Klassik

So trauert die Staatsphilharmonie um Königin Elizabeth

Die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz und der Cellist Daniel Müller-Schott werden bei ihrem Auftaktkonzert in die neue Saison im Pfalzbau gefeiert - und spielen ein Werk für die verstorbene englische Königin

Von 
Alfred Huber
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Gegen Antonin Dvoráks voluminösen Tutti-Klang hat es das Cello nicht immer leicht. Häufig überlagert er trotz geschickter Instrumentierung, was das h-Moll-Konzert alles an wunderbaren lyrischen Einfällen bietet. Doch solche Bedenken erwiesen sich im Konzertsaal des Ludwigshafener Pfalzbaus als unbegründet. Denn die fabelhaft musizierenden Mitglieder der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz konnten solche Überlagerungen meistens vermeiden, obwohl ihr Dirigent Michael Francis die orchestralen Ausbrüche, zumal bei den Blechbläsern, manchmal ausgiebig triumphieren ließ.

Jedenfalls blieben Daniel Müller-Schott genügend Interpretations-räume, um den Reichtum seiner weitgespannten Ausdruckspalette zwischen berührender Empfindsamkeit und energiegeladener Intensität tiefsinnig auszudeuten. Intimer, traumverlorener, aber auch bodenständiger im kräftig rhapsodischen Zugriff böhmischer Musizierlust kann man das Stück kaum spielen. Der Cellist als Poet wie auch die Zugabe, „Gesang der Vögel“ von Pablo Casals verriet

Trauer zu Anfang und am Ende. Begannen Michael Francis und die Staatsphilharmonie mit einem im Programm nicht vorgesehenen Werk von Edward Elgar zum Tod Königin Elizabeths, so schließt das Konzert als düster schmerzlicher Abgesang im Adagio lamentoso der Sinfonie Nr. 6 Peter Tschaikowskys. Ohne finalen Jubel erlischt allmählich eine ungeheure Klage über die Vergeblichkeit menschlichen Lebens. Wenige Augenblicke wird etwas Endgültiges spürbar, eine existenzielle Obdachlosigkeit, die Francis verstärkt, indem er seinen Dirigierstab während der sich ausbreitenden Stille auffallend langsam sinken lässt. Zuvor hatten er und das großartig agierende Orchester die reichlich zerklüftete Seelenlandschaft Tschaikowskys in all ihrer radikalen Gegensätzlichkeit konsequent durchmessen. Immer jener aufwühlenden, dramatischen Unmittelbarkeit auf der Spur, die Takt für Takt dem vernichtenden Urteil Theodor W. Adornos widerspricht, dass Tschaikowsky selbst noch die Verzweiflung mit Schlagermelodien porträtieren würde.

Freier Autor Geboren 1941, Studium Musikheorie/Musikwissenschaft, Philosophie, Germanistik, Kunstgeschichte in Mannheim und Heidelberg Volontariat Mannheimer Morgen, Redakteur, anschließend freier Journalist und Dozent in verschiedenen Bereichen der Erwachsenenbildung. Ab 1993 stellvertretender Ressortleiter Kultur, ab 2004 bis zur Pensionierung Kultur-Ressortleiter.

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