Kommentar Comeback der Kohle

Der Staat will die erneuerbaren Energien ausbauen und gleichzeitig wieder mehr Kohle einsetzen. Das ist ein gewollter Widerspruch, der in diesen verrückten Zeiten alternativlos ist, kommentiert Walter Serif.

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Walter Serif
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Willkommen in der Wirklichkeit! Die Persönlichkeitsspaltung von Wirtschaftsminister Robert Habeck alias Dr. Jekyll ist nicht krankhaft, er braucht Mr. Hyde, weil die Welt seit dem Ukraine-Krieg verrückt spielt. Nur so lässt es sich erklären, dass das Parlament zwei Gesetze beschlossen hat, die sich krass widersprechen. Mit dem Ökopaket soll der Ausbau der erneuerbaren Energien endlich wieder Tempo aufnehmen. Mit dem Energiesicherungsgesetz feiert die schmutzige Kohle ein Comeback. Sie soll die Gaskraftwerke verdrängen, ein – so Habeck – „klimapolitischer Rückschritt“. Sein Parteifreund Winfried Kretschmann drückt es so aus: „Wenn es brennt, fragt man ja auch nicht, woher das Löschwasser kommt, sondern löscht.“

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Es ist beeindruckend, wie pragmatisch die Grünen mit der Zeitenwende auf dem Energie-Markt umgehen. Mit Zustimmung ihrer Koalitionspartner FDP und SPD setzen sie illusionslos um, was gemacht werden muss. In gewöhnlichen Zeiten würde man die Gesetze als Quadratur des Kreises abqualifizieren. Jetzt sind sie, gerade weil sie sich widersprechen müssen, alternativlos. Wir brauchen mehr Windräder und mehr Kohle. Mit dem Unterschied, dass sich Windräder auch in ferner Zukunft drehen sollen, die Kohle aber keine Minute länger als nötig eingesetzt werden darf.

Der „klimapolitische Rückschritt“ könnte aber für eine Kommune wie Mannheim ein gewaltiger sein. Die Stadt ist Mehrheitsaktionär beim Energieversorger MVV und hält damit auch Anteile an Deutschlands größtem Steinkohlekraftwerk. Das Grosskraftwerk Mannheim (GKM) darf darauf hoffen, dass Block 7 wieder im Normalbetrieb laufen kann. Bei der Stadt und der MVV ist die Interessenlage dagegen eine andere. Mannheim ist – wie Heidelberg – eine der 100 Modellstädte in der EU, die bis 2030 klimaneutral werden wollen. Nach den Beschlüssen in Berlin liegt es auf der Hand, dass das GKM in der Klimarechnung eine unkalkulierbare Variable ist. Andererseits muss die Stadt natürlich vorrangig an die Versorgungssicherheit denken. Denn wir leben im Jetzt. Und dazu gehört es auch, dass die Preise brutal steigen würden, falls Putin den Gashahn wirklich abdreht. Deshalb der Schutzschirm. Er schützt die Energieversorger, die Stadtwerke und die Kommunen. Am Ende werden aber auch wir zur Kasse gebeten. Als Steuerzahler und Energieverbraucher. Die Last soll – wie es heißt – gerechter verteilt werden. Es wäre ein Wunder, wenn das ohne Verteilungskämpfe ablaufen würde.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft