elemente und klingt stilistisch aufgeschlossener als die Vorgänger. Auch das erklärt sich durch die Situation in der Pandemie: „Wir konnten uns damals nicht treffen. Ich hatte viel Zeit alleine in meinem Studio.“ So habe er viele Demos aufgenommen, in allen möglichen Richtungen. „Es sind Songs dabei, die am Anfang komplett programmiert waren. Ich habe teilweise Moritz’ Schlagzeug gesampelt, dann wieder Beats von ihm zerschnitten und die Riffs und Melodien drauf geschrieben.“ Es gebe auch „so ein paar Pop-Ausflüge mit Synthie-Sachen, verfremdenden Effekten, Vocoder- und Vokalschnipseln. Es gab diverse Experimente.“
The Intersphere reisen in klangliches Neuland
Vieles passte nicht ins bisherige Klangbild: „Ich habe den Jungs Sachen geschickt, die teilweise sehr weit draußen waren. Aber immer mit der Bitte, dass man nicht gleich absägt und sagt: ,Das ist doch nichts für uns.’“ Der Geist sollte sein: „Okay, lass es uns mal probieren, wie wir das als Band umsetzen können. Dass man zum Beispiel versucht, eine Synthesizer-Linie mit einer krassen Octave-Fuzz-Gitarre zu spielen. Da haben wir extrem viel Zeit investiert.“
So habe die Band Neuland betreten und nicht so wie bei den alten Platten gesagt: Wir gehen ins Studio, machen einen Soundcheck und dann ballern wir zwölf Nummern ein, die alle den gleichen Sound haben. Diesmal wollten wir jedem Song seinen eigenen Sound verpassen.“
Nicht alles „total fremdartig“
Allerdings gelten Progrock-Fans als eher traditionalistisch. Aber „Wanderer“ ist im Kern doch eine typische Intersphere-Rockplatte - keine totale Zäsur wie „Achtung, Baby“ oder „Zooropa“ von U2. „Es ist nicht so, dass auf einmal alles total fremdartig klingt, oder?“, fragt Hessler - und bekommt Recht. Zu Recht legt er nach: „Die Trademarks, die uns ausmachen, sind auf jeden Fall da, und es hat live bisher gut funktioniert. Wir haben auf der ersten Tour das komplette Album gespielt mit ein paar alten Songs. Das wurde von den Leuten super angenommen, obwohl sie eigentlich fast nichts kannten.“
Das und das nochmalige Anhören von „Wanderer“ machen Appetit auf die neuerliche Live-Umsetzung beim Heimspiel in Mannheim.
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