In der Figur des Elias liegen menschliches Trachten und göttliches Wirken im Widerstreit. Die Gewalt gegen Andersgläubige, um den einen Gott durchzusetzen, wird konfrontiert mit dem ganz Anderen - dem sanften Säuseln, das göttliche Präsenz verrät. Eine Aufführung von Felix Mendelssohn Bartholdys Oratorium lässt sich in diesen kriegerischen Zeiten denn auch rechtfertigen, wie das Konzert in der Mannheimer Heilig-Geist-Kirche zeigt.
Gleichwohl herrscht das Schwert in den Auseinandersetzungen der Israeliten mit den Anhängern Baals. Monotheismus und Gewalt sind in religionsgeschichtlicher Perspektive unauflöslich miteinander verknüpft, und Jesu Selbstauskunft, er sei nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert, steht in direktem Kontrast zum Gewaltverzicht am Kreuz. In dieser Spannung bewegt sich der alttestamentarische Prophet, der in Mendelssohns „Elias“ als Vorläufer Christi skizziert wird.
Elias’ Wundertaten, sein entschlossenes Setzen auf göttliches Eingreifen, aber auch sein erschöpfter Rückzug in die Wüste zeigen ihn als Menschen, der in seinem Glaubensfuror gleichsam anfechtbar wie begnadet erscheint. Die Aufführung durch den Motettenchor Mannheim und das Heidelberger Kantatenorchester tastet sich zu dieser von tiefem Gottvertrauen und vom Erleben eigenen Versagens aufgewühlten Seele des Propheten vor.
Gebet des Elias um Regen nach der Dürre hat Folgen
In gebotener dramatischer Form wird das Ringen um göttliche Erhörung, der Ruf nach dem Tod des Propheten oder die Vernichtung der Baal-Anbeter präsentiert. Doch der Chor schildert diese martialischen Szenen unter der Leitung Klaus Krämers durchaus nicht in schrillen Farben, sondern fast ein wenig pflichtschuldig; nichts soll beschönigt, aber auch nichts überzeichnet werden.
Von besonderem Gewicht sind die Chöre und Arien, in denen sich menschliches Sehnen in reuiger oder dankbarer Erkenntnis der göttlichen Fügung anvertraut. Das ist besonders in der Heilung des Jungen zu beobachten, die von Timothy Sharp in der Rolle des Elias und von Sabine Goetz als verzweifelte Mutter mit ausgeprägtem szenischen Ausdruck geschildert wird. Auch das Gebet des Elias um Regen nach der Dürre als Folge sündhafter Verfehlungen hat Folgen: Sie lässt sich als Befreiung aus einer Situation der Hoffnungslosigkeit und Aussichtslosigkeit erleben.
Vor allem in den Frauenlagen stark besetzt - Monika Wiegelmann, Judith Saile (beide Sopran) und Hannah Lachnit (Alt) übernehmen auch solistische Partien -, verleiht der mit gerade einmal knapp 40 Sängerinnen und Sängern ausgestattete Motettenchor diesem dramatischen und aufwühlenden Werk mit kräftigen und klar konturierten Stimmen Nachdruck. Das Heidelberger Kantatenorchester folgt der Textur dieses Dramas mit sicherem Empfinden für die schwankenden Bewegungsabläufe, und Bezirkskantor Klaus Krämer ist mit Blick auf den beträchtlichen Nachhall in Heilig-Geist auf moderate Tempi bedacht.
Neben Sabine Goetz (Sopran) und Timothy Sharp (Bass) sind Victoria Rieser (Alt) und Erik Grevenbrock-Reinhardt (Tenor) - er ist für den erkrankten Sebastian Hübner eingesprungen - als erlesene Vokalsolisten zu erleben. Besonders eindringlich etwa das Quartett „Wirf dein Anliegen auf den Herrn“ oder das Engel-Terzett „Hebe deine Augen auf“ sowie das Quartett „Heilig, heilig“, die in ihrer seligen Glaubenstiefe bewegen. Nach langer Dürre fällt endlich wieder Regen. Der Ausgang des Menschen aus der selbst verschuldeten Klimakrise ist geschafft - mit Hilfe von oben.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/kultur_artikel,-kultur-elias-drama-und-hoffnung-in-mendelssohns-oratorium-_arid,2253747.html