PRO:
Von unserem Redaktionsmitglied Florian Lim
Kulturelle Hotspots sind nötig und sinnvoll – Orte, an denen sich das kulturelle Leben konzentriert, an denen sich Künstler treffen, um aneinander zu wachsen und mit dem Normalbürger ins Gespräch zu kommen. Die Hamburger Elbphilharmonie ist so ein Ort, das Humboldt-Forum in Berlin will ein solcher Ort werden. Die Münchner Pinakotheken vermissen diesen Status, sobald die Bausubstanz die hehren Ziele durchkreuzt (wie wiederholt geschehen).
Schnell haben Kritiker das Wort „Leuchtturmprojekt“ zur Hand. Aber was bitte ist schlecht daran, wenn eine Konzerthalle, ein Theater, ein Museum wie ein Leuchtturm das Land überstrahlt und entsprechend stark in die Gesellschaft hineinwirkt?
Taiwan hat am Mittwoch das weltweit größte Kulturzentrum eröffnet – mit einer überdachten Fläche von 141 000 Quadratmetern, so groß wie 20 Fußballfelder. Wer dem ambitionierten Inselstaat nun erklären will, man hätte das Geld doch lieber in die Förderung der freien Szene gesteckt, verkennt absichtlich die wahren Ziele des Vorhabens: Das ist kein Stadttheater; das umgerechnet 300 Millionen Euro teure futuristische Riesenbauwerk spielt eher in der Liga Weltraummission. Und solch größenwahnsinnige Projekte haben immer auch das Ziel, der Welt die eigene Schaffenskraft zu demonstrieren – was in der südtaiwanesischen Hafenstadt sowohl mit Blick auf die Größe als auch auf die Qualität eindrucksvoll gelingt.
Angesichts dieser ostasiatischen Leistungsschau muss uns nicht so sehr stören, dass die Taiwanesen auf europäisches Fachwissen, auf unsere Ingenieurs- und Orgelbaukunst, auf unsere Orchester zurückgreifen (die Berliner Philharmoniker spielten zur Eröffnung). Eher, dass sie sich auch noch unserer traditionellen Kultur befleißigen – mit Mahler-Sinfonien und allem. Und wer schon vorhat, das Ausland vor Neid erblassen zu lassen, der tut gut daran, dies mit Kultur zu tun. Und nicht mit der Entwicklung von Atombomben. Ziel erreicht.
KONTRA:
Von unserem Redaktionsmitglied Jörg-Peter Klotz
Ganz klar: Jeder Euro, Taiwan- oder Petrodollar, der in Kultur fließt, ist prinzipiell gut investiert. Und wenn eine demokratische Stadtgesellschaft wie Hamburg beschließt, sich trotz verzehnfachter Kosten die rund 800 Millionen Euro teure Elbphilharmonie zu gönnen, ist das auch im wahrsten Wortsinn legitim. Ähnlich verhält es sich dem Humboldt-Forum. Der Bedarf nach Kultur in der Hauptstadt ist unstillbar, das Schließen eines historischen Bogens mit dem Wiederaufbau des Berliner Schlosses macht Sinn, die 595 Millionen Euro sind gut angelegt.
Mehr Zweifel sind bei den jüngsten Mega-Projekten im Mittleren und Fernen Osten angebracht. Dass Taiwan seine zweitgrößte Metropole Kaohsiung mit dem „weltgrößten Kulturzentrum unter einem Dach“ auf die Landkarte setzen möchte, ist nachvollziehbar. Aber Gigantomanie gilt eigentlich nur in Diktaturen als positives kulturelles Kriterium, Rekordjagden interessieren letztlich nur Auktionshäuser. Schließlich geht es nicht um die Größe der Orgel, wenn Bachs Musik Herz und Hirn bildet.
Das hehre Ziel des 2017 eröffneten Louvre in Abu Dhabi, die Gemeinsamkeiten der Kulturen aufzuzeigen, kann der Welt natürlich nur guttun. Aber stimmen die Motive für diesen Bau? Über den im Emirat unter vier Augen entschieden worden sein dürfte – von Kronprinz Mohammed bin Zayed und seinem herrschenden Bruder Zayid Al Nahyan. Kultur dient hier nicht zuletzt als aufklärerisches Feigenblatt bei der Außendarstellung. Zusätzlich soll der umgerechnet 1,5 Milliarden Euro teure Louvre Touristen in die Wüste locken – quasi als Disneyland für Kunstfreunde. Und Kunst zu kaufen, ist in Scheichkreisen offenbar gerade mega-schick. Für den Louvre soll Zayed Leonardos 450-Millionen-Dollar-Gemälde „Salvator Mundi“ dem im Fall Kashoggi schwer unmstrittenen Saudi-Kronprinz Mohammed bin Salman abgehandelt haben – im Tausch gegen eine Mega-Jacht. Hauptsache mega.
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