Venedig. Der in Mannheim lebende und weit über unsere Region hinaus bekannte Künstler Dietmar Brixy stellt dieses Jahr an der Piazza San Marco aus (wir berichteten). Parallel zu der gerade laufenden 60. Auflage der Biennale in den Giardini und der Gedenkfeier zum 700. Todestag von Marco Polo im Dogenpalast könnte der Zeitpunkt nicht passender sein. Der Bezug zwischen Marco Polos Reise nach China im 13. Jahrhundert, über die er in seinen Aufzeichnungen berichtete, und den Inhalten vieler Bilder Brixys, die durch Aufenthalte in Südostasien inspiriert sind, ist durch den Ausstellungstitel „Die Beschreibung der Welt“ bewusst hergestellt.
Ausstellung
- In der Ausstellung „Die Beschreibung der Welt“ sind Ölgemälde aus den Serien „Journey“, „Reflect“ und „Happy“ zu sehen sowie andere Arbeiten aus dem aktuellen Schaffen Dietmar Brixys
- Ausstellungsdauer bis 21. September 2024
- Ort: Monumentalräume (Salone Sansoviniana) der Biblioteca Marciana, Piazza San Marco 13/a
- Die Ausstellungsräume sind über das Museo Correr im Napoleonischen Flügel des Markusplatzes zu erreichen, Piazza San Marco 52
- www.correr.visitmuve.it
Bei der Pressekonferenz vor der Ausstellungseröffnung in der Biblioteca Nazionale Marciana bedankte sich Dietmar Brixy bei Margherita Venturelli von der Bibliotheksleitung, dem Organisator Dirk Geuer und bei dessen Mitarbeiter Sebastian Steinhäußer, sowie bei seinem Mannheimer Team, Nina Fernandez-Westenfelder, Luca Ohlerich, bei seinem Neffen Daniel Brixy und David Richardson, seinem Lebensgefährten, denn ohne die organisatorische Kompetenz und den persönlichen Zuspruch aller Beteiligen wäre das Projekt gar nicht zu stemmen gewesen, so der von der Atmosphäre des Ausstellungsortes sichtlich beeindruckte Maler.
Wand- und Deckengemälde von Tizian, Tintoretto und Veronese
Die Biblioteca Marciana hat eine ganz besondere Magie, die nicht zuletzt in ihrer großen kulturgeschichtlichen Bedeutung begründet ist. In dieser heutigen italienischen Nationalbibliothek, die nach ihrem historischen Standort, dem Markusplatz, benannt ist, wird der komplette Wissensschatz der historischen Republik Venedig aufbewahrt. Unter anderem auch das Testament von Marco Polo.
Das Bauwerk von Jacopo Sansovino und Vincenzo Scamozzi wurde im Jahr 1560 eröffnet. Der heutige Direktor der Bibliothek, Stefano Trovato, wies bei seiner Begrüßungsansprache darauf hin, dass sogar der venezianische Renaissancearchitekt Andrea Paladio einige Jahrzehnte nach der Eröffnung die Marciana als „reichstes und kunstvollstes Gebäude seit der Antike“ lobte. Diese Institution sei das geistige Zentrum der Serenissima, so der Hausherr.
Im Lesesaal befinden sich in den nächsten vier Wochen acht großformatige Arbeiten und etliche Kleinformate sowie Tondi aus der Mannheimer Werkstatt und im Vestibül ein eigens für diesen Raum konzipiertes Oktagon. Eine weitere Besonderheit in diesen Räumen, die sich noch im Originalzustand befinden, ist die Malerei der großen Meis-ter der Hochrenaissance an Wänden und Decken, darunter Werke von Tizian, Tintoretto und Veronese, die sich die Ehre gaben, mit ihren allegorischen Figuren den Ort würdevoll in Szene zu setzen.
