Pfalzbau

„Silent Legacy“ wirft Blick auf die Zukunft des Tanzes

Von 
Ute Maag
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Die zehn Jahre alte Adeline Kerry Cruz in „Silent Legacy“. © Alexandre Haefeli

Die Befürchtung, da könnte ein Kind zur Schau gestellt werden, verfliegt in dem Moment, in dem Adeline Kerry Cruz anfängt zu tanzen. In Cargohosen und weißen Turnschuhen, die Kappe tief ins Gesicht gezogen, bewegt sich die Zehnjährige in einem Quadrat aus Licht über die dunkle Bühne. Ihre Gesten sind kraftvoll, die Grimassen faszinierend – unfassbar, wie viel Energie in diesem kleinen, zierlichen Körper steckt. Mit einem laut gebrüllten „Get up“ ruft sie ihren Mentor Jr Maddripp auf die Bühne. Der massige Schwarze im lila Jogginganzug legt ihr einen Umhang aus bunten Fransen um die Schultern, hebt sie wie ein kleines Vögelchen auf seine Schultern und fängt sie dort unter Lichtblitzen Weitertanzende auf, bevor sie ermattet zu Boden sinkt.

„Krump“ nennt sich der Stil, den die kindliche weiße Kanadierin sich als ihre Ausdrucksform erwählt hat – auch wenn sie nie die schmerzvolle Erfahrung von Unterdrückung machen musste, aus denen Krump Anfang des Jahrtausends in den Ghettos der afroamerikanischen Community von Los Angeles entstand.

Cruz (dem Vorwurf, kulturelle Aneignung zu betreiben, völlig unverdächtig) ist darin ebenso authentisch wie Audrey Merilus, der der zweite Teil des Stücks „Silent Legacy“ gehört. Die an der P.A.R.T.S. in Brüssel ausgebildete zeitgenössische Tänzerin setzt einen stilistischen Kontrapunkt mit akademischem Vokabular: Betörend geschmeidig bewegt sie sich zur Musik von Chloé Thévenin.

Am Ende der 45-minütigen Performance, die das Theater im Pfalzbau in deutscher Erstaufführung zeigte, deutet Choreographin Maud Le Pladec die Begegnung der beiden Stile und Tänzerinnen an und schafft ein eindrucksvolles Manifest: Akademie und Straße befruchten sich gegenseitig. Das stille Vermächtnis des Tanzes verbindet Generationen und Kulturen. 

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