Comedy-Kritik - Meisterin der Schizophrenie

Tahnee glänzt im Mannheimer Capitol mit "Vulvarine"

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Comedy-Star Tahnee kommt aus dem ersten deutschen Corona-Hot-Spot Heinsberg, hat sich aber vor allem ansteckenden Humor bewahrt. © Guido Schroeder

Mannheim. Neben Hazel Brugger ist Tahnee die spannendste Comedienne ihrer Generation. Warum, das zeigt die angehende 30-Jährige am Dienstagabend im ausverkauften Mannheimer Capitol. Da sind zuerst die handwerklichen Qualitäten der Ex-„Nightwash“-Moderatorin: Sie imitiert und parodiert auf dem Niveau des hochgelobten Max Giermann - als hätte sie eine ausgewachsene Schizophrenie. Ihre Heidi Klum klingt so schrill, dass es fast die Trommelfelle des altersmäßig erstaunlich durchmischten Publikums perforiert. Als Lisa Eckhart trifft sie den Sound und den abgründigen Humor so genau, als wäre das Original vom Auftritt am Abend davor sitzengeblieben.

Umwerfend als Huhn

Am umwerfendsten ist die gelernte Tänzerin, wenn sie dazu ihre artistischen Fähigkeiten einsetzt - oder mal kurz in die Persönlichkeit eines Huhns oder einer Schimpansin springt. Das ist im wahrsten Wortsinn urkomisch. Genau wie ihre Familien- und Alltags-Comedy - mal im authentischen Rheinisch auf Kebekus-Level, mal mit lässigem Blick auf ihre interkulturelle lesbische Beziehung. Damit könnte sie gar nicht besser in die Zeit passen, aber der Einsatz von queerer Multikulti-Thematik wirkt nicht kalkuliert, sondern ganz natürlich. Ein Glücksfall.

Der Titel ihres Programms „Vulvarine“ ist dann auch auf ziemlich moderne Art feministisch. Er kreuzt Vulva, das vornehme Wort für das primäre weibliche Geschlechtsorgan, mit Wolverine, dem aggressiven Marvel-X-Man - so kann Empowerement (Ermächtigung von Frauen) auch gehen. Die kleinen gesellschaftspolitischen Lehrstücke im Fach Feminismus für Anfänger, über falsche Vorbilder auf Instagram oder unnötige Schönheits-OPs bringt das herausragende Mitglied des „Binge Reloaded“-Ensembles so rüber, dass es wirklich jede(r) versteht. Zumal der Großteil der knapp 90 Minuten aus unterhaltsamem Quatsch besteht, der permanent Lacher erntet..

Ohne Pandemie könnte die Heinsbergerin (ja, auch zum Corona-Hot-Spot Nummer eins hat sie eine schöne Nummer) vermutlich schon über Arena-Tourneen nachdenken. Dafür müssten die „Opfer“ ihrer Imitationen auf Dauer aber wohl mehr Breitenwirkung haben als „Frauentausch“-Opfer „Nadine The Brain“ oder Spongebob.

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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