Interview

Bei "Pop im Quadrat" in Mannheim rappt Nora OG im Stil von Seeed

Vor ihrem Auftritt am 1. Oktober auf den Mannheimer Kapuzinerplanken erklärt die Popakademikerin, warum sie ihre Haare abrasiert hat, weshalb Reggae ihren Rap-Stil beeinflusst und was ihr Pippi Langstrumpf und Harry Potter bedeuten

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Kombiniert taffe Texte mit Seeed-artigen Dancelhall-Reggae-Beats: Popakademikerin Nora OG. © Capadol

Mannheim. Nora OG, Sie treten am 1. Oktober bei Pop im Quadrat auf den Kapuzinerplanken auf. Können Sie versprechen, dass Ihre sonnigen Reggaeton-Beats im Dancehall-Stil von Seeed die angekündigten Regenwolken in Schach halten?

Nora OG: Gute Frage. Ich habe da eine gute Prophezeiung und immer einen Wetterfrosch am Start, der mich unterstützt. Aber im Ernst: Ich hoffe natürlich, dass das Wetter gut sein wird und wir eine gute Zeit haben werden. Ich bin da eigentlich optimistisch: Im Regen zu tanzen hat doch auch seinen Charme, oder?

Nora OG rappt und singt mit Band bei der Premiere von „Pop im Quadrat“ am Samstag


  • Nora OG wurde 1994 in Unna als Nora Seidel geboren und wuchs in Holzwickede vor den Toren Dortmunds auf. Das Talent der Sängerin und Rapperin wurde schon in der Schule entdeckt und gefördert.
  • Nach dem Abitur 2013 entschied sie sich 2015 für die Musik und machte bis 2019 den Bachelor in Popgesang in Osnabrück. Ab 2019 folgte der Master an der Popakademie. In Ihrer Mannheimer Zeit entstand auch Nora OGs Debütalbum „13“, das bei allen gängigen Streaming- und Download-Plattformen verfügbar ist.
  • Letzte Woche spielte Nora OG noch auf dem renommierten Reeperbahnfestival, schon ist die Rapperin und Sängerin mit ihrer fünfköpfigen Band live zu sehen am Samstag, 1. Oktober 16 bis 17 Uhr bei „Pop im Quadrat“ auf den Mannheimer Kapuzinerplanken.

Wie kommen Sie als Dortmunder Stadtkind zu dieser karibisch grundierten Musik? Erfolgreiche Rapperinnen gibt es inzwischen auch hierzulande ja viele. Frauen, die dazu Raggamuffin-mäßig ihre Stimme rollen lassen, sind viel rarer …

Nora OG: Meine Eltern haben immer schon Reggae gehört. Als Jugendliche war ich natürlich sturköpfig und habe was ganz anderes aufgelegt, was vor allem mein Papa gar nicht mochte: viel harten, deutschen Rap. Aber irgendwann habe ich gemerkt: Dadurch dass ich mit Reggae-Songs aufgewachsen bin und immer damit zu tun hatte, möchte ich diese Einflüsse gern in meine Musik einbeziehen. Bei einem großen Konzert, bei dem wir diese Songs zum ersten Mal aufgeführt haben, war dann klar: Das ist genau das, wo ich hin will. Und dass das genau das Unique für mich ist, was man ja immer gern haben möchte.

Das Rappen soll für Sie so eine Art Flucht davor gewesen sein, seit Schulzeiten immer als Sängerin vom Dienst zu fungieren. Dabei singen Sie doch gut und ziemlich charakteristisch…

Nora OG: Flucht ist auch das falsche Wort. Ich habe nur gemerkt, dass Gesang irgendwann nicht mehr alles war. Dass ich mehr brauche in meiner Musik, auch mehr Abwechslung für mich und meine Vocals. Mit 14 habe ich dann angefangen, meine eigenen Rap-Songs zu schreiben, selber zu rappen und mich da auch zu Hause gefühlt. Ich schließe keine der beiden Richtungen aus. Und ich habe den Rap so krass gefühlt, dadurch dass dann auch der Reggae immer mehr dazugekommen ist. So hat das Rappen schließlich überhand genommen.

Ungewöhnliche Frage fürs Feuilleton: Wie ist der Stand Ihrer Frisur?

Nora OG: Die ist auf 9 Millimeter runterrasiert.

Sie haben sich die Haare radikal kurz geschnitten, um weibliche Selbstermächtigung zu demonstrieren. Hat das funktioniert - für Sie selbst und nach außen?

