Heidelberger Frühling

Franz Liszt Kammerorchester unterhält am Heidelberger Frühling

Beim Heidelberger Frühling ist das Franz Liszt Kammerorchester zu Gast in der Neuen Heidelberger Universitäts-Aula. Das Programm ist dabei unterhaltsam. Warum das so ist

Von 
Hans-Guenter Fischer
Lesedauer: 
Pablo Barragán bei seinem Solopart an der Klarinette. © studio visuell

Was ist „Aneignung“, was „Identität“? Zu solchen heutzutage ganz besonders heiklen Fragen lässt sich einiges an diesem Abend in der Neuen Heidelberger Universitäts-Aula erfahren. In einem recht unterhaltsamen Programm wird deutlich, dass vieles, was sich gern „authentisch“ nennen möchte, „nur“ Bearbeitung und Arrangement ist. Das Franz Liszt Kammerorchester spielt „Alte und neue ungarische Tänze“. So verlockend sind Klischees nicht immer.

Anfangs zieren sich die etwa 20 Instrumentalistinnen und Instrumentalisten freilich noch ein wenig und verabreichen im überwiegend weich phrasierten „Ungarischen Rondo“ Zoltán Kodálys bloß eine kleine Prise Paprika. Nur selten blitzen, hauptsächlich beim Solocello István Várdais, Csárdás-artige Momente auf. Dann aber lächeln einige Konzertbesucherinnen und -besucher unwillkürlich: Ja, so sind sie wohl, die guten Ungarn.

Doch wie sind sie wirklich? Das Orchester will ein „weltweiter Kulturbotschafter seines Heimatlandes“ sein, steht im Programmheft. Was zu Zeiten eines Viktor Orbán streng genommen auch wieder etwas heikel werden könnte. Vom Enfant terrible der EU muss allerdings an diesem Abend nicht die Rede sein. Zum Glück. Im Übrigen ist das Orchester schon gegründet worden, als in Ungarn noch der Sozialismus die Parolen ausgab: 1963. Traditionsbewusstsein ist und bleibt ein schillernder Begriff. Zumal in einem Land, in dem die Avantgarde des 20. Jahrhunderts um die prägenden Figuren Zoltán Kodály und Béla Bartók in der Rückbesinnung auf die Volksmusik den wesentlichen Baustein für die Zukunft sah.

Bartóks „Divertimento“, das vielleicht bedeutendste an diesem Abend aufgeführte Stück, am Vorabend des Zweiten Weltkriegs komponiert, lässt freilich alle Anklänge als schal und trügerisch erscheinen. Was die Streichergruppen im Franz Liszt Orchester mit zwar guter, aber nicht herausragender Klang- und Spielkultur verdeutlichen.

Eine Entdeckung im Programm kommt aus Deutschland

Eine Entdeckung im Programm kommt aus Deutschland: das Konzert für Klarinette, Streichquartett und Streichorchester von Karl Amadeus Hartmann (abgeschlossen 1935). Der zweite, ausgesprochen tänzerische Satz ist dann auch sehr „balkanisch“-folkloristisch eingefärbt. Den Solo-Part bläst Pablo Barragán, ein Spanier. Hochfahrend brillant. Im Schlusssatz aber zeigt sich Barragán als hochsensibler Klarinetten-Flüsterer. Als Zugabe hat er ein Stück des Meistergitarristen Paco de Lucía arrangiert, es demonstriert entsprechenden Flamenco-Einfluss. Eine Art „Tzigane“ auf Andalusisch.

Ungarischer Sinti-Jazz swingt mit, wenn das Konzert an seinen Höhepunkt gelangt. Chef im Ring ist der Geiger Lajos Sárközy. Er navigiert furios durch die Musik, ist Steh- und Teufelsgeiger gleichermaßen. Auch das verlangt nach einer Zugabe, es kann nur eine sein: der fünfte „Ungarische Tanz“ von Brahms - den ja „in Wahrheit“ Béla Kéler komponiert hat. Und der vielfältig bearbeitet und orchestriert wurde. Wie immer.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen