Literatur

Neues Buch von Heinz Strunk: Die Banalität der Blödelei

Im Buch „Kein Geld, kein Glück und kein Sprit“ sammelt ein gut gelaunter Heinz Strunk absurde Geschichten über ewige Verlierer.

Von 
Frank Dietschreit
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Lässt in seinem neuen Werk all seine Figuren scheitern: Autor Heinz Strunk. © picture alliance/dpa

Reno Krebs war wirklich eine ganz arme Sau. Egal, was er machte oder sagte, es war immer irgendwie verkehrt. Die Schule brach er ab, die Ausbildung schmiss er hin und hangelte sich von einem Job zum anderen. Mit 50 Jahren lief er betrunken über die Straße und wurde von einem LKW erfasst. Niemand hat je um den Mann, der „geboren wurde, um verarscht zu werden“, der keine Frau und keine Ersparnisse, „kein Geld, kein Glück und kein Sprit“ hatte, eine Träne vergossen. Sein älterer Bruder, „der überhaupt erst mit der ganzen Verarsche angefangen hatte“, gab einen Grabstein in Auftrag mit der Inschrift: „Er stand sein Leben lang in den Startlöchern.“

Tristes Leben und einsames Sterben in 36 Geschichten

Die traurige Geschichte von Reno, dem ewigen Verlierer, der klaglos sein Schicksal ertrug und von dieser Erde verschwand, ohne irgendetwas bewegt oder bewirkt zu haben, erzählt Heinz Strunk auf der Kurzstrecke von anderthalb Seiten. Warum sollte er einem solchen Loser, nach dem kein Hahn kräht, auch mehr Platz einräumen? Es gibt doch sicherlich viel interessantere Figuren, bei denen es sich lohnt, den Modus des banalen Klischees und der verschmitzten Blödelei abzustreifen, ein bisschen tiefer zu bohren, mit literarischer Raffinesse und sprachlicher Sensibilität in ambivalente Verstrickungen vorzudringen und ungewöhnliche Erkenntnisse zutage zu fördern.

Autor Heinz Strunk

Geboren wurde Heinz Strunk (unter dem Namen Mathias Halfpape) 1962 im niedersächsischen Bevensen . Zusammen mit Jacques Palminger und Rocko Schamoni bildet er das humoristische Künstler-Trio „Studio Braun“.

Seit seinem ersten Roman („Fleisch ist mein Gemüse“, 2004) hat er 14 weitere Bücher veröffentlicht. Sein Roman über den Serien-Mörder Fritz Honka („Der goldene Handschuh“, 2016) wurde von Fatih Akin erfolgreich verfilm t; die Verfilmung lief im Wettbewerb der Berlinale. (FD)

Doch die Hoffnung trügt: In allen 36 Geschichten, die der gut gelaunte Heinz Strunk in seinem Band „Kein Geld, kein Glück, kein Sprit“ versammelt, begegnen uns Menschen, die sich in ihrem wunschlosen Unglück zum Verwechseln ähnlich sind. Über deren tristes Leben und einsames Sterben man nur den Kopf schütteln kann. Sie leiden an ungewöhnlichen Krankheiten, hausen in schrecklichen Vorortsiedlungen, verbringen ihr Rentnerdasein in scheußlichen Urlaubsparadiesen. Sie sind übergewichtig und trinken zu viel Alkohol, stolpern ziellos durchs Leben und sind von keines Gedankens Blässe angekränkelt. Eigentlich müsste man Mitleid mit ihnen haben, sie trösten und ihnen ein Schubs geben, damit diese monströsen Menschen sich vom sterilen Beschreibungs-Kitsch befreien und ein richtiges Leben führen können. Doch Heinz Strunk kennt kein Mitleid, sondern labt sich lieber am wohlfeilen Witz absurder Überzeichnungen und grotesker Verzerrungen.

Zuletzt mit „Zauberberg 2“ auf Spurensuche nach Thomas Mann

Über die Frau, die nicht weiß, warum sie immer so aufgeregt ist, „wenn sie telefonisch einen neuen Termin“ bei ihrem Zahnarzt vereinbaren will, und mehrere Anläufe braucht, bis sie ohne zu Zittern die Nummer wählen kann, gäbe es doch bestimmt mehr zu erzählen. Aber Heinz Strunk belässt es bei knapp hingeworfenen acht Zeilen. Für Kuno dagegen, der einsame Rentner, der mit seinen Haushalts-Robotern spricht und sie dazu vergattert, den Kaspertheater-Puppenspielen ihres Herren folgsam zu applaudieren, reserviert der sich amüsierende Autor ganze zehn überflüssige Seiten. Einige Male spürt man aber doch eine tief sitzende Furcht vor dem Tod und der eigenen Vergänglichkeit, die dem Minnesänger der bizarren Blödelei das Leben vergällt.

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Dann wird die seit Monaten von einem chronischen Schluckauf geplagte Frau, die sich von der Hamburger Köhlbrandbrücke in den Tod stürzen will, zu einem richtigen Menschen aus Fleisch und Blut, zu einer Frau mit Eigenschaften, der man gern noch einige glückliche Jahre gönnen möchte. Für den armen Mann, der in seinem eigenen Grab liegt und, während die Zeit endlos vergeht und er langsam verwest, über das ewige Leben nachdenkt, ist es aber leider schon zu spät. Ihm ist nicht mehr zu helfen. Für einen blöden Witz und banalen Gedanken reicht es aber grad noch: „Immer wieder macht er sich bewusst, dass er tatsächlich tot ist. So tot wie die Luft zwischen Arsch und Unterhose, wie sein Vater zu sagen pflegt, in einem anderen Zusammenhang.“

Es soll Zeitgenossen geben, die in den fadenscheinigen Stories und kalauernden Romanen des Autors, der zuletzt auch einmal die Manege des ewigen Sprach-Clowns und vorwitzigen Anekdoten-Zampanos verließ und sich mit „Zauberberg 2“ auf Spurensuche nach Thomas Mann begab, die abgründige Melancholie eines literarischen Genies entdecken. Träumt nur weiter.

Heinz Strunk: „Kein Geld, kein Glück, kein Sprit“Rowohlt Verlag, Hamburg.192 Seiten, 23 Euro.

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