Hintergrund

Gibt es doch noch Hoffnung für das Mannheimer Maifeld Derby?

Veranstalter Timo Kumpf und Kulturbürgermeister Thorsten Riehle wollen beide, dass die Erfolgsgeschichte des renommierten Festivals nach einer Pause 2026 weitergeht – nur beim Weg dahin sind sie sich uneinig.

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Füllt sich der Parcours d` Àmour des Maifeld Derbys, die Tribüne vor der Bühne im Reitstadion, ab 2027 wieder? Es gibt Hoffnung, aber noch keinen klaren Weg. © Florian Trykowski

Das Wichtigste in Kürze

- Das Maifeld Derby in Mannheim könnte nach einer Pause 2027 fortgesetzt werden.

- Eine Finanzierung von 300.000 Euro jährlich wird von Kurator Timo Kumpf als notwendig erachtet, ist politisch aber laut Kulturbürgermeister Thorsten Riehle nicht umsetzbar.

- Riehle arbeitet an alternativen Unterstützungsangeboten.

Mannheim. Die gute Nachricht für Fans des Mannheimer Maifeld Derbys zuerst: Das renommierte Indie-Pop-Festival könnte nach der 14. Ausgabe Ende Mai und einer ein bis zweijährigen Pause doch noch eine Zukunft haben. Denn: Sowohl Veranstalter Timo Kumpf als auch Thorsten Riehle als zuständiger Vertreter der Stadtverwaltung betonen fast unisono: „Mannheim braucht dringend ein solches Festival, ganz klar“, wie es der Kultur- und Wirtschaftsbürgermeister im Gespräch mit dieser Redaktion formuliert. Und Kumpf signalisiert, dass es schon 2027 weitergehen könnte. Allerdings, und das ist die schlechte Nachricht: Wie das amtierende beste kleine Festival Europas gerettet werden könnte, da endet die Einigkeit bislang weiterhin.

Kumpf hatte in einem Interview mit dieser Redaktion vor den letzten Haushaltsberatungen im Oktober 2024 einen jährlichen Förderbedarf von 200.000, eigentlich 300.000 Euro formuliert. Mit guten Argumenten: Gestiegene Kosten an allen Fronten des Veranstaltungswesens, ein als Beinahe-Einzelkämpfer nicht mehr zu stemmender organisatorischer Aufwand, die Strahlkraft des nahezu einmaligen Festivals für eine Unesco City Of Music, die kulturelle Wertigkeit des hochambitionierten Programms in einer zur Verödung tendierenden Konzertlandschaft und nicht zuletzt die Tatsache, dass das dreitägige Event letztlich mehr Geld in die Stadtkasse spült, als er fordert. Gebraucht werde das Geld vor allem für Personal, nachdem das Derby jahrelang mit viel Selbstausbeutung und freiwilligen Helfern an den Start gebracht wurde: „Unsere Strukturen reichen nicht mehr aus, um all das auf die Beine zu stellen. Die Förderung war daher insbesondere für Personal angefragt.“

Bittere Ironie: Noch im Januar wurden Timo Kumpf und das Maifeld Derby bei den European Festival Awards in Groningen als „bestes kleines Festival“ ausgezeichnet. Jetzt verkündet der Veranstalter das Aus des Events. © Paul Ramisch

Nachdem im Gemeinderat – ausschließlich – SPD und Grüne nur die Bereitschaft signalisiert hatten, das Festival weiterhin mit 100.000 Euro pro Jahr zu fördern, zog der Popakademie-Absolvent und Musiker Ende November die Reißleine: „Das ist zu ungewiss und nach all den Jahren und Verdiensten einfach auch zu wenig.“ Damit sei der Exit unausweichlich. So sieht Timo Kumpf es im Prinzip jetzt noch: „Seit der Entscheidung gab es zwar Zuspruch und Bemühungen seitens des Kulturbürgermeisters, aber eine wirkliche Perspektive kann weiterhin nicht aufgezeigt werden.“

