Mannheim. Sie gehören hierzulande auch bei Jazzfreunden noch nicht wirklich zu jenen, deren Musik man nicht mehr erklären muss. Das dürfte sich allerdings rasch ändern, denn was die beiden Brüder an musikalischer Energie erzeugen, ist schlicht spektakulär. In Mannheims Alte Feuerwache treten die Kubaner Harold an den Tasten und Ruy Adrian López-Nussa am Schlagzeug vor ein noch überschaubares Publikum und verwandeln sofort Neugier in staunende Begeisterung.
Talent liegt in der Familie
In atemberaubender Präzision auch in den rhythmisch schwierigsten Prestissimo-Passagen klingt ihr Zusammenspiel manchmal, als wären sie eine Person mit vielen Händen. Kein echtes Wunder, sind Mutter und Vater doch ebenfalls Pianistin und Schlagzeuger. Und auch Onkel und Pianist Ernán ist in Kuba kein Unbekannter.
Jetzt könnte man erwarten, dass es bei diesem Quartett hauptsächlich um die beiden López-Nussa Brüder im Hauptgespann mit zwei weiteren Nebenspielern als Zuarbeiter ginge. Doch weit gefehlt.
Meister im Zusammenspiel
Harold bezeichnet ihn als „Bruder“, von dem er gar nicht wüsste, warum er mit ihnen zusammenspielt, weist seine musikalische Vita doch die Zusammenarbeit mit so illustren Namen wie Marcus Miller, David Sanborn, Pat Matheny oder Herbie Hancock auf. Doch mit dem Schweizer Mundharmonikaspieler Grégoire Maret hat das Quartett einen wahren Meister im Quartett.
Mit ausgedehnten Improvisationen, die im Aufbau nicht nur absolut spannend, sondern geradezu akrobatisch gespielt sind, erweist sich der Genfer Musiker seinerseits als Sensation. In einer Kollektivimprovisation von Mundharmonika mit Schlagzeug beispielsweise entwickeln beide eine Intensität, die sich bei ihren Zuhörern in laute Jubelrufe übersetzt.
Vom Kontrabass, gespielt von Luques Curtis, erwartet man bei derart dicht gespielter Musik eher eine Hintergrund-Begleitung. Obwohl der Berklee-Absolvent diese Unterstützungsrolle zuverlässig spielt, beweist auch er mit zwei längeren Improvisationen und einer ausgedehnten Einleitung zu „Tierra Mia“ seine musikalische Klasse.
Stile mischen sich
Eigentlich beschränken sich die rhythmisch-stilistischen Assoziationen mit kubanischer Musik im Wesentlichen auf Rumba, Mambo, Son, Cha-Cha und Salsa.
Das López-Nussa-Quartett aber hält sich nicht an die Reinform dieser Traditionstänze. In ihrem Programm „Timba a la Americana“ vermischen sie nicht nur die unterschiedlichen Stile, sondern erweitern ihre Musik auch um lateinamerikanische Versionen von Beethovens „Para Elisa“, „Funky“ oder seit Harolds Umzug nach Frankreich auch um typisch französisch klingende Melodien.
Nachdem ihr Konzert am 1. Mai ausgefallen war, um jetzt nachgeholt zu werden, hofft Harold López-Nussa, dass die nicht ihr letztes Konzert hierzulande ist. Nach einem derart furiosen Einstand kann man diese Hoffnung auch von Zuhörerseite nur teilen. Herausragend.
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