Schlager- und Chanson-Sängerin Mary Roos feiert heute ihren 70. Geburtstag. Momentan erlebt die Wahl-Hamburgerin ihren zweiten musikalischen Frühling und ist so präsent wie nie: 2018 gab es den „Live Entertainment Award“ für die Schlager-Revue „Nutten, Koks & frische Erdbeeren“, die sie zusammen mit dem Kabarettisten Wolfgang Trepper aufführte. Bei der VOX-Show „Sing meinen Song – Das Tauschkonzert“ war sie dabei. Ab 1. März ist Roos auf großer Deutschland-Tour unter dem Motto „Abenteuer Unvernunft“, die sie am 1. Juni in den Mannheimer Rosengarten führt. Beim Interview in einem Café in Hamburg erscheint sie mit ihrem Sohn Julian (32), der ihr Manager ist.
Frau Roos, es ist ziemlich verrückt, wie Ihre Karriere in den letzten Jahren neue Fahrt aufgenommen hat, oder?
Mary Roos: Es ist so unglaublich viel passiert. Wolfgang Trepper und ich haben einen Riesenerfolg mit „Nutten, Koks & frische Erdbeeren“. Wir sind jetzt schon im vierten Jahr unterwegs, 180 Vorstellungen liegen hinter uns. Das ist einfach ein Geschenk. Dabei erwarte ich nie etwas. Aber dann ist es erst recht schön, wenn es passiert.
Glauben Sie an Schicksal?
Roos: Wenn ich die letzten Jahre so betrachte, muss ich daran glauben. Aber ich glaube nicht, dass man etwas durch Ehrgeiz erreicht. Ich glaube, dass man irgendwann am Ende des Lebens auch Geschenke bekommt, wenn man wissentlich niemandem wehgetan, sich anständig verhalten und nicht immer gleich die Ellbogen ausgefahren hat. Ich hatte immer eher die Einstellung: Das wird schon.
Waren Sie immer so drauf?
Roos: Ja. Das habe ich von meiner Mutter. Immer, wenn etwas schief gelaufen ist, hat sie gesagt: „Ach, wer weiß, wozu es gut ist.“ Das ist so ein guter Satz. Ich habe mich nie lange gegrämt. Ich mache mir auch kein Programm für mein Leben. Ich rede nicht von früher, wenn ich nicht muss, und auch nicht von morgen. Ich spreche immer über den Jetzt-Zustand.
Gab es auch Schattenjahre?
Roos: Die hatte ich eigentlich nicht. Ich nahm das Leben einfach so, wie es kam. Wenn es nicht so gut lief, war es auch okay. Panik kenne ich nicht. Ich wusste immer, dass ich mein Geld verdienen würde. Ich hatte auch nie solche Gedanken wie „Was sagen dann die Leute, wenn ich etwas anderes mache?“ Die Meinungen anderer waren mir immer egal.
Hat der jüngste Erfolg Ihrem Leben noch mal eine Wendung gegeben?
Roos: Schon. Ich habe immer noch mehr erwartet von mir selbst. Ich dachte, dass ich noch mal andere Dinge ausprobieren könnte. Denn was ich vorher gemacht habe, ist ja vorbei. Wenn ich also weitermache, dann nur mit Dingen, die ich noch nie gemacht habe. Momentan ist das meine Solotour, die meine erste und einzige Solotour bleiben wird. Das sind 30 Abende mit Orchester, Videowand und einer Showtreppe mit fünf Stufen.
Apropos Showtreppe: Wie hoch sind Ihre Absätze?
Roos: Sehr hoch. Ich bin ja eine Kleine, ne? Das Schöne ist, dass die Leute nach der Show rausgehen, glücklich sind und sich selbst fragen: „Wenn die Frau das schafft in dem Alter, wieso kann ich das nicht?“
Sehen Sie sich also als Mutmacherin für Ihre Generation?
Roos: Ja, aber das habe ich nicht geplant. Ich merke es durch Reaktionen, die ich auf Facebook oder im Gespräch nach der Show beim Signieren bekomme. Mir erzählen die Leute alles: dass der Hund krank ist, dass die Oma nicht mehr so richtig laufen kann. Ich finde das schön, so viel Vertrauen zu genießen. Viele sagen dann auch: „Wir können von dir lernen, im Alter Mut und Humor zu haben.“ Denn älter zu werden ist ja nicht immer schön.
Und wenn man Erfolg hat, wahrscheinlich auch.
Roos: Dann noch mehr! Aber der ist mir ja geschenkt worden. Ich hätte nie damit gerechnet, dass das so geht. Und in dem Alter schon gar nicht, wo sonst alles so jung, schön und hip ist.
Sie haben 2018 viel mit jungen Leuten zusammengearbeitet. Sowohl für Ihr Album „Abenteuer Unvernunft“ als auch bei „Sing meinen Song – das Tauschkonzert“. Wie war das für Sie?
Roos: Durch „Nutten, Koks & frische Erdbeeren“ hatte ich schon sehr viele junge Leute dazugewonnen. Ich war trotzdem sehr aufgeregt bei „Sing meinen Song“. Ich habe gedacht: „Herrje, wenn die Armen jetzt meine Lieder aus den Siebzigern singen müssen!“ Und dann kam Mark Forster und singt „Nur die Liebe lässt uns leben“ – meinen ESC-Titel von 1972. Ich war so begeistert, wie er das gesungen hat. Mark ist mir eh ganz nah. Der ist immer so, wie er ist, der spielt nicht. Wir singen das Lied nun auch in meinem Bühnenprogramm per Videowand gemeinsam.
Welche Gefühle haben Sie, wenn Sie an Ihren 70. Geburtstag denken?
Roos: Ich habe eine Befürchtung, die hoffentlich nicht wahr wird; nämlich dass ich eine Torte kriege mit einer goldenen 70 drauf. Die würde ich sofort rausschmeißen. Das finde ich ganz furchtbar.
Wäre Ihnen eine Torte, aus der ein Stripper steigt, lieber?
Roos: Ja, das fände ich lustig.
Karriere, Mannheimer Konzert und Vorverkauf
- Die Sängerin: Mary Roos wurde 1949 als Rosemarie Böhm in Bingen geboren. 1968 erschien ihr erstes Album „Die Kleine Stadt Will Schlafen Geh’n“. Die Schlagersängerin feierte ihre größten Erfolge mit „Aufrecht Geh’n“ (1984), „Arizona Man“ (1970), „Nur Die Liebe Läßt Uns Leben“ (1972) und „Pinocchio“ (1977). Anfang 1999 kam sie mit „Leider Lieb’ Ich Dich Immer Noch“ – einer deutschen Version des Cher-Hits „Believe“ – erneut in die Top 100. Bis heute erscheinen in regelmäßigen Abständen Alben.
- Der Auftritt: Am 1. Juni (20 Uhr) tritt Roos auf der „Abenteuer Unvernunft“-Tour mit ihrer Band im Mannheimer Kongresszentrum Rosengarten auf.
- Die Karten: Tickets gibt es unter mewes-tickets.wlec.ag, eventim.de, im Kundenforum dieser Zeitung und an allen bekannten Vorverkaufsstellen. lim
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