Kino

Filmsymposium beschäftigt sich mit Produktionsdesign, Kostüm und Maske

Das traditionsreiche Mannheimer Filmsymposium beschäftigt sich diesmal mit Produktionsdesign, Kostüm und Maske

Von 
Hans-Günter Fischer
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Die Bedeutung von Produktionsdesign, Kostüm und Maske bestätigt auch der Film „Blutige Seide“, den das Cinema Quadrat zeigte. © Cinema Quadrat

Ronald Reagan hätte es im Grunde wissen müssen. Schließlich hatte er als Filmschauspieler angefangen, ehe er zum Präsidenten wurde. Bald nach seiner Amtseinführung fragte Reagan angeblich gleichwohl, wo dieser ominöse „War Room“ sei, der riesige Kommandoraum – Schauplatz der großen Pokerrunde um den Fortbestand der Welt (wobei die Welt leider verliert). Den kannte er aus Stanley Kubricks bitterböser Kriegsgroteske „Dr. Seltsam“. Doch der frischgekürte Staatenlenker musste hören: Einen solchen „War Room“ hat es im realen Leben nie gegeben. Er ist ein Triumph des Produktionsdesigns im großen Kino.

Und um dieses Produktionsdesign geht es im Filmsymposium, das in Mannheims Kommunalem Kino Cinema Quadrat stattfindet. Außerdem geht es noch um Kostüm- und Maskenbild, mithin um die für die geglückte Filmherstellung so entscheidenden „Gewerke“. Das Symposium ist eine Veranstaltung mit Tradition. Die aktuelle Ausgabe ist die schon 37., insofern passt es prima, dass ein wahrer Veteran unter den Referenten für den ersten der vier Vorträge verpflichtet ist: Ernst Schreckenberg, in Dortmund lange Jahre Chef des Kommunalen Kinos, ist beim Mannheimer Symposium schon mehr als ein dutzend Mal gesichtet worden.

Zur Geschichte des Symposiums

1986 fand das Mannheimer Symposium erstmals statt, sein Schauplatz war von Anfang an das Cinema Quadrat. Seit Beginn war Peter Bär an Konzeption und Durchführung dieser Symposien maßgeblich beteiligt. Anfangs ging es noch um ganze filmhistorische Epochen (wie etwa den Übergang vom Stumm- zum Tonfilm), später auch um einzelne Persönlichkeiten wie den Regisseur Nagisa Oshima („Im Reich der Sinne“), der im Jahre 1995 selbst nach Mannheim kam – ein Höhepunkt in der Geschichte der Veranstaltung.

Inzwischen sind die Themen eher filmhandwerklicher, bisweilen fast philosophischer oder gesellschaftsanalytischer Natur. Zum aktuellen Symposium kamen weniger Teilnehmer als im Vorjahr – als man ein zeitgeistnahes Thema abarbeitete: „Der feminine Blick“.

Schreckenberg ist in gewisser Weise als ein Mann der alten Schule zu bezeichnen: An computergenerierte Bilder mag er – vorerst – nur in Maßen glauben, sie erscheinen ihm bloß als ein „Tool“ unter diversen anderen. Er postuliert, dass realistische Dekors heute wieder als preiswürdig erachtet würden, wie der „Oscar“ für das beste Szenenbild für „Im Westen nichts Neues“ belege – während sich das Fantasy-Spektakel „Avatar“ habe geschlagen geben müssen.

Kubrick bleibt ein Liebling

Schreckenberg behandelt hauptsächlich den „Studio-Realismus“, ein so raffiniertes Produktionsdesign, dass seine Künstlichkeit zumeist verborgen bleibt. Die Zuschauer dürfen in ihrer Wahrnehmung durch nichts gestört und irritiert werden. Der Referent Ernst Schreckenberg führt in die großen Filmstudios, etwa nach Potsdam-Babelsberg – wo schon zu UFA-Zeiten eine Großstadt-Einkaufsstraße nachgebildet worden ist („Asphalt“ hieß dieser Film, und „richtiger“ Asphalt wurde auch aufgetragen). Sehr viel später, für Tom Tykwers Thriller-Produktion „The International“, wurde in Potsdam mit viel Aufwand das New Yorker Guggenheim-Museum nachgebaut. Weil man das echte nicht zusammenschießen durfte.

Für ein überzeugendes, intaktes Produktionsumfeld zu sorgen, ist zentral. Der Kontext ist oft wichtiger als die Figuren. Für die Produktionsdesigner und -designerinnen gilt der alte Satz von Billy Wilder nach wie vor: „Make it believable!“, trug er dem großen Alexandre Trauner auf, der manche seiner Filme so „authentisch“ ausgestattet hat, dass sie fast echter als die Wirklichkeit erschienen. Trauner war ein Held aus jener Zeit, als Setdesigner noch „Filmarchitekten“ waren. Und das gilt auch für Ken Adam, den Erfinder des bereits erwähnten und von 150 Handwerkern gebauten „War Room“ aus der (Anti-) Kriegsgroteske „Dr. Seltsam“. Stanley Kubrick ist und bleibt ein Darling aller Filmhistoriker und Cineasten. Auch der Vortrag Ralf Michael Fischers wendet sich dieser Regie-Ikone zu, etwa im Hinblick auf den vielbeschriebenen Totalperfektionismus Kubricks – ob es um die Szenenbilder für die Welt der Zukunft oder um die Patina von längst vergangenen Epochen geht. Das Letztere geschieht in „Barry Lyndon“. Die perfekte Illusion des Eintauchens ins 18. Jahrhundert ließ sich allerdings nur mit Hightech-Produkten herstellen: mit Objektiven, die kein Kunstlicht brauchten, von der Firma Zeiss einst für die NASA konstruiert. Für Weltraum-Exkursionen.

Keine Drohkulisse

An den drei Symposiums-Tagen gibt es neben Vorträgen aber auch Exkursionen in die Praxis. Unter anderem verrät Jens Bartram, der schon seit Jahrzehnten Maskenbildner ist, wie er es in „Die Spiegel-Affäre“ schaffte, dass aus Francis Fulton-Smith Franz Josef Strauß wurde.

Und Filme werden selbstverständlich ebenfalls gezeigt, diesmal sogar mit instruktiven Einführungen. Zu Beginn gibt es den Stummfilm „L’inhumaine“ aus Frankreich, der zu guten Teilen „nur“ ein schwülstig-schwüles Melodram ist. Aber auch mit visionären Filmkulissen aufwartet. Wobei der Regisseur Marcel L’Herbier aus dem Labor des maßgeblich zur Handlung beitragenden Wissenschaftlers keine Drohkulisse macht (wie das im deutschen Stummfilm häufig vorkommt). Sondern eher einen Schauplatz der Verheißung.

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