Schauspiel

Mannheimer Schatzkistl zeigt, was bei "Dinner For One" nicht im Fernsehen zu sehen ist

Die urkomische Eigenproduktion der Kleinkunstbühne bringt alle Jahre wieder frischen Wind in den Lieblings-Sketch der Deutschen an Silvester - indem sie die fiktive Vorgeschichte erzählt

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
Lesedauer: 
Regina Steegmüller und Gunter Möckel in ihren Rollen. © Thomas Henne

Bekanntlich ist das Gleiche nicht unbedingt Dasselbe. Ein bisschen so verhält es sich mit „Dinner for One – wie alles begann“. Einerseits basiert die im Mannheimer Schatzkistl eigenproduzierte Komödie auf dem erfolgreichen (Silvester-)Sketch mit den kultigen Running Gags. Anderseits präsentiert sich die berühmte Story samt ihrem lebendigen wie toten Personal effektvoll neu. Elf Jahre nach der Uraufführung zeigt sich das Publikum im voll besetzten Kleinkunsttheater begeistert.

Schatzkistl-Impresario Peter Baltruschat hatte die Idee, den pointenreichen 90. Geburtstag von Miss Sophie – zelebriert von ihrem hochbetagten Butler James – mit einer Vorgeschichte anzureichern. Und Autor Volker Heymann war es, der den im Original etwa 18-minütigen Sketch in eine abendfüllende Komödie verwandelte.

Die „Wie alles begann“-Ouvertüre ist schnell erzählt: Ein Regisseur will den Klassiker „Dinner for One“ weniger verstaubt auf die Bühne bringen und sucht dafür ein kreatives Darsteller-Duo. Weil die ursprüngliche Star-Besetzung abgesprungen ist, und der Premiere-Termin im Nacken sitzt, muss sich der Bühnenchef – herrlich genervt von Tom Hartmann verkörpert – auf ein alterndes Mimenpaar einlassen.

Irrungen und Wirrungen

Beim Vorsprechen kämpfen Elvira (Regina Steegmüller) und Klaus (Gunter Möckel) mit Ego und Verve um die Rollen als Miss Sophie und Diener James – und damit um ihre Existenz. Es ist die fiktive Konstellation „anspruchsvoller Regisseur muss sich mit drittklassigen Mimen rumschlagen“, die wunderbar Raum für Irrungen und Wirrungen (Shakespeare lässt grüßen!) schafft und obendrein Slapstick (im ersten Akt ohne kopflastiges Tigerfell) geradezu provoziert. Und dabei läuft das reale Darsteller-Paar zu Höchstform auf. Von wegen talentfreie Zone!

Und nach der Pause ist alles wie immer. Jedenfalls fast. Denn Miss Sophie alias Elvira kann es nicht lassen, ihrem im Frack über die Bühne stolpernden Klaus kleine Gemeinheiten zwischen den englischen Textzeilen zuzuraunen. Natürlich bekommt auch sie ihr Fett ab – gewissermaßen jenes Milchfett, mit dem die Seniorin ihr Gesichts wenig erotisierend einzucremen pflegt. Und klar haben an dem festlichen Tisch mit den fünf Gedecken die längst verblichenen, aber von Butler James quicklebendig imitierten Freunde Mr. Winterbottom, Mr. Pommeroy, Admiral von Schneider und Sir Toby Platz genommen.

Ihrer Trinkfreude vermochte Gevatter Tod nichts anzuhaben – was den klapprigen James ganz schön ins Schwanken bringt. Auch wenn die Frage offen bleibt, ob der Admiral nun „Schneider“ oder „Sneider“ ausgesprochen wird, so ist die Botschaft des Abends glasklar: „The same procedure as every year!” Gleichwohl ist dieses Jahr etwas anders: Der Norddeutsche Rundfunk feiert seine erste TV-Ausstrahlung des Sketches vor 60 Jahren. Wer weiß, vielleicht bringt es auch die Schatzkistl-Variante auf ein Jubiläum mit spritzigem Champagner und süffigem Sherry – geradewegs wie beim 90. Geburtstag von Miss Sophie.

Freie Autorin

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke