Erfahrungsbericht - Friederike Keller hat während ihres Praktikums auf Grönland vieles erlebt und ein eigenes Projekt vorangetrieben

Bergsträßerin hatte beim Praktikum in Grönland Eisbär-Besuch zum Frühstück

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Eisbär, Eisbär!“, ruft Philipp. Ich ziehe mich schnell an, greife nach meinem Fernglas und krieche aus meinem Zelt. Denn ich mache momentan ein Praktikum auf Grönland.

Benoit, mein Praktikumsbetreuer Johannes, Philipp, Max und Papa sehen genauso verschlafen aus wie ich. Von oben vom Camp aus sehen wir einen Eisbären circa 150 Meter von uns entfernt am Strand liegen. Mit meinem Fernglas erkenne ich, dass er auf etwas herumkaut: Es ist unser Lockmittel, eine tote Kurzschnabelgans. Mit ihr hatten wir eine Falle präpariert, um einen Fuchs lebend zu fangen. Der Eisbär hat sich die Gans aus der Falle geholt und sich an den Strand gelegt, um sie genüsslich zu verspeisen. Als wir alle ein paar Meter auf ihn zugehen, steht er auf und läuft davon.

Wir gehen in die Hütte und frühstücken: Es gibt Kakao und Schokomüsli, die Milch ersetzen wir durch heißes Wasser und Milchpulver. Während wir essen, sieht Benoit vom Hüttenfenster aus, dass der Bär wieder ein Stück in unsere Richtung kommt. Johannes entscheidet, dass Philipp und er den Eisbären nun verjagen werden, damit er sich nicht an unsere Anwesenheit gewöhnt. Dann geht es an die Arbeit.

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Von
Sina Roth
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Unsere Aufgaben sehen jeden Tag unterschiedlich aus: Mal laufen wir zu Fuchsbauten, um die Jungen zu zählen, an anderen Tagen konzentrieren wir uns auf das Beringen der in der Tundra brütenden Vogelarten wie Falkenraubmöwen, Sanderlinge oder Alpenstrandläufer. Wir wiegen und vermessen die (Jung-)Vögel. Sie erhalten je nach Gewicht nur einen Metallring oder zusätzliche Farbringe, damit wir sie unterscheiden können. Die Falkenraubmöwen bekommen zusätzlich auch noch einen Geologger. Im Gegensatz zu einem Sender, der die Daten direkt über Satelliten weitergibt, kann der Geologger erst ausgelesen werden, nachdem er dem Vogel abgenommen wurde, da er die Aufenthaltsorte des Vogels nur speichert.

Skibrille am Strand gefunden

An wieder anderen Tagen sind Johannes und ich mit meinem eigenen Projekt beschäftigt. An einem Strandabschnitt von insgesamt sieben Kilometern Länge sammeln wir Plastikmüll. Ziel ist es, die Menge und Art des angeschwemmten Mülls herauszufinden und bei einzelnen Teilen die Herkunft zu bestimmen. Dafür schreibe ich direkt am Fundort die Größe, die Farbe und die Distanz zu unserem Camp auf.

Zusätzlich dokumentiere ich jedes Plastikteil mit einem Foto, um den Angaben eine Bildnummer zuordnen zu können. Ich bin wirklich erstaunt, wie viel Müll wir gefunden haben: Von einer großen Fischereikiste aus Norwegen über einen Schwimmer eines Netzes bis zu einer Skibrille war alles dabei. Am allermeisten sahen wir aber Netze. Teilweise waren es so kleine Stücke, dass sie kaum sichtbar waren, teilweise so große, dass wir keine Chance hatten, sie zu tragen. Obwohl wir so weit weg von der Zivilisation sind, haben die Menschen dort zahlreiche Spuren hinterlassen. Insgesamt haben wir 452 Teile gefunden. Bis auf ein riesiges Netz, das mindestens 15 Kilogramm wiegt, habe ich alles mit nach Bensheim gebracht, um weitere Untersuchungen zu machen.

Zurück ins Camp kommen wir meistens zwischen 19 und 21 Uhr. Abends ist der Hunger bei allen am größten. Wir essen immer eine Suppe, oft Linsen, Couscous oder Nudeln. Aber auch Schinken mit Bohnen und Kartoffelbrei kann man in der Arktis zubereiten. Die Krönung eines Tages ist dann eine Portion Mousse au Chocolat vor dem Schlafengehen am hellen Polartag. Friederike Keller

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