Filmfestival

Die Beiträge der Brüder Aki und Mika Kaurismäki beim Festival des deutschen Films

Die Gastbeiträge der Brüder Aki und Mika Kaurismäki beim Festival des deutschen Films könnten unterschiedlicher kaum sein. Der eine vervollständigt seine Proletarier-Trilogie, der andere setzt auf konventionelle Komödie

Von 
Martin Vögele
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Kunstsinnig: Alma Pöysti und Jussi Vatenen in „Leaves“. © Malla Hukkanen

Ludwigshafen. Er sei deprimiert, weil er so viel trinke, sagt Holappa. „Warum trinkst du dann?“, fragt sein Arbeitskollege Huotari. „Weil ich deprimiert bin.“ Ein Zirkelschluss, dem man durchaus auf den (Seelen-)Grund gehen könnte. Oder man meint, wie Huotari es tut: „Lass uns lieber über Fußball reden.“ So sind sie, die Protagonisten in Aki Kaurismäkis Film „Fallende Blätter“, der als finnischer Gastbeitrag beim Festival des deutschen Films in Ludwigshafen zu sehen ist und einen trefflich darüber sinnieren lassen kann, ob das nun eine sublime Komödie oder ein trübseliges Gesellschaftsporträt ist, in dem viele Menschen vornehmlich ins Leere starren. Nach „Schatten im Paradies“ (von 1986), „Abgebrannt in Helsinki“ (1988) und „Das Mädchen aus der Streichholzfabrik“ (1990) weitet der Film Kaurismäkis sogenannte „Proletarier-Trilogie“ zur Tetralogie aus.

Eine aus Betonstaub zaghaft wachsende Romanze

Weil er so viel trinkt, ist Holappa, gespielt von Jussi Vatenen, jedenfalls bald seine Arbeit los. Und die nächste Stelle auch. Aber er trifft, in einer Karaoke-Bar, Ansa (Alma Pöysti), die ihrerseits ihren Job bei einem Supermark verliert, nachdem sie dort ein abgelaufenes Sandwich mitgenommen hat. In kleinen, unbeholfenen Schritten bewegen sich die beiden - die lange ihre Namen nicht kennen werden - aufeinander zu und zwischenzeitlich auch wieder auseinander. Der Regisseur setzt diese wie aus Betonstaub zaghaft wachsende Romanze in einen wunderbar spröden, nahezu zeitlosen Handlungsraum, in den nur die wiederkehrenden aus den Transistorradios dringenden Nachrichten über die russischen Angriffe auf die Ukraine genauere Verortung zulassen.

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Jagd auf roten Ford Escort

Wo Aki Kaurismäki mithin eine kunstsinnig-karge zwischenmenschliche Studie entwirft, hat sein Bruder Mika Kaurismäki seinen Festival-Beitrag „Grump“ auf deutlich konventionellere Komödien-Füße gestellt. Auf Basis von Tuomas Kyrös Buchreihe erzählt er hier die Geschichte des alten, stets mit Pelzmütze bewehrten finnischen Bauern und mürrischen Grantlers Grump (Heikki Kinnunen).

Der baut einen Autounfall und findet sich im Krankenhaus wieder, wo er erbost feststellen muss, dass seine zwei Söhne (Ville Tiihonen und Iikka Forss) zwischenzeitlich den beschädigten roten 1972er Ford Escort haben verschrotten lassen. Grump zaudert nicht und startet eine Reise nach Deutschland, wo er das gleiche Fahrzeugmodell erwerben will. Erstmal wird ihm bei einem Raubüberfall allerdings sein Geldbündel entwendet, er erwacht in einer Hamburger Klinik, wo ihn Tarmo (Kari Väänänen) abholt, Grumps seit Jugendtagen entfremdeter Bruder.

Damit beginnt ein wendungsreicher Roadtrip, der - natürlich - zugleich eine Reise ins Innere der Protagonisten ist. Eine Reise, die sie mit unverwirklichten Träumen und der Verbitterung darüber konfrontiert, mit begangenen Fehlern, zu denen nie Stellung genommen wurde, und mit Unausgesprochenem, das endlich gesagt werden will.

„Grump“ fängt etwas plakativ an, gewinnt aber (buchstäblich) an Fahrt und Tiefe und endet schließlich in einem leichtherzigen Wohlfühl-Film-Finale, in dem sich alle Figuren-Schicksale glücklich ineinander fügen.

Freier Autor

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