In diesen Räumen auszustellen sei schon eine besondere Herausforderung und deshalb, so Dirk Geuer, der seit fünf Jahren die Ausstellungen zeitgenössischer Kunst in der Marciana in Eigenregie durchführt, habe er sich sehr bewusst für den Maler aus Mannheim entschieden, denn Brixy könne mit seiner farblich abstrakten, vielschichtig angelegten Bildersprache einen wirkungsvollen zeitgenössischen Dialog mit den Werken der Großen entfalten.
Der Düsseldorfer Kunstpromoter Dirk Geuer, dessen kulturpolitischer Anspruch bei seinen Projekten immer mitschwingt, führt dieses Jahr insgesamt vier Ausstellungen in Venedig durch. Zu sehen waren bereits der Stahlbildhauer Bernar Venet und der Maler Jiri Dokoupil. Im Herbst, nachdem die Brixy Ausstellung geschlossen sein wird, gibt es noch eine letzte Show mit bildhauerischen Arbeiten von Erwin Wurm.
Bei der Auswahl richtet sich Geuer immer nach der inhaltlichen und ästhetischen Bedeutung der einzelnen Werke. So passte Brixys freier Stil und die Kunst der Venezianer optimal zusammen. Dies bescheinigt dem Mannheimer auch sein Laudator Tayfun Belgin, der den Künstler in dessen Atelier im Neckarauer Pumpwerk besucht hat. Tayfun Belgin war bis vor kurzem Direktor des Hagener Osthaus-Museums und arbeitet heute als freier Kunstwissenschaftler.
Dialog zwischen Brixys Arbeiten und den historischen Werken
Um diesen Dialog in der Marciana wirkungsvoll in Szene zu setzen, wurde eine eigene Ausstellungsarchitektur geschaffen. Auf einer Art weißen Bühne wurden die Großformate Brixys im Raum präsentiert, sodass sie die historischen Meisterwerke nicht verdecken, sondern einen eigenen imaginären Bereich erhalten. So ergibt sich zum Beispiel zwischen dem 160 x 210cm großen Werk „Happy“ mit seinen seidigen Rottönen und dem von Paolo Veronese gemalten „Plato“ ein Dialog. Eine weitere Korrespondenz entsteht zwischen „Journey“ von 2023 und dem „Diogenes“ von Tintoretto.
Programmatisch für dieses Ausstellungskonzept erscheint das bereits erwähnte Oktagon. Hier wird eine Linie zu Tizians „Weisheit“ an der Decke gezogen. Die wissens-hungrige Dame lässt sich bei ihrer Lektüre dadurch allerdings nicht stören und liest unermüdlich weiter. Sie hat ja noch einiges vor sich, denn die Marciana ist eine der größten Büchersammlungen Italiens.
Die ästhetische Verbindung zwischen den modernen Werken Brixys und den historischen Allegorien im Raum griff Tayfun Belgin in seinem Eröffnungsvortrag noch einmal auf, indem er die Materialität der Farbe in Brixys Schaffen hervorhob. Genau diese Verbindung zwischen der Materialität der Farbe und deren Wirkung auf die Sinne war es, die von den Meistern der Hochrenaissance angestrebt wurde. Dafür eröffnete die damals neu entstandene Technik der Ölmalerei erstaunliche Möglichkeiten. Die Ölmalerei wurde zwar nicht in Venedig erfunden, sondern im Umfeld der Schule von Jan van Eyck im flämischen Brügge, doch erlebte sie in Venedig eine ungeahnte Hochblüte, die schließlich zur Befreiung der Farbe von der an Figur und Zeichnung gebundenen Bildtradition führte. Tizian wäre, so spinnt Belgin den Faden weiter, hätte er noch länger gelebt, wahrscheinlich zu einem informellen Maler geworden.
Die Vernissage selbst fand in einer sehr lockeren Atmosphäre statt. Zahlreiche Sammler und Freunde waren angereist, auch Gäste aus Mannheim darunter, die die Atmo-sphäre auf dem Platz vor der Marciana und später in der Ausstellung genossen.
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