Heimkino - Kunst und Wahnsinn

SWR zeigt Doku zu 100 Jahre Sammlung Prinzhorn Heidelberg

Von 
Christel Heybrock
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Selbstporträt von Josef Forster. © Sammlung Prinzhorn, Universitätsklinikum HD

Vor hundert Jahren erschien ein epochales Werk, das die moderne Kunstgeschichte mit prägte: Hans Prinzhorns „Bildnerei der Geisteskranken“. SWR-Filmemacher Eberhard Reuß stellt in einer halbstündigen Dokumentation vor, wie die Publikation zustande kam und was bis heute daraus wurde: ein veritables Museum in Heidelberg mit einem Bestand von mehr als 40 000 Arbeiten von künstlerisch tätigen Psychiatrie-Patienten. Der Arzt Prinzhorn (1887-1933) hatte 1918 nach einem landesweiten Aufruf rund 5000 Kunstwerke gesammelt und wollte sie schon damals in einem Museum erhalten wissen. Das Projekt zerschlug sich, und Prinzhorn verließ Heidelberg im Zorn.

Kreativität als Ventil

Auch als die Sammlung nach 1945 wieder entdeckt wurde, dauerte es Jahrzehnte, bis 2001 als Teil der Psychiatrischen Universitätsklinik Heidelberg in der Voßstraße 2 ein alter Hörsaal eingerichtet werden konnte. Auch die Psychiatrie selbst hat sich verändert – die Schrecken von einst mit Zwangsjacken und Elektroschocks sind einer freundlicheren Auffassung gewichen. Reuß zeigt, wie heutzutage mit Maltherapie und sogar einem professionellen Theaterprojekt Psychiatriepatienten zu sich selbst finden können. Im Vergleich zu den Schrecken von damals (vor allem in der Nazizeit, als den Menschen Euthanasie und Zwangssterilisation drohten) hat der Drang zu künstlerischem Ausdruck nicht nachgelassen. Es seien zwar, so der Film, nur ein Prozent von klinischen Insassen kreativ, aber für die ist künstlerisches Schaffen immer noch ein Ventil, und die Ergebnisse stoßen auch bei Gesunden zunehmend auf Interesse und Verständnis. Es kommen neue Ausdrucksweisen mit Selfies, Videos und Facebook-Posts hinzu. Die Sammlung Prinzhorn heute: eine rege Ausstellungstätigkeit, bei der andere Institutionen mitmachen, etwa das Haus am Wehrsteg, wo als Riesen-Comic der historische „Bischoffstanz“ eines Patienten an der Fassade prangt.

Freie Autorin MM Kulturredaktion 1974-2001, Fachgebiet Bildende Kunst

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