Biberach. Christoph Martin Wieland (1733-1813) zählte zu den besthonorierten Schriftstellern seiner Zeit. Er war Professor, Prinzenerzieher, Autor, Übersetzer, Verleger, Herausgeber der Zeitschrift „Teutscher Merkur“. Von 1765 bis 1768 widmete er sich im Biberacher Gartenhaus seiner Dichtkunst. Geboren wurde er im schwäbischen Oberholzheim. Dort ist heute ein „Gedenkraum“ eingerichtet, der nach Vereinbarung besichtigt werden kann. Zu sehen gibt es Bilder, Schriftstücke, Kupferstiche und Wielands Totenmaske. Wenige Kilometer von Oberholzheim entfernt liegt Biberach an der Riß. Zu Wielands Zeit war der Ort Freie Reichsstadt, in der paritätisch alle Amtspersonen unter den Evangelischen und Katholiken geteilt wurden. Wie im Westfälischen Frieden vorgesehen, gab es zwei Bürgermeister und natürlich zwei Pfarrer.
Klug und wissbegierig war er und begann früh zu dichten
Einer davon war Christoph Martins Vater, der 1736 an die Simultankirche St. Martin berufen wurde, in der bis heute evangelische und katholische Gottesdienste stattfinden. In der Stadt, die am Flüsschen Riß liegt, wuchs Wieland heran. Äußerst klug und wissbegierig lernte er lesen und schreiben, dichtete mit fünf Jahren erste Verse und begann mit dem Lateinunterricht. Die Eltern ermöglichten ihm im 14. Lebensjahr eine Ausbildung im Internat Klosterbergen nahe Magdeburg. Philosophie, Mathematik, Philologie und Theologie standen im Lehrplan, Französisch lernte der Heranwachsende nebenbei und übte sich weiter in der Dichtkunst. Als er 15 wurde, wechselte er nach Erfurt, um Philosophie zu studieren, kehrte jedoch 1750 nach Biberach zurück, um sich nicht lange danach in Tübingen einem Jurastudium zu widmen.
Inzwischen war ihm, nach regem Briefaustausch, seine Cousine Marie Sophie persönlich begegnet. Wieland, gerade 17 und Sophie 20 Jahre alt, waren sofort voneinander angetan. An einem Sonntagmorgen im August 1750 verlobten sie sich. Doch das Liebesversprechen hatte keinen Bestand. Wieland zog, wie schon davor beabsichtigt, in die Schweiz. Johann Jakob Bodmer hatte ihn eingeladen. Er war Professor in Zürich, Förderer, Literaturkritiker und Lehrer für Wielands Schriftstellerei.
Streng soll Bodmer gewesen sein und Wieland zum gründlichen erlernen der englischen Sprache aufgefordert haben. Und tatsächlich sollte Wieland später der erste Übersetzer der Dramen Shakespeares auf Deutsch werden.
Die Braut fühlte sich von der Abwesenheit des Geliebten vernachlässigt, zumal dieser auf ihre Briefe nicht antwortete. Aber Wieland hatte die Post in der Schweiz gar nicht oder zu spät erhalten. Dann kam ein weiteres Schreiben bei ihm in der Schweiz an - der Abschiedsbrief seiner Verlobten.
Wielands Seele schmerzte. Aber er wünschte Sophie auch Glück und blieb ein Leben lang mit der liebevollen und geistreichen Frau verbunden. Im Dezember 1753 heiratet sie den geheimen Staatsrat Georg Michael La Roche. Als Sophie von La Roche (ihr Gatte wurde später geadelt) ging sie in die Weltliteratur ein. Ihr erfolgreicher Bildungsroman „Die Geschichte des Fräulein von Sternheim“ gab niemand anderer als Wieland heraus, der nicht nur ein eifriger, wegen seiner erotischen Verserzählungen auch umstrittener Schriftsteller, sondern auch tüchtiger Verleger geworden war. Und über ihre Tochter Maximiliane wurde Sophie von La Roche Großmutter der Geschwisterdichter Clemens Brentano und Bettina von Arnim.
Sieben Jahre später kehrte Wieland, noch ledig, nach Biberach zurück. 1760 nahm er die Stelle als Kanzleiverwalter an. Die historische Staatskanzlei ist längst verschwunden. Nur eine Informationstafel in der Fußgängerzone erinnert noch an seinen Wohn- und Arbeitsplatz. Trotz der „muffigen Papiere“ war Wieland auch dort produktiv. Er übersetzte 22 Dramen Shakespeares, inszenierte Schauspiele und pflegte weiterhin den Briefwechsel mit Sophie. Im März 1761 schrieb er an seine Jugendliebe nach Mainz: „Vielleicht wird mich Ihre Gegenwart wieder ein wenig beleben, die Betrachtung der Schönheit Ihres Herzens, die uns anderen Menschen dieser irdischen Welt ein so engelhaftes Gesicht zeigt, das ich ununterbrochen drei Tage und drei Nächte ohne Essen, Trinken und Schlafen anschauen könnte - dieser Anblick, sage ich - macht mich oft selig. Vielleicht können Sie mir meinen Geist zurückgeben; aber wer gibt mir mein Herz zurück?“ Ein paar Monate später konnte er es verschenken. Er verliebte sich in eine Sängerin, die er wegen Konfessionsunterschieden aber nicht heiraten durfte, obwohl sie ihm eine Tochter gebar, die alsbald versterben sollte.
Arbeitsort am Stadtrand mit schönem Ausblick
Wieland, der heiter und in seinen Schriften gerne frivol war, wollte der Sinnlichkeit nicht länger widerstehen. „Ich möchte in den nächsten 12 Monaten gerne eine Frau nehmen“, bekannte er. 1765 traute ihn sein Vater mit Anna Dorothea von Hillenbrand, die Sophie von La Roche und seine Mutter für ihn ausgesucht hatten. Sie war 19, er 32 Jahre alt. Die Ehe wurde glücklich, auch wenn Wieland anfangs nicht die schönste Partnerin in ihr sah. Die Eheringe sind in Wielands Gartenhaus ausgestellt. Sie brachte vierzehn Kinder zur Welt, leitete den Haushalt und sorgte dafür, dass er Freiraum für seine dichterischen Arbeiten hatte. Wieland wiederum galt als froher und liebevoller Vater.
Im Gartenhaus informieren einige Texte darüber, überhaupt ist darin das Leben Wielands schön und poetisch erläutert. In Schaukästen liegen Handschriften und Bücher; Tintenfass und Schreibfedern geben einen Eindruck aus Wielands Zeit.
1765 hatte er das oberste Stockwerk des kleinen Hauses am Stadtrand gemietet, um in Ruhe seiner Dichtkunst nachgehen zu können. Damit eiferte er dem Landleben-Ideal des römischen Dichters Horaz nach: „Mein höchster Wunsch war einst ein kleines Feld, ein Garten, eine Quelle nah am Haus und etwas Wald dazu. Die Götter haben mehr und besseres mir gegeben“, schrieb er. Als Wieland hier arbeitete, musste er, wie die Besucher heute, über die schmale, steile Treppe nach oben steigen. Wenn er durch eines der Fenster sah, blickte er auf das Flüsschen Riß, dessen Verlauf heute durch einen Kiesweg markiert ist. Noch immer ist der Ausblick schön.
Rückseitig hat man einen hübschen Park vor Augen. Vor dem gelb gestrichenen Haus ist eine kleine Wiese, und ein Weg führt zur groben alten Haustüre. Doch die Lebensstationen Wielands und seiner Familie endeten nicht in Biberach. Er folgt weiteren Berufungen und stirbt 1813 in Weimar.
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