„Es gibt Irish Folk und Kletzmer Konzerte“, sagte Sänger Michael Zachcial, „die sind meist sehr gut besucht. Aber beim Begriff ,Volkslieder Festival’, da stellen sich viele Fragen. Irgendwas ist da in Unordnung geraten!“ Um hier eine Ordnung wieder herzustellen und das sich aus Jahrhunderten speisende Liedgut vor der dumpf nationalistisch lauernden Vereinnahmung zu bewahren, kam bei diesem musikalisch hochkarätigem „Volkslieder Festival“ im Mannheimer Capitol unter anderem die Loreley des Exilanten Heinrich Heine zu Gehör und auch Friedrich Schillers „Ode an die Freude“ wurde gefeiert.
Doch bevor das Quartett „Die Grenzgänger“ aus Bremen mit Akkordeon, Cello und Gitarren ihre Liedersammlung – ordentlich swingend, zum Teil gar chansonhaft und zuweilen in der Betonung an Franz Josef Degenhardt erinnernd – präsentierten, eröffnete das Duo Gurdrun Walther und Jürgen Treyz das Festival.
Der Gitarrist sowie die Sängerin und Geigerin klangen natürlich intimer, weniger illustrativer als das Ensemble aus dem Norden, dafür umso betörender. „Wie schön blüht uns der Maien“ bekam durch die Phrasierung von Walther eine leicht irische Färbung.
Elfenhaft anmutender Gesang
Vermittelt wurde bei dem Festival zudem: Volksmusik ist auch enorme Archivarbeit. Da wurde unter anderem die über 250 Jahre alte „Dahlhoff Sammlung“ bemüht und das sich seltsam anhörende Notenbuch des um das Jahr 1823 in Pommern ansässigen Bauern und Musikers „Onkel Ewert.“ So bewies das Konzert außerdem, dass Volksmusik vornehmlich Ausdruck ihrer Zeit ist, die die behutsame Modernisierung durch die Beteiligten im Capitol sehr gut vertrug.
Die aus Halle an der Saale stammende Gruppe „Bube, Dame, König“ konnte mittels Drehleier, Gitarre und dem elfenhaft anmutigen Gesang von Juliane Weinelt dem Norddeutschen „Dat du min Leevsten büst“, oder der bekannten Geschichte der „Zwei Königskinder“ eine gewisse Zartheit geben.
Alle drei Formationen sind akustische Kartographen eines Liedgutes, das sich nicht vereinnahmen lassen will und nicht nur aus seiner Zeit heraus spricht. Dass manche Lieder auch heute noch Aktualität haben, manifestierte sich beim gemeinsamen Finale aller Musiker, die im Verbund mit dem Publikum anrührend „Die Gedanken sind frei“ intonierten.
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