Mannheim. Spannung lag in der Luft. Nach dem furiosen Duo-Konzert mit seinem Pianistenkollegen Vijay Iyer zum Enjoy-Jazz-Auftakt sah man dem Auftritt von Nduduzo Makhathini und seinem Trio in der Alten Feuerwache erwartungsvoll entgegen. Die Darbietung des südafrikanischen Pianisten, als Künstler des Traditionslabels Blue Note Records hoch angesehen, konnte die Hoffnungen jedoch nicht so recht erfüllen. Weder gelang es ihm, einen umfassenden Spannungsbogen über die Dauer des gerade mal (inklusive Zugaben) 70 Minuten langen Auftritts zu schlagen, noch schaffte er dies in vielen seiner, zugegeben, expressiv aufgeladenen Soli.
Makhathinis Darbietung folgte einer eigenwilligen Dramaturgie. Stücke wurden jäh gestoppt, Improvisationen plötzlich gebremst, Grooves, ein wichtiges Element seiner Musik, nicht genügend Zeit gegeben, um hypnotische Wirkung zu entfalten. Gerne hätte man dem Schlagzeugsolo des Drummers Francisco Mela, einem Meister komplexer Polyrhythmen, länger gelauscht – aber der Bandleader stoppte ihn rasch. Glänzend setzte sich auch der Mann am Bass, Zwelakhe-Duma Bell de Pere, in Szene, der sein Instrument wuchtig, kraftvoll und geschmeidig zugleich in der Tradition südafrikanischer Bassisten wie Johnny Dyani handhabte.
Dem Auftritt fehlte schlicht Gestaltungskraft
Das Publikum (im nahezu ausverkauften Haus) erlebte einen wahren Schlingerkurs durch unterschiedlichste Stimmungen, die unvermittelt einander gegenüberstanden. Fremdartige, brummelnd gemurmelte Litaneien und mysteriöse, mit körperloser Kopfstimme intonierte Zulu-Gesänge über frei schwebenden Rhythmen wechselten mit Eingängigem: dem anrührenden Melodienzauber kirchenhymnenartiger Stücke. Darauf mochten explosive freie Ausbrüche folgen, deren schrille Parallel-Läufe und perkussive Akkorde an die afrokaribischen Beschwörungen Andrew Hills erinnerten, oder stürmische Modal-Jazz-Passagen, in denen Makhathini im Stil von McCoy Tyner donnernde Bass-Akkorde und klirrende Diskant-Ketten in die Tasten meißelte.
In der Musik des Südafrikaners gibt es keine pianistische Weichzeichner, zart schillernde Arpeggios ebenso wenig wie sanft perlende Tonfolgen. Seine Klangperlen sind hart und ungeschliffen: so zu Beginn des Auftritts, als er mit kantigen, skizzenhaft hingestreuten Tonfolgen Duke Ellington gekonnt seine Reverenz erwies. Makhathini ist tief verwurzelt in der perkussiven Piano-Tradition des Jazz. In einem standardähnlichen Stück pflockte er die Akkorde förmlich in die Tastatur, spielte mit schroffen Dissonanzen, klingelnden Morsezeichen-Phrasen – Reminiszenzen an Bud Powell und Thelonious Monk, den Makhathini auch kurz zitierte.
In solchen Momenten war Makhathinis Klasse durchaus spürbar. Aber über den Abend hinweg, der auch noch gefühlte zehn Minuten lang durch esoterische Ansprachen über Heilung und Sound, die „Gestimmtheit“ des menschlichen Körpers im Einklang mit dem Universum, gestreckt wurde, fehlte schlichtweg die große Gestaltungskraft: Vieles blieb Stückwerk. Dass Makhathinis Trio auf seinem aktuellen Album sehr viel geschlossener, pointierter, besser klingt, mag daran liegen, dass es von Star-Produzent Don Was veredelt wurde. Der hätte vielleicht in der Feuerwache dabei sein sollen.
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