Veranstalter sieht in Deutschland veralteten kulturpolitischen Ansatz

Als eine der Ursachen macht der Veranstalter hierzulande einen veralteten kulturpolitischen Ansatz aus – anders als etwa in Frankreich: „Die Ausrichtung ist nicht mehr zeitgemäß. Grob gesagt gibt es die als förderwürdig anerkannte E(rnste)-Musik, also Jazz, Klassik, Oper und so weiter - und die nicht-förderwürdige U(nterhaltungs)-Musik, wozu die ganze Palette der Popkultur zählt, von stumpfem jugendgefährdendem Gangster-Rap bis hin zur Avantgarde der Popmusik. In Deutschland ist das alles U-Musik und muss sich damit erstmal selbst tragen. Diese Ausrichtung ist meines Wissen europaweit einmalig.“ Ausnahmen können in Kumpfs Augen vor allem die Kommunen machen. „Dass die Unesco City Of Music Mannheim ein für den Standort so wichtiges Prestige-Projekt wie das Maifeld Derby wegen 300.000 Euro untergehen lässt, das ist bezeichnend und mehr als enttäuschend“, urteilt er.

Immerhin: Der Gesprächsfaden ist trotzdem nie ganz abgerissen. Und der frühere Capitol-Chef Riehle, der noch als Stadtrat die sechsstellige Förderung organisiert hatte, nutzte seitdem sein Netzwerk, um Möglichkeiten auszuloten, das Festival anderweitig zu unterstützen. Denn: Die gewünschten 300.000 Euro Förderung pro Jahr sind derzeit in Mannheim weder finanziell noch politisch umsetzbar. Auch in Zukunft nicht, nach einer Pause, einem Ende des Ukraine-Krieges und einer Verbesserung der allgemeinen Wirtschaftslage? „Ausschließen kann man im Moment gar nichts. Man kann aber auch nichts zusagen. Das ist ja das Problem“, antwortete Riehle am Donnerstag. Die von Kumpf benötigte Planungssicherheit ist so nicht zu garantieren.

Die bisherigen 100.000 Euro Förderung sind entfallen

Zumal nach dem verkündeten Festival-Aus auch die bisherigen 100.000 Euro politisch erst mal wieder erstritten werden müssten. „Der Haushaltsbetrag ist jetzt weg. Mit dem Betrag als Basis stünden wir jetzt anders da. Jetzt müssen wir den Gemeinderat neu überzeugen, selbst wenn wir den Förderantrag als Verwaltung selbst einbringen.“ Das setze auch seinen Möglichkeiten als Doppelfunktionsbürgermeister Grenzen: Natürlich sei es denkbar, das Derby nicht nur aus dem Kulturetat zu unterstützen, sondern auch via Wirtschaftsförderung. „Aber es ist ein Unterschied, ob man 200.000 oder 300.000 Euro irgendwo herbekommen muss.“ Er habe aber weiterhin höchstes Interesse, dass es mit dem Derby weitergehe – auch als Wirtschaftsbürgermeister: „Ich sehe selbstverständlich, dass das Festival Wirtschaftskraft in Mannheim bindet. Das merken wir an dem Wochenende, an dem das Maifeld Derby läuft.“

Kultur- und Wirtschaftsbürgermeister Thorsten Riehle vor dem Alten Kino beim Theaterfest zum Auftakt der neuen Spielzeit. Der Ex-Capitol-Chef will das Maifeld Derby weiter ermöglichen. © Michael Ruffler

Kumpf weist darauf hin, dass ihm auch von unabhängiger Seite attestiert werde, dass er mit dem Maifeld Derby wichtige kulturelle Bildungsarbeit leiste. „Ich kann auch wirtschaftlich erfolgreich Konzerte veranstalten. Das ist mein Hauptjob. Damit habe ich ja auch das Maifeld Derby lange subventioniert“, betont er – zumal das auf etwa 5000 Besucherinnen und Besucher limitierte Derby als gemeinnützige GmbH gar keine Gewinne erwirtschaften dürfe. Aber die kommerziellen Projekte seien „oft einfach nicht die Musik, die ich als kulturell wertvoll erachte. Lange hab ich Gangster-Rap veranstaltet, um das Maifeld Derby durchführen zu können. Das ist wie Chrystal Meth verkaufen, um sich dafür lebenserhaltende Medikamente kaufen zu können. Das fühlt sich mittlerweile einfach nicht mehr richtig an. Vor allem nicht dann, wenn der Kulturauftrag von öffentlichen Institutionen und vor allem auf Medien oft so einseitig wahrgenommen wird.“

Ein Vorschlag: Kulturbetriebe und andere Veranstalter könnten Bühnen technisch ausstatten

Trotz allen Differenzen liefen hinter den Kulissen Versuche, ein Paket zu schnüren, um Kumpf das Weitermachen zu ermöglichen: „Die Grundidee war, dass weitere Gesellschafter das finanzielle Risiko abfedern. Da haben sich sehr früh Leute und Unternehmen gemeldet und gefragt: ,Wie können wir denn helfen? Wir müssen das erhalten!‘“ Ein weiteres Beispiel: Es wäre denkbar, dass Kulturbetriebe und andere Veranstalter Bühnen technisch ausstatten, also quasi Sponsoring durch Naturalien.

