Ausstellung

Krieg und Frieden im Wohnzimmer

Die Schirn Kunsthalle Frankfurt zeigt Martha Roslers politische Kunstbotschaften und ehrt sie zum 80. Geburtstag

Von 
Christian Huther
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„Greenpoint: New Fronts“ zeigt Gebäude-fassaden. © Emily Piwowar/Nói Crew

Der „erste Wohnzimmerkrieg“? Den gab es tatsächlich, es war der von 1955 bis 1975 dauernde Vietnamkrieg. Spätestens ab den 60ern flimmerte er zur besten Sendezeit in immer mehr Wohnzimmern. Diesen Widerspruch zwischen heimeliger Atmosphäre und dem Eindringen von Krieg in die eigene Wohnung fing auch die US-Amerikanerin Martha Rosler in Bildern ein. Ihre Fotomontagen von 1967 bis 1972 machten Rosler weltberühmt; heute gilt sie als eine der wichtigsten politischen Künstlerinnen unserer Zeit.

Jetzt wird sie zum 80. Geburtstag in der Frankfurter Schirn Kunsthalle mit einer klug bestückten Überblicksschau gewürdigt. Es ist die erste Ausstellung, die Sebastian Baden seit seinem Amtsantritt als neuer Schirn-Chef vor einem Jahr selbst kuratiert, zusammen mit Ko-Kuratorin Luise Leyer. Baden hatte zuvor an der Mannheimer Kunsthalle als Kurator gearbeitet. Er verfolgt Roslers mehrdeutige Ikonographie und ihre künstlerische Aufklärungsarbeit schon seit seinem Studium. Bis heute begeistert ihn ihre „pointierte Power“, die auch andere Künstler inspiriert, darunter die Filmemacherin Hito Steyerl.

Roslers Schau von den 60er-Jahren bis heute umfasst ein Dutzend Werke mit größeren Serien von Fotomontagen, Fotos und Dokumenten sowie rund zehn weitere Filme, Videos und Installationen. Alles dreht sich um drei Themen: um Krieg, die Rolle der Frau und das sich verändernde private Umfeld. Vor allem die alten Kriegsbilder erschrecken bis heute zutiefst.

Doch die Künstlerin hat durchaus Humor, den sie sogar im Kampf um die Gleichberechtigung zeigt. Seit 1964 engagiert sie sich in der Frauenbewegung, als sich Deutschland noch im Nachkriegsmief befand. In einem siebenminütigen Video nahm sie sich 1975 die Rolle der Frau als Köchin vor, die sie an Küchenutensilien von A bis Z durchdeklinierte, zu einer Zeit, als in den USA die Kochshows populär wurden. Aber Rosler hantiert derart aggressiv mit Teigroller und Fleischklopfer, dass sie den Betrachter zum Lachen bringt – diese Frau will nicht als Heimchen am Herd enden, sie will die Welt verändern.

Allerdings realisierte sie viele Ideen ursprünglich als Flyer für Demonstrationen und wandelte sie erst später von Gebrauchs- in Museumskunst um. Bis heute klärt Rosler über Missstände und Unrecht auf. Damit will sie die Menschen auf die Straße zum Demonstrieren bringen, wie ein weiteres Kapitel zeigt.

Zeigt Umstände, nicht Opfer

Doch so agitatorisch Rosler zuweilen ist, so leicht findet sie auch wieder den Weg zurück. Wie hintergründig ihr Werk ist, wird erst im dritten, dokumentarischen Kapitel klar. Die Fotoserie „The Bowery“ von 1974/75 dokumentiert das Leben in einer Straße im südlichen Manhattan von New York, das damals von Obdachlosen und Alkoholikern bestimmt wurde. Aber die Künstlerin lichtete nur die verdreckten Straßen und verrammelten Läden ab und umschrieb alles mit poetischen Worten. Die Opfer zeigte sie nicht, anders als zahllose andere Fotografen – deren Sichtweise gilt heute als „Armutsporno“.

Freier Autor Als freier Kulturjournalist im Großraum Frankfurt unterwegs; Schwerpunkte sind bildende Kunst und Architektur. Studium der Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie.

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