Nora OG: Ich muss dazu sagen: Ich hatte unfassbare Angst davor, mir die Haare abzurasieren. Währenddessen war ich wie weggetreten, eine ganz krasse körperliche Erfahrung. Ich hatte natürlich auch Angst davor, nicht mehr attraktiv zu sein. Das sind einfach Ängste, die da waren. Es gibt nun mal ein Schönheitsideal. Aber als ich mich hinterher im Spiegel angeschaut habe, habe ich mich so gut gefühlt - einfach saustark. Ich habe mich so gefühlt, als wäre ich hundertprozentig ich. Und ich habe nicht ein schlechtes Feedback zu den Haaren bekommen. Ich hoffe, dass ich damit vielen anderen Frauen Selbstvertrauen geben konnte. Viele haben jedenfalls gesagt, dass sie das auch machen wollen. Das hat mir noch einmal einen Schub gegeben, noch mehr ich selbst zu sein. Und Leute, die mich wegen meiner Haare nicht feiern, die sind eh raus.

Bewegt es Sie deshalb besonders, dass Frauen im Iran ihre Haare öffentlich abschneiden - aus Protest gegen den Tod von Mahsa Amiri im Gewahrsam der Sittenpolizei?

Nora OG: Wenn eine Frau sich die Haare abrasiert aus Protest oder aufgrund eines solchen Falles, ist das für mich immer richtig krass bewegend. Weil ich weiß, was die Frau durchmacht in dem Moment. Ich habe auch mit Frauen darüber gesprochen, warum sie sich die Haare abgeschnitten haben. Ich sehe, dass alle davor Angst gehabt haben und dass es währenddessen auch unfassbar wehtut. Aber es zeigt sich auch, dass sie immer stärker aus dieser Situation herausgehen.

OG steht normalerweise für Original Gangster. Tatsächlich reproduzieren Sie mit „dicken Eierstöcken“ auch einige Macho-Klischees aus dem Straßenrap. Braucht es das, um die männliche Dominanz in Ihrem Genre aufzubrechen?

Nora OG: Ich spiele gern mit Stereotypen. Das ist natürlich auch provokant auf eine gewisse Art. Ich versuche dann aber solche Klischees zu brechen. Wir müssen uns als Frauen nichts vormachen. Es ist klar, dass man als Frau viel mehr kämpfen muss als manche Männer in der Musikszene. Das ist einfach so. Das ist eine Methode von mir, etwas Kante zu zeigen. Haltung zu zeigen und provokant zu sein.

Ihr Debütalbum „13“ strotzt nur so vor hitverdächtigen Nummern. Ich frage mich, warum die nicht noch erfolgreicher sind. Könnte es daran liegen, dass viele Ihrer witzigen Anspielungen auf Themen um Pippi Langstrumpf, Harry Potter, Dschungelbuch, dem Film „Inception“ oder dem Spiel „Monopoly“ schlicht zu alt für Ihre musikalische Zielgruppe sind?

Nora OG: Ich fühle mich gerade ein bisschen alt an dieser Stelle (lacht). Mit Pippi L. bin ich selbst aufgewachsen. Die war halt für mich eine starke Frau, deshalb habe ich sie rausgepickt, weil ich mir von ihr viel abgeguckt habe. Und Harry Potter war für mich eine ganz magische Welt, in die ich mich oft zurückgezogen habe. Das sind Themen aus meinem Leben, die ich aufgegriffen habe, weil sie mich beeinflusst haben. Monopoly habe ich früher viel mit meinen Großeltern gespielt. Aber das Lied zielt natürlich auch etwas gegen den Kapitalismus- auf eine ironische, lustige Art. Ich treibe immer irgendwelche witzigen Bilder auf. Aber das hat dann doch oft eine tiefgründige Message.

Sie haben in Osnabrück Popgesang mit dem Bachelor abgeschlossen und den Master an der Mannheimer Popakademie draufgesetzt. Was hat Ihnen das Studium in der Quadratestadt gebracht?

Nora OG: Damals habe ich den Master angefangen, weil ich noch nicht wusste, wohin mit mir. Ich wollte einfach mein Studium verlängern. Den Status länger genießen. Ich wusste, dass die Popakademie auf jeden Fall ein Netzwerk bringen kann, was die Szene angeht. Ich habe auch meine Band beim Studium gefunden. Im Endeffekt habe ich viel mitgenommen aus der Zeit, weil ich mir als Künstlerin eine Haltung aufgebaut habe: Was will ich als Künstlerin eigentlich sagen, wofür stehe ich? Da hat sich immer mehr heraus kristallisiert, dass ich mich für Frauen stark machen möchte, für Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern stehe und für alles in diesem Kontext kämpfe, auch in meiner Musik.

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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