Schneeflöckchen – Weißröckchen

Es war schon fast etwas kitschig, aber just zum Auftakt einer Pressereise von Allgäu Tourismus zu den Weihnachtsmärkten in Mindelheim, Kaufbeuren und Leutkirch schneite es zwei Tage lang ununterbrochen. Das passte prima zur Stimmung dieser eher stillen un

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Advent – das ist eigentlich eher die stille Zeit des Jahres, die Zeit der Ruhe und der Nostalgie. In den Städten im Unter- und Westallgäu, die idyllisch in der Hügellandschaft eingebettet sind und von denen aus manchmal auch schon die hohen Berge sieht, verdichtet sich der Advent ganz besonders, fernab vom Trubel großer Weihnachtsmärkte. Dafür besinnt man sich alter Traditionen. Davon konnten sich zehn Journalisten in Mindelheim, Kaufbeuren und Leutkirche überzeugen. Und sie haben gleich noch ein paar echte Charakterköpfe kennengelernt. Den Leutkircher Bierbrauer Gottfried Härle beispielsweise, der einst durch drei Instanzen vor Gericht zog, weil er sich den Begriff „bekömmlich“ auf seinem Bier nicht verbieten lassen wollte. Die Härles sind seit 1896 Brauer, lassen ihren 13 verschiedenen Biersorten vim historischen Backsteinbau mitten in der Stadt viel Reifezeit, haben mit dem Seezüngle noch eine Limo kreiert, die es im Allgäu und am Bodensee überall gibt. Und weil der streitbare Unternehmer, der seit über 20 Jahren für die Grünen im Stadtrat sitzt, keine eigenen Kinder hat, übergibt er seine Brauerei jetzt Stück für Stück an die Tochter seiner Nachbarn.

Das älteste Jesuskind

400 Jahre ist es her, dass die Jesuiten die erste Krippe in ihrer Kirche in Mindelheim aufgestellt haben. Noch heute sind dort alljährlich diese 80, jeweils einen Meter hohen Figuren zu sehen. Sie werden jetzt in der Adventszeit nach und nach aufgestellt – eben so wie es in der Weihnachtsgeschichte aufgeschrieben steht. Aber im Schwäbischen Krippenmuseum gleich um die Ecke gibt es noch ganz andere Schätze. So etwa das wohl älteste Christkind der Welt. Das sogenannte „Haushältere“ stammt gesichert aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Den lustigen Namen erhielt die Figur, weil es durch ein Wunder für ausreichend Brot im Kloster bei den Franziskanerinnen gesorgt haben soll. Aber das ist nur ein Objekt in dem toll aufgemachten Museum. Die Bedeutung der Krippen, deren Entwicklungen und die berühmtesten Figurenschnitzer und Hersteller werden hier vorgestellt und mit vielen Beispielen gezeigt. In einer weiteren Ausstellung sind auch Krippen aus Privathaushalten zu sehen – oft mit aufwendigen Landschaften ausgestattet. Der Mindel-heimer Weihnachtsmarkt kann sich ebenfalls sehen lassen. Direkt auf dem Marienplatz zwischen dem Rathaus und dem historischen Hotel Alte Post wird die Budenstadt jeweils am zweiten und dritten Adventswochenende von Donnerstag bis Sonntag aufgebaut.

Der größte echte Adventskranz

Das knapp zehn Kilometer entfernte Kaufbeuren ist stolz auf den größten echten Adventskranz mit gut 13 Metern Durchmesser und 1,50 Meter hohen echten Kerzen. Wenn der Duft von frisch gebrannten Mandeln, Waffeln und Glühwein oder Feuerwurst (mit Tzaziki und Zwiebeln probieren!) über den Kirchplatz von Sankt Martin strömt, dann locken nicht nur kulinarische Genüsse in die Gassen der Altstadt, sondern auch die vielen kunsthandwerklichen Schätze. Kaufbeuren gilt ja als Schmuckstadt, im Ortsteil Neugablonz haben sich nach dem Zweiten Weltkrieg Sudentendeuschte aus Gablonz angesiedelt und die Gemeinde zum Modeschmuck-Metropole Deutschlands gemacht. In der Goldschmiede von Lina und Benjamin werden Kurse angeboten, bei denen man einen Anhänger selbst anfertigen kann. Benjamin schmiedet übrigens auch tolle Messer. Der Stand von Hans Walter auf dem Weihnachtsmarkt ist für die einen Kitsch, für andere Kunst: Kleine Welten, ob Flamingos am Palmenstrand oder das Christkind im Schnee, sind in Schneekugeln untergebracht. Walter & Prediger ist eine der zwei Firmen in Deutschland, die heute noch Schneekugeln herstellen. Ein echtes Sammelobjekt, denn jedes Jahr gibt es eine neue Kugel, in der es rieselt, wie an diesem Abend auf dem ganzen Weihnachtsmarkt, der noch bis 22. Dezember geöffnet ist.

Dieses Jahr stand erstmals ein beleuchteter Nachwächter neben der kleinen Bühne auf dem Kaufbeurener Weihnachtsmarkt. Die Nachtwächterführungen sind das ganze Jahr über sehr beliebt und so haben die Akteure ihrer Stadt nun einen beleuchteten Artgenossen anfertigen lassen. In Kaufbeuren sollte man eh eine Stadtführung buchen, besonders interessant ist das Rathaus mit seinen beiden Prachtsälen. Im Trausaal gibt es ein Gemälde des bayerischen Habsburger-Königs Max, der oft in Kaufbeuren war, um den Kaufleuten Privilegien zu verleihen und mit deren Geld die eigenen klammen Kassen zu füllen. Übrigens ist Max realistisch gemalt mit der habsburgischen Hakennase und angedeutetem Lippenschwulst. Die nette Straße mit zahlreichen Geschäften, auf die man vom Rathaus blickt, ist nach Max benannt und gilt als „gute Stube Kaufbeurens“.

Leutkirch verwandelt den Gänsbühl immer am ersten Adventswochenende zum weihnachtlichen Treffpunkt. Marktplatz und erstmals auch der Innenhof des Museums im Bock werden dann zum idyllischen Weihnachtsdorf. Zahlreiche individuell geschmückte Holzhäuschen rund um Rathaus und Kornhaus mit kunstgewerblichen Artikeln aus aller Welt, dazu kulinarische Leckerbissen und verschiedene warme Getränke geben dem Leutkircher Weihnachtsmarkt eine besondere Note.

Urtümlicher Brauereigasthof

Neu ist auch eine Eisbahn, die bis in den Januar hinein stehen bleibt und an der so auch an den anderen Wochenenden und zwischen den Jahren Glühwein und Bratwurst zu haben sind. Und wer dann mal lieber was Richtiges essen möchte, dem sei der 400 Jahre alte Brauereigasthof „Zum Mohren“ empfohlen gleich neben der Härle-Brauerei, die übrigens auch Führungen anbietet. HIer ist traditionelle Allgäuer Küche zu haben – von den Kässpätzle bis zum Zwiebelrostbraten – und das in Bioqualität und natürlich mit einem halben Liter „Landzüngle“ – der einzigen Härle-Bierspezialität, die es nur vom Fass gibt

Kreativ sein kann die ganze Familie übrigens bei „Paint your Style“. Da sucht man sich eine Keramik aus, die dann ganz nach eigenem Gutdünken kreativ bemalt werden kann – vom Weihnachtsteller, Tasse, Müslischale oder Wohnaccessoire. Das macht Spaß und ist eine tolle Sache, wenn das Wetter mal nicht so passt. Am Wochenende sollte man sich vorher anmelden.

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