Mannheim. Hornist Klaus Wallendorf hat einst noch unter Karajan gespielt, bei den Berliner Philharmonikern. Da denkt man eher nicht an Comedy, sondern an strengsten orchestralen Drill. Aber schon damals hat sich abgezeichnet, dass in Wallendorf ein kleiner Dichter schlummert. Zur Verabschiedung, nach 36 Dienstjahren, verlieh ihm Simon Rattle sogar einen „offiziellen“ Ehrentitel: den des „Hofpoeten“ der Berliner Philharmoniker. Beim Blechbläserensemble German Brass, wo Wallendorf seit 1985 mitbläst, übt er in Konzerten auch das Amt des Moderators aus. Das ist beim Mannheimer Pro Arte-Gastspiel kurz vor Weihnachten nicht anders.
Hornist Klaus Wallendorf ist Hofpoet, Pointen-Feuerwerker und Moderator
Wallendorf serviert dabei ein wahres Pointen-Feuerwerk, im Mozartsaal des Rosengartens wirken seine Gags höchstens zu Anfang etwas bieder („Auf die Plätzchen, fertig, los!“), danach haben die ironiedurchtränkten, oft mit Endreimen gekrönten Ansagen die Lacher stets auf ihrer Seite. Und Musik wird auch gemacht, „mit Feingefühl und Lippenkraft“, wie Dichter Wallendorf mit einiger Berechtigung behauptet. German Brass feiert sein 50-jähriges Bestehen, das Tentett hat Pionierarbeit geleistet und trägt eine wesentliche Mitverantwortung am Boom in Sachen Blechbläserensembles. Weil es immer noch die Standards definiert.
Im ersten, hauptsächlich barocken Teil des Mannheimer Programms bestechen schon im kurzen Stück von Telemann die gut geölten, gleitenden Registerwechsel der auf Glanz polierten Arrangements. Die Piccolotrompete von Matthias Höfs besorgt dabei die Glanzlichter, die fast wie Leuchtraketen in den Rosengarten schießen. Es ist eine stählerne, hornissenartig stechende Brillanz, und Höfs’ Trompetenton hat über die Jahrzehnte nichts von seiner Strahlkraft eingebüßt. Auch in Vivaldis „Winter“-Violinkonzert kann er die Sologeige mühelos ersetzen. Und das Arrangement ist sorgsam ausgehört, bei German Brass wird nicht allein geschmettert. Zarte und fragile Töne, wie von einer dünnen Eisschicht überzogen, fügen sich ins Klangbild.
Nach der Pause wird es noch ein bisschen populärer, festlicher. Der „Little Drummer Boy“ mutiert zum German Brass-Boléro: weil sich der Ravel-Hit mehr und mehr über den Weihnachts-Standard schiebt – was arrangier- und spieltechnisch von seltener Bravour ist. Dieses Level wird auch in der hypervirtuosen „Petersburger Schlittenfahrt“ gehalten, dabei heißt das Motto „Fliehkraft in Musik umwandeln“, wie Klaus Wallendorf erläutert.
Der Comedian mit der schwarzen Fliege kündigt wenig später freilich „Heiligabend in der Fichtenschonung“ an, also Besinnliches. Das muss es auch geben. „Der lange Atem zahlt sich aus“, weiß Wallendorf, und 50 Jahre German Brass sind der Beweis dafür.
Selbst im Weihnachtsprogramm gefallen vor allem flotte Nummern
Doch selbst an diesem Abend mit der Überschrift „It’s Christmas Time“ gefallen insbesondere die flotten Nummern, wie zum Schluss hin „Weihnachten in Acapulco“. Und die Musiker von German Brass können dabei gelegentlich zur Bigband werden, höllisch swingen und zu kleinen Improvisationen ansetzen – wie Uwe Köller auf dem Flügelhorn. Sogar ein ziemlich ordentliches, ziemlich langes Schlagzeugsolo gibt es, und das ist auch gut so: Herbert Wachter, der es zimmert, hätten wir sonst glatt vergessen zu erwähnen. Spätestens die zweite Zugabe gehört dann allerdings wieder Klaus Wallendorf. Mit einem „Bonsai-Weihnachtslied“ aus Japan.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/kultur_artikel,-kultur-german-brass-setzt-nach-50-jahren-weiter-massstaebe-auch-in-mannheim-_arid,2272777.html