Konzertkritik

Der Mannheimer Paul Gerlinger auf den Spuren von Dylan und Mey

Beim Heimspiel in der Alten Feuerwache überzeugt der Songwriter gesanglich und mit seinen melancholisch-zeitgemäßen Liedern

Von 
Gernot Lahr-Mische
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Der Mannheimer Singer-Songwriter Paul Gerlinger. © Lasse Krüger

Jetzt, in diesen komplett irrsinnigen Zeiten, in denen schon in manchen Blättern der endgültige Abgesang der alten Helden wie Dylan und der deutsch-poetisch-humanistischen Garde wie Mey und Wecker prophezeit wird, kommt ein junger Songwriter daher und bezieht sich mit seinen Mitteln genau auf die Woody-Guthrie-Epigonen und die „Burg Waldeck“-Fraktion.

Das innere Befinden ist die neue Maxime und der Mannheimer Songwriter Paul Gerlinger singt bei seinem Konzert in der Alten Feuerwache in „Frühling“: „Ich geh nach draußen, schnapp mir vorher mein’ Hut, setz mich ins grüne Gras und singe ein paar Zeilen, weil Musik von Mey und Dylan Früchte trug.“ Diese Früchte sind bei Gerlinger poetisierte Botschaften seines Zustandes, mit angerauter Stimme vorgetragene Songs, durchsetzt von Grundmelancholie. Fernab einer Idylle nimmt er durchaus die Außenwelt wahr.

Musikalisch eingekleidet mit dem besten Transportmittel der Schwermut, dem Cello (auch am Bass: Juliane Herzer-Santana), präsentiert der ehemalige Sänger des Indie-Pop-Duos Flourishless Lieder, die durchaus weiterhin den Indie-Pop streifen („Große Nummer“). Da greift er neben Daniel Mönig auch selbst zur E-Gitarre, spielt in „Gut allein“ auch mal einen Reggae, und all das wird durch die Prise Lakonie des 28-Jährigen zusammengehalten.

Man merkt, der Mann kennt seinen Blues, auch dieses Element taucht auf, ansonsten viele schöne Textmomente wie „Filterkaffee füllt das System, am Puls der Zeit drehen alle am Rad, nur das Rad dreht sich nicht.“ Aus seinem Poetenzimmer, in dem der nach eigenem Bekunden Bewunderer von Eugen Roth feststellt, dass „kein Tag vergeht, an dem die Welt nicht am Abgrund steht“ und hier eben „ein Glas Wein und Zigaretten“ jeden Abend retten können, kommt genau das notwendige Rüstzeug, mit dem Reinhard Mey sich schon vor über 50 Jahren des Nachts von uns verabschiedet hat.

Referenzen an Reinhard Mey und Co. als wohldosierte Zitate

Doch diese Referenzen sind kleine, wohl dosierte Zitate. Gerlinger hat in Mannheim seine alten und neue Freunde gefunden mit Sinn für ausgefeilte Arrangements, mit denen er gerade in den sentimentalen Momenten auch mal im langsamen Tango (Schlagzeug Enya Specht) in Tom-Waits-Manier seine Weltmüdigkeit zelebriert. Oder im Song „Spiegel“ ein von lyrischer Kraft ausgestattetes, zärtliches Liebeslied, das er, man staune, mit 16 schon geschrieben haben will. Irgendwo zwischen Niels Frevert und Element Of Crime wird der Mann mit dem Lockenkopf seinen Weg gehen. Es gibt noch so viele „Untold Stories“, wie er in einem Interview sagte. Man freut sich darauf, all das in Zukunft von dem Preisträger des Song Contest Baden-Württemberg 2016 zu hören.

Es gilt noch den Support David Gramberg zu erwähnen, der mit gänzlich anderer Stimme, aber ähnlichem Sujet durchaus auch zu überzeugen wusste und der mit dem Song „C’est la vie“ den Abend am besten zusammenfasste. Oder wie es Gerlinger nach der zweiten Zugabe vor seinem Publikum resümiert: „Danke, dass ihr den Liedermachern eine Chance gebt.“

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