Enjoy Jazz

Das Marcin Wasilewski Trio bei Enjoy Jazz: Fast wie Mozart

In Schwetzingen spielt das Marcin Wasilewski Trio im Rokokotheater. Die drei Musiker spielen schon seit 30 Jahren zusammen - und kommunizieren fast telepathisch miteinander

Von 
Dr. Hans-Guenter Fischer
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Das Zusammenspiel des Trios wirkt telepathisch. © Bartosz Maciejewsk

Schwetzingen. Dieses polnische Klaviertrio ist es gewohnt, weltweit in eher guten, repräsentativen Sälen aufzutreten. Aber der in Schwetzingen, wo es die diesjährigen Jazztage eröffnet, sticht nochmals heraus: das Rokokotheater. Was die Musiker zu schätzen wissen. Marcin Wasilewski, Pianist und Trio-Namensgeber, freut sich, dass in diesem Schloss bereits der Wunderknabe Mozart aufgetreten sei. Im Jahre 1863, schätzt er. Doch rasch flüstert ihm sein eigener Bassist - und alter Schulfreund - Slawomir Kurkiewicz zu, dass das Ereignis bereits 100 Jahre früher stattgefunden habe.

Es ist ja nicht so, dass sich das Marcin Wasilewski Trio nicht mit klassischer Musik auskennen würde, auch wenn Wasilewski sagt: „Mit Mozart wollen wir uns nicht vergleichen.“ Auf seiner zuletzt veröffentlichten Platte hat das Trio aber dafür Bach gespielt, die 25. Variation des „Goldberg“-Zyklus, ein Adagio-Stück in Moll, chromatisch zugespitzt, in seinem Tonfall fast schon chopinesk. Knapp 100 Jahre vor Chopin, dem großen Polen.

Balladen-Modus dominiert das erste Set des Abends in Schwetzingen

Wasilewski kennt sich nicht nur deswegen auch mit Klavierromantik aus. In Schwetzingen ist es ein Privileg für sich, in dem akustisch optimalen Umfeld seinem Anschlag nachzulauschen. Dieser Anschlag wäre eines Klassik-Pianisten würdig und gestattet herrlich atmende, gesangliche Phrasierungen, was selbstredend vor allem im Balladen-Modus deutlich wird. Der dominiert das erste Set des Abends.

Aber auch, wenn Wasilewski auf „Uptempo“ schaltet, zu furios-rasanten Läufen ansetzt, wirken diese nie gehämmert und gestemmt, sondern grazil. Forte oder sogar Fortissimo spielt Wasilewski äußerst selten. Wie er seinen Körperschwerpunkt immer wieder minimal verlagert und so seinen Zugriff auf die Tasten optimiert, ist dabei Teil der Anschlagskunst.

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Ganz nahe neben uns sitzt übrigens Tania Giannouli, sie ist gleichfalls Pianistin und wird ebenfalls bei Enjoy Jazz auftreten. Doch sie schaltet eher ab - oder vielmehr: ihr Smartphone an. Und das ist schon ein bisschen seltsam, denn bei Wasilewksis Trio ist man mit dem Zuhören voll ausgelastet. Das liegt auch an seinen Mitspielern, die man Vertraute nennen muss.

Michal Miskiewicz und Slawomir Kurkiewicz sind starke Mitspieler bei Enjoy Jazz

Besonders Schlagzeuger Michal Miskiewicz ist ein starker Gegenpart, der nicht bloß die Dynamik der Musik maßgeblich mitbestimmt. Er schafft es, jeden Trommelwirbel, jeden kleinen Beckenschlag ein wenig anders abzuschmecken und auf engstem Raum seine Akzente anzubringen. Slawomir Kurkiewicz ist am Kontrabass der ideale Mittler und Verbindungsmann. Die völlige Kontrolle hat er offenbar: In seinem ersten Solo schaut er auf das Notenpult, das vor ihm steht - als müsste jeder Ton nur noch vom Blatt gespielt werden. Und sei schon lange da.

Trio musiziert seit 30 Jahren zusammen

Ein „klassisches“ Gepräge hat der Auftritt also zweifellos, ein Jazzklaviertrio mit einer solchen Spielhaltung, die unverkennbar europäisch ist, schenkt seinem Publikum die wahrhaft „zeitgenössische“ Musik von heute. 30 Jahre gibt es Marcin Wasilewskis Dreierformation aus ziemlich allerbesten Freunden jetzt, die Aufnahmen waren zuletzt nicht mehr so zahlreich.

Doch das Schwetzinger Konzert beweist: Der „Flow“, der kreative Fluss des hier mal wirklich telepathisch wirkenden Zusammenspiels ist ungebrochen. Und wird hoffentlich noch lange strömen.

Freier Autor In Heidelberg geboren. Studium (unter anderem) der Germanistik. Promotion über Rainer Maria Rilke. Texte zu Literatur, Musik und Film.

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