Wenn dann aber eine Bühne nach Unterstützer benannt würde - das ist sensibles Terrain, denn der Nimbus des Maifeld Derbys hängt natürlich stark mit der kreativen Kompromisslosigkeit zusammen, mit der Kumpf seit 2011 sein Programm kuratiert. Seitdem hat das große Stammpublikum des Festivals gelernt, sich fast blind auf den Geschmack des früheren Get-Well-Soon-Musikers zu verlassen. Weitere Teile des Konzepts waren Crowdfunding, etwa in Form eines Förderkreises. Oder logistische Unterstützung, zum Beispiel beim Auffinden und Anzapfen von Fördertöpfen auf Landes-, Bundes- oder EU-Ebene.

Zum Festival

  • Das 14. Maifeld Derby findet vom 30. Mai bis 1. Juni statt.
  • Am Freitag spielen u.a. Zaho de Sagazan und DJ Koze, am Samstag Franz Ferdinand, The Notwist sowie Konstantin Gropper & Friends und sonntags Drangsal, Bilderbuch und Olli Schulz.
  • Kompletter Zeitplan: maifeld-derby.de/timetable/
  • Tageskarten für den Samstag sind derzeit ausverkauft. Der Freitag und Sonntag kosten jeweils 75 Euro. Das Drei-Tages-Ticket gibt es für 175 Euro (Kinder: 150).
  • Vorverkauf unter maifeld-derby.de/shop/

Dazu merkt Kumpf an, dass er weitere Töpfe „bei der Kalkulation on top“ gedacht habe: „Wir haben gerade noch 40.000 Euro von der BW Stiftung zugesagt bekommen. Da haben wir auch die letzten Jahre wenig ausgelassen und sind auch in Sachen Sponsoring nach wie vor besser aufgestellt als viele andere in der Größe.“ Von der Initiative Musik habe es dagegen für 2025 eine Absage gegeben. „Vermutlich, weil letztes Mal gefördert wurde. Aber da beißt sich der Gaul in den Schwanz, da ich natürlich nur weitermachen kann, wenn ich dieses Jahr rauskomme und nicht persönlich haften muss.“ Aber da ist er optimistisch: „Das sieht gerade wirklich gut aus. Daher bin ich auch dankbar und offen, über 2027 zu sprechen und 2026 zur Konsolidierung und Neuaufstellung zu nutzen.“

„Die Tür ist nicht zu. Wir sind gesprächsbereit“

Was Riehle klar signalisieren will: „Die Tür ist nicht zu. Wir sind gesprächsbereit. Ich arbeite daran, neue Ansätze zu finden, um das gemeinsam auf den Weg zu bringen.“ Das sei keine 1:100.000-Chance, sondern greifbar. „Das kann man hinkriegen. Aber Timo muss mitmachen.“ Eine Pause als Phase der Konsolidierung und Bewertung könne hilfreich sein. Das sieht Kumpf differenziert: „Nach zwei Jahren oder mehr ist das Netzwerk womöglich weg.“

Der Derby-Macher stellt jetzt erstmal die vorerst letzte Festivalauflage auf die Beine. Mit einem Programm, das einem Fanal gleicht – unter anderem mit Europas Pop-Senkrechtstarterin Zaho de Sagazan, Franz Ferdinand und einer Arena-Band als Überraschungs-Act wie im Jahr 2019 AnnenMayKantereit, die von sich aus unbedingt beim Maifeld Derby auftreten wollte. „Durch die positiven Synergien der Absage kann ich das alles nun einmalig kompensieren und erwarte erstmals ein komplett ausverkauftes Festival. Im Grunde war das also eine lebenserhaltende Maßnahme und ein Befreiungsschlag für mich. Mit entsprechender Förderung hätte ich das auch gerne neu aufgebaut und auf mehr Schultern verteilt.“ Der Hoffnungsschimmer: Auf der Basis dieses indirekten Austauschs ist ein neuerliches Gespräch geplant.

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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