Mannheim. Ihr Atelier ist richtig schön: gemütlich im Eingangsbereich, mit Sitzecke und Kaffeelaune, aber dann weitet es sich und bietet richtig viel Platz - und für eine Malerin wichtig: sehr gutes indirektes Licht von zwei Seiten! Schon seit zehn Jahren hat die Künstlerin dieses Atelier, seit 2018 erhält sie auch Atelierförderung der Stadt Mannheim. Bekannt wurde Kathleen Knauer mit ihren kräftigen Splashs, rein gestisch entstandenen Farbexplosionen, die natürlich an den abstrakten Expressionismus denken lassen, an die lange Geschichte seit Jackson Pollock über das Informel mit K.O. Götz. Aber letztendlich sind sie sehr heutig, sehr frei und dennoch kalkuliert, auf großen Formaten. Aber wie kam es zu alledem? Fragen, die wir der Künstlerin natürlich stellen müssen!
Aufgewachsen ist Kathleen Knauer in Thüringen, auf einem Bauernhof in einem kleinen Dorf (Kamsdorf), „das letzte Haus, danach nur Wiese und Wald, es ist sehr schön dort“, so die Künstlerin. „Das alte Bauernhaus, seit hunderten von Jahren im Besitz meiner Familie, die Großeltern waren Bauern, wir sind mit ganz vielen Tieren aufgewachsen, viele Hühner, Schweine und Hasen, aber auch tiefste DDR, alles Grau in Grau...“
In der Nähe lag die Maxhütte, ein Stahlwerk, in dem ihr Vater als Elektriker arbeitete. „Es lag immer eine schwarzrosa Wolke über Kamsdorf“, erinnert sich die Künstlerin. Der Ort liegt nur 30 Minuten von Franken entfernt, weshalb sie mit neun Jahren 1990 das erste Mal im Westen war. „Ich war total fasziniert, wie bunt das ist im Westen, im Supermarkt, totale Reizüberflutung, und das hat alles unglaublich gut gerochen“, erinnert sie sich.
Kathleen Knauer
- 1981 geboren in Saalfeld/Thüringen, 2006-2010 Studium Freie Bildende Kunst (bei Barbara Hindahl, Brigitte Stahl, Konstantin Voit, Michael Witlatischil) an der Freien Kunstakademie Mannheim (FKAM).
- Ab 2003 bis heute unternimmt sie zahlreiche Reisen nach Brasilien, Nordpolarkreis, Malediven, Nordafrika, Europa, USA, Barbados u.a.m.
- Seit 2010 lebt und arbeitet Kathleen Knauer in Mannheim. Seit 2018 ist sie Dozentin an der FKAM, seit 07/2021 Prorektorin an der FKAM.
- Seit 2010 hatte sie viele Einzel- und Gruppenausstelllungen in Düsseldorf, Heidelberg, Karlsruhe, Mannheim, New York City, Schwetzingen, Metz, Wien, Worms u. a.
- Seit 2021 ist sie Teil der Künstlergruppe die KUNSTPIRATIVEN. Ihr Unterrichtsfach an der FKAM ist Materialkunde. Dort und in Kursen erläutert Knauer wie Farben hergestellt werden, aus welchen Naturstoffen oder künstlichen Substanzen sie bestehen und wie Malgründe richtig vorbereitet werden.
Zu eng, zu wenig Horizont
„In meiner Kindheit gab es keine Farben! Alles war in Naturfarben, Grau, Braun und Gelb, das kannst du dir heute überhaupt nicht mehr vorstellen, alles war anders, es war einfach ein anderes Land“, so beschreibt es Kathleen Knauer. Aber ihre Großmutter förderte ihr malerisches Talent und so zog sie mit 16 in eine Frauen-WG nach Jena, von dort nach Bayern, das nächste Ziel war Heidelberg, da war dann schon klar, dass sie Kunst studieren will.
2006 kam Knauer dann an die Freie Kunstakademie Mannheim (FKAM), wo sie alles in sich aufsog. Sie beherrschte damals schon die Wiedergabe alles Gegenständlichen wie Porträt, Figur und Akt, aber die Dozentin Brigitte Stahl ermutigte sie, die malerische Geste mit dem abstrakten Farbraum zu verbinden.
Auch Michael Witlatschil ermunterte sie, in diese Richtung zu gehen. Zudem begann sie zu reisen, war an vielen Orten auf der Welt, etwa Brasilien, Nordpolarkreis, Malediven, Nordafrika, Europa, USA, zuletzt Barbados.
Die alten Techniken
Nach dem Studienabschluss 2010 begann die Künstlerin, sich ernsthaft und tief mit den Farben zu beschäftigen: Vom Mittelalter bis heute wurden so viele verschiedene Stoffe entwickelt und erforscht und Kathleen Knauer ist eine Forscherin! Die Naturmaterialien, die sie inspirieren, die Strukturen, Oberflächen, die Lichtverhältnisse, das ist heute ihre Welt. Aber auch die alten Techniken: Wer weiß heute noch, wie ein Kreidegrund herstellt wird und wozu er überhaupt gut ist? Oder wie man Aquarellpapier glatt bekommt?
Sie klebt etwa ein Stück saugfähiges Papier mit ganz dünnem Kleister auf eine Pappelholzplatte - so hat sie es etwa auf Usedom gemacht, wo sie jeden Morgen am Meer war. Dabei sind wundervolle Aquarelle entstanden, altmeisterlich und ganz heutig. Immer wieder dieselbe Position, aber die Farben am Meer verändern sich ständig, Kobaltblau, Türkis, Ultramarin, Grün, weiße Gischt...
„Ich muss immer wieder ans Meer, ich liebe das Meer und die Freiheit!“, so die Künstlerin. „Und das geniale Licht am Meer, ich verstehe Turner so gut!“ Sie weiß jetzt sehr viel über die natürlichen Stoffe, aus denen Farben entstehen, wie man sie reibt, wie man sie mit einem Lösungsmittel bindet und was sie für eine Wirkung entfalten. Hasenleim, aufgelöst, „und aus der schlechtesten Leinwand kannst du so das Beste rausholen, Champagnerkreide und Weiß darauf streichen, wieder trocknen, schleifen, alles ein großer Aufwand, der sich aber absolut lohnt“, so die Künstlerin.
Schönheit und Wissen, Freiheit und Offenheit, das zeichnet das Werk von Kathleen Knauer aus und wir dürfen gespannt sein, was noch kommt!
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