Salzburg. Wer mit dem Teufel Geschäfte macht, wird irgendwann selber des Teufels sein. So ergeht es bei Igor Strawinsky dem einfachen Soldaten, der das Grauen des Krieges mit seiner geliebten Geige übertönt, der auf der Wanderung in sein Heimatdorf dem Teufel in Gestalt eines alten Mannes begegnet. Der überredet den tumben Kerl, die Geige gegen ein Zauberbuch zu tauschen, das Börsenkurse voraussagt und die Lizenz zur Geldvermehrung besitzt. Um reich und glücklich zu werden, müsse der Soldat dem Teufel nur das Geigenspiel beibringen.
Was so verlockend klingt, wird dem Soldaten natürlich zum Alptraum. Er wird zwar eine kranke Prinzessin heilen und ihre Liebe gewinnen, muss aber, weil er einen Bannfluch missachtet, der ihm untersagt, sein Heimatdorf jemals wieder zu betreten, dem Teufel in den Abgrund der Verdammnis folgen.
Das Werk wurde 1918 uraufgeführt
Igor Strawinskys musikalische Märchenerzählung ist keine Oper und kein Ballett, sondern eine von einem Sprecher und einem kleinen Instrumental-Ensemble begleitetes Stück. Das 1918 uraufgeführte Werk markiert im Schaffen des Komponisten und in der Geschichte des Musiktheaters einen Wendepunkt, widmet sich dem kargen Klang und der reduzierten Tonsprache, sucht das Holzschnittartige und Abstrakte, collagiert klassische Klangfarben mit Stilelemente des Jazz, unterlegt die trockenen, harten Rhythmen mit Märschen und Tänzen.
In 16 knapp gefassten Nummern bebildert und konterkariert Strawinsky in seiner „Geschichte vom Soldaten“ musikalisch die auf einem russischen Volksmärchen basierende und von Charles Ferdinand Ramuz in ein kantig zersplittertes Libretto gefasste Handlung.
Der Himmel hängt voller Papp-Geigen
Die jetzt in der Regie von Matthias Bundschuh bei den Salzburger Festspielen aufgeführte Version folgt einer schlagenden Idee und nimmt das Marionettenartige der wie von Geisterhand durchs Geschehen geführten und zum Tanzen gebrachten Figuren beim Wort, legt das Schicksal der Protagonisten in die Hand eines der bedeutendsten bildenden Künstlers der Gegenwart: Georg Baselitz, bekannt dafür, dass er in seinen Bildern die Menschen auf den Kopf stellt, lässt die Puppen tanzen.
Salzburger Marionettentheater
Salzburger Marionettentheater: „Die Geschichte vom Soldaten“ (Igor Strawinsky) . Regie und Licht: Matthias Bundschuh. Marionetten und Ausstattung: Georg Baselitz. Sprecher: Dominique Horwitz .
Weitere Aufführungen am 31. Juli , 1., 2. und 3. August .
Das Salzburger Marionettentheater, gegründet 1913 vom Bildhauer Anton Aichner und eröffnet mit einer Aufführung von Mozarts „Bastien und Bastienne“, zählt zu den traditionsreichsten Figurentheatern weltweit . Von der UNSECO wurde es als „Immaterielles Kulturerbe“ ausgezeichnet. FD
Er hat abstrakte Skulpturen, gefertigt aus Pappe und Papier, mit Gliedmaßen aus einfachen Rollen und Röhren. Abstrakte Zeichnungen auf Tüchern werden wie Brecht-Gardinen weggezogen und markieren wechselnde Szenen. Der Himmel hängt voller Papp-Geigen. Und wenn die Prinzessin vor Freude Tänze aufführt oder der Teufel auf der Geige spielt, vervielfältigen sich Figuren und Instrumente.
Sprecher Dominique Horwitz hat hörbaren Spaß daran, das Märchenhafte der Handlung mit stimmlichen Varianten ins Groteske zu verschieben. Isabelle Faust entlockt ihrer Violine all die zarten und grellen Töne, die nötig sind, um die Puppen zum Träumen zu bringen und sie tanzen zu lassen. Wenn Raymond Curfs sein Schlagwerk bedient, wird es laut und deftig, dann marschieren die Soldaten in den Tod und der Teufel kennt kein Erbarmen. Im Salzburger Marionettentheater ereignet sich ein kleines Wunder, bei dem sich musikalische und bildnerische Elemente aufs Herrlichste vereinen.
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