Als Hollywood-Schauspieler Millionen scheffeln? Oscar-Preisträger Jared Leto hat sich vorerst dagegen entschieden. Seine Band 30 Seconds To Mars, die er vor 20 Jahren mit seinem Bruder Shannon gründete, ist ihm zu wichtig. Deshalb gibt es mit „America“ nun das fünfte Album der US-Rocker und mit „The Monolith“ eine bombastische Tour. Beim Treffen, das gerade mal sieben Minuten dauert, erzählt der durch eine Erkältung angeschlagene Jared Leto in der Kellerbar des Berliner Soho-House von seinem beruflichen Spagat, der Zusammenarbeit mit Künstler Ai Weiwei und seinem langen Bart.
Mr. Leto, fünf Jahre sind seit der letzten Platte von 30 Seconds To Mars vergangen. Gab es bei Ihnen zwischendurch mal die Befürchtung, als Musiker vergessen worden zu sein?
Jared Leto: Nein, nie. Ich glaube daran, dass man auch mal eine Zeit lang weg sein muss, damit die Leute einen vermissen. Das gilt übrigens auch für die Schauspielerei, von der ich mich jetzt wieder eine gewisse Zeit verabschiede. Damals die Entscheidung getroffen zu haben, mich voll uns ganz auf die Musik zu konzentrieren, war die beste meines Lebens! Und die Menschen haben uns offensichtlich nicht vergessen: Die Tickets für unsere Tour verkaufen sich bestens.
Zwischenzeitlich haben Sie einen Oscar als bester Nebendarsteller für Ihre Rolle in „Dallas Buyers Club“ erhalten. Fühlen Sie sich gleichermaßen akzeptiert in der Schauspiel- und Musikwelt?
Leto: Das tue ich. Sich akzeptiert zu fühlen, hat lange genug gedauert – besonders in der Musik. 30 Seconds To Mars gibt es schon fast 20 Jahre. Auf der Reise habe ich so viel gelernt. Allein das lässt mich gut fühlen.
Ihr fünftes Album heißt „America“. Meinen Sie damit das Amerika der Ära Trump?
Leto: Trump ist definitiv Teil der Platte und irgendwo darin enthalten. Vermutlich ist der Einfluss seiner Person in der Single „Walk On Water“ am Größten. Aber für mich geht es um das Konzept und die Idee von Amerika, nicht darum, wie ein Patriot die Flagge hochzuhalten. Politik ist zwar auch Teil davon. Aber in erster Linie ist es ein sehr gesellschaftlich inspiriertes Album. Es handelt von Liebe, Träumen und Hoffnungen.
Warum dann der Titel?
Leto: Mir gefällt die Interpretierbarkeit. Es ist doch so: Ich könnte zehn verschiedene Leute fragen, was ihnen zu „America“ einfällt, und würde zehn verschiedene Antworten bekommen. Manche würden sagen, „America“ sei patriotisch. Andere würden es als provokativ bezeichnen. Wieder andere als wunderschön. Und es wird auch Leute geben, die das für den schlimmsten Titel halten, den sie je gehört haben.
Dass Sie in den USA im Beisein des chinesischen Künstlers Ai Weiwei seinen Flüchtlings-Film „Human Flow“ präsentiert haben, war sicherlich kein Zufall, oder?
Leto: Nein, das ist schon ein Thema, das mich beschäftigt. 30 Seconds To Mars haben zu dem Film eine begleitende Dokumentation gemacht, die im Juli herauskommen soll. Sie heißt „A Day In The Life Of America“. Wir haben dafür einen Tag lang in sämtlichen US-Bundesstaaten, sowie im Columbia-Destrict und Puerto Rico gefilmt. Es kamen bestimmte Themen auf, die es wichtig machten, solch ein Porträt von Amerika jetzt zu fertigen. Es ist eine sehr wichtige Zeit für Amerika und dafür, die Geschichte zu erzählen, wer wir wirklich sind. Unser neues Album ist der Soundtrack zu dieser Dokumentation.
Das Stück „Love Is Madness“ singen Sie im Duett mit der US-amerikanischen Popsängerin Halsey. Wie kommt’s?
Leto: Wir haben uns diesmal einige Gäste ins Studio eingeladen – davon haben wir früher immer abgesehen. Für das Duett war Halsey meine erste Wahl. Sie hat eine wunderbare Stimme, ist so ein phänomenales Talent. Sie klingt einfach fantastisch auf dem Song.
Auch der Kaiserslauterer Produzent Zedd hat im Studio geholfen.
Leto: Die größte Herausforderung war, die Platte zu Ende zu bringen. Zedd half in dieser entscheidenden Phase. Er hat sich übrigens beschwert, dass ihn in Deutschland trotz Grammy-Gewinn kaum einer kennt. Vielleicht ändert sich das ja mit dieser Platte.
Was ist mit Ihrem Bart, der Sie aussehen lässt wie Jesus? In einer amerikanischen TV-Show versprachen Sie, ihn abzurasieren.
Leto: So läuft man halt rum, wenn man eine Zeit lang arbeitslos war! (lacht) Von ein paar Zentimetern Gesichtswolle habe ich mich aber bereits getrennt. Im Laufe der Tour wird der Bart ganz abkommen – versprochen!
Musiker und Schauspieler
- Jared Leto (Bild) 1971 in Louisiana (USA) geboren, schaffte seinen schauspielerischen Durchbruch mit der Fernsehserie „My So-Called Life“ („Willkommen im Leben“).
- Später spielte er in Filmen wie „Fight Club“ oder „American Psycho“ mit.
- Er macht seit mehr als 20 Jahren Alternative-Rock. Das neue Album seiner Band 30 Seconds To Mars „America“ erscheint morgen bei Universal. Es soll nach Aussage von Frontsänger Leto Hip-Hop- und Klassik-Einflüsse vereinen. lim (Bild: Nabil)
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