Energie

EU-Parlament: Atomkraft gut fürs Klima

Abgeordnete entscheiden mit deutlicher Mehrheit, Investitionen in bestimmte Nuklear- und Gasanlagen als umweltfreundlich einzustufen und somit zu begünstigen

Von 
dpa
Lesedauer: 

Straßburg. Trotz scharfer Kritik von Umweltschützern hat sich im Europaparlament eine Mehrheit hinter den Plan gestellt, Investitionen in bestimmte Gas- und Atomkraftwerke als klimafreundlich einzustufen. Im Plenum in Straßburg stimmten am Mittwoch lediglich 278 Abgeordnete für einen Antrag zur Ablehnung des Öko-Label-Vorhabens, erforderlich wären 353 gewesen. Entscheidend waren die Stimmen der Christdemokraten, Liberalen und Rechtskonservativen, die mehrheitlich dagegen votierten.

Umweltschützer und Unterstützer des Ablehnungsantrags äußerten sich zutiefst enttäuscht über das Abstimmungsergebnis. Der sozialdemokratische Europaabgeordnete Joachim Schuster sprach von einem „Rückschlag für den Klima- und Umweltschutz in Europa“. Der Grüne Michael Bloss kommentierte: „Heute ist ein trauriger Tag für die europäische Energiewende.“

Die Klimaschutzbewegung Fridays For Future teilte mit, Milliarden Euro flössen nun in neue Gasinfrastruktur und Atomkraftwerke, statt in den Ausbau von Windkraft und Solar. „Ein harter Tag für alle, die sich nach einer sichereren und nachhaltigen Welt sehnen“, so die deutsche Aktivistin Luisa Neubauer.

Bundesregierung distanziert sich

Der Sprecher der deutschen Bundesregierungssprecher Steffen Hebestreit, teilte mit: „Ungeachtet des Abstimmungsergebnisses bleibt die Bundesregierung bei ihrer Position und betrachtet Kernenergie als nicht nachhaltig.“ Er machte jedoch keine Angaben dazu, ob der Bundesregierung eine Lösung ohne Gas und Kernkraft lieber gewesen wäre als eine mit beiden Energiequellen.

Gegner kündigten zudem umgehend an, gegen den Rechtsakt vor dem Europäischen Gerichtshof klagen zu wollen. Die Regierungen der EU-Staaten Österreich und Luxemburg hatten einen solchen Schritt für den Fall eines Scheiterns der Parlamentsabstimmung bereits Anfang des Jahres in Aussicht gestellt und bekräftigten am Mittwoch ihre Pläne. Linken-Chef Martin Schirdewan forderte die Bundesregierung auf, eine Klage zu unterstützen.

Konkret ging es bei dem Votum im Parlament um einen ergänzenden Rechtsakt zur sogenannten Taxonomie der EU. Sie ist ein Klassifikationssystem, das private Investitionen in nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten lenken und so den Kampf gegen den Klimawandel unterstützen soll. Für Unternehmen ist es relevant, weil es die Investitionsentscheidungen von Anlegern beeinflussen und etwa Auswirkungen auf Finanzierungskosten von Projekten haben könnte. Investoren sollen zudem in die Lage versetzt werden, Investitionen in klimaschädliche Wirtschaftsbereiche zu vermeiden.

Weitere Kriterien festgelegt

In einem ersten Schritt war bereits im vergangenen Jahr entschieden worden, die Stromproduktion mit Solarpaneelen, Wasserkraft oder Windkraft als klimafreundlich einzustufen. Zudem wurden Kriterien für zahlreiche andere Wirtschaftsbereiche festgelegt. Sie regeln beispielsweise, dass der Personen- und der Güterzugverkehr künftig ohne direkte CO2-Abgasemissionen als klimafreundlich eingestuft werden können.

Unter dem Druck einiger Mitgliedstaaten schlug die für Gesetzesvorschläge zuständige EU-Kommission dann Ende vergangenen Jahres zusätzlich vor, auch Investitionen in Gas- und Atomkraftwerke unter bestimmten Bedingungen als klimafreundlich einzustufen. Eine entscheidende Rolle spielte dabei Frankreich, das in der Atomkraft eine Schlüsseltechnologie für eine CO2-freie Wirtschaft sieht und die Technik gerne auch weiter in andere Länder exportieren will. Deutschland setzte sich im Gegenzug für ein grünes Label für Gas als Übergangstechnologie ein. dpa

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen