Interview

Warum die Region auf grünen Wasserstoff setzt

Tilman Krauch steht seit gut einem Jahr an der Spitze des Vereins Zukunft Metropolregion Rhein-Neckar. Im Interview erklärt warum der Spatenstich zum H2 Hub an diesem Donnerstag so wichtig für die Region ist.

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Die Metropolregion will vor allem den Einsatz von Wasserstoff bei Nutzfahrzeugen und Bussen erproben. © istock

Tilman Krauch steht seit gut einem Jahr an der Spitze des Vereins Zukunft Metropolregion Rhein-Neckar und erklärt seine Pläne.

Herr Krauch, warum ist der Spatenstich zum H2 Hub an diesem Donnerstag so wichtig für die Region?

Tilman Krauch: Der H2 Hub ist ein zentrales Element, um das Thema Wasserstoff in der Metropolregion Rhein-Neckar voranzubringen. Es ist eine Art Großtankstelle, wo grüner Wasserstoff aufbereitet und an kleinere Tankstellen verteilt wird. Wir haben in der Region zwei große Wasserstoff-Projekte, H2 Rivers und H2 Rhein Neckar. Dabei geht es um den Einsatz von Wasserstoff im ÖPNV und bei Nutzfahrzeugen. Dafür brauchen wir zuverlässige Wasserstoff-Lieferungen aus dem Hub. Hergestellt wird der Wasserstoff von der BASF in Ludwigshafen, die Anlage auf der Friesenheimer Insel in Mannheim wird von Air Liquide betrieben. Das ist ein typisches Beispiel für die Stärke unserer Region.

Was ist denn diese Stärke?

Krauch: Wir sind in der Lage, viele verschiedene Player zusammenzubringen. Dazu haben wir in der Region eine hohe Innovationskraft und gute Infrastruktur in der Industrie. Wir haben mehrere Teilprojekte mit unterschiedlichen Partnern, dazu gehören wasserstoffbetriebene Busse und Müllfahrzeuge. Das kann kein Unternehmen oder keine Kommune alleine machen. Wir müssen ja erst einmal die neuen Technologien entwickeln, testen und für den großen Maßstab anwendbar machen. Wir reden hier von einer Gesamtinvestition von rund 100 Millionen Euro, rund die Hälfte kommt über Fördergelder.

Freudenberg-Vorstand und „Chef der Metropolregion“ Tilman Krauch (Mitte) im Interview mit Bettina Eschbacher und Bernhard Zinke. © Marcus Schwetasch

Wann kommt der Wasserstoff für die Region aus dem H2 Hub?

Krauch: Ziel ist, ihn 2023 in Betrieb zu nehmen. Es wird nicht einfach sein, das einzuhalten. Wie überall haben auch wir mit Lieferengpässen und Corona-Ausfällen zu kämpfen. Auch die Verfügbarkeit der neuen Fahrzeuge ist ein Problem.

Was habe ich als Bürgerin oder Bürger der Metropolregion von diesen Projekten?

Krauch: Nehmen Sie die Wasserstoff-Busse, die werden ganz entscheidend dazu beitragen, dass die Emissionen in den Städten verringert werden. Und die Region wird beim Thema Wasserstoff eine Vorreiterrolle einnehmen, das wird neue Unternehmen anziehen und Arbeitsplätze schaffen. Und Sie können durch diese Pilotprojekte ganz deutlich machen, dass Ihre Region beim Energiewandel und diesem Hochtechnologiethema vorne dabei ist.

Promovierter Chemiker

  • Tilman Krauch wurde 1962 in Mühlheim an der Ruhr geboren.
  • Der promovierte Chemiker ist ehrenamtlicher Vorstandsvorsitzender des Vereins Zukunft Metropolregion Rhein-Neckar.
  • Der Verein betreibt vor allem Netzwerkpflege für die Metropolregion und führt den strategischen Dialog zwischen Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verwaltung.
  • Krauch ist seit 2014 Vorstand bei der Weinheimer Freudenberg-Gruppe. Als CTO ist er für technologische Fragen verantwortlich.
  • Zuvor war er weltweit in mehreren Positionen beim Chemiekonzern BASF tätig. 

Den Zuschlag für ein Innovationszentrum für Wasserstofftechnologie bekam Weinheim aber nicht.

Krauch: Es wäre eine gute Sache hier gewesen. Aber die Freudenberg-Gruppe macht weiter mit ihrer Forschung, auch ohne das Zentrum hier am Standort. Wir sind sehr gut vernetzt und können das auch selbst. Und es gibt auch noch weitere Förderprojekte, für die wir uns bewerben können.

Sie sind Vorstand bei Freudenberg. Was erhofft sich Ihr Unternehmen von den H2-Projekten?

Krauch: Wir arbeiten schon sehr intensiv mit Wasserstoff. Wir haben als Zulieferer eine hohe Dichtungs- und Materialkompetenz für systemkritische Komponenten von der H2-Erzeugung bis zur Endanwendung. Uns interessiert zum Beispiel, welche Dichtungen entlang der Wertschöpfungskette gebraucht werden.

Die drei Bundesländer in der Region verfolgen jeweils ihre eigene Wasserstoffstrategie. Ist das ein Problem?

Krauch: Nein, ich sehe hier keine Eigenbrötelei. Der Politik ist ganz klar, dass Wasserstoff-Strategien nicht an Landesgrenzen halt machen. Es ist nicht nur ein nationales, sondern vor allem ein europäisches Thema.

Wasserstoff ist ein Knallgas, nicht leicht zu handhaben. Gibt es Sicherheitsvorbehalte in der Bevölkerung?

Krauch: Auch andere Energieträger, wie Erdgas, haben ihre Risiken. Wir müssen gute Technologien entwickeln, um Wasserstoff sicher zu handhaben. Das wird uns gelingen, da habe ich keine Zweifel. Ich sehe als größere Hürde, dass wir künftig - auch für die Produktion von Wasserstoff - Unmengen von grünem Strom brauchen werden.

Sie sind seit März 2021 Vorstandsvorsitzender des Vereins Zukunft Metropolregion Rhein-Neckar - sozusagen „Chef der Metropolregion“. Wie sieht Ihr Programm aus?

Krauch: Mir als Naturwissenschaftler liegen die technologischen Themen am nächsten. Über den Wasserstoff haben wir schon gesprochen. Extrem wichtig sind aber auch die Lebenswissenschaften. Wir haben hier schon ein hervorragendes Cluster für medizinische Forschung und klinische Anwendung in Mannheim und Heidelberg. Da sind wir deutschlandweit in einer extrem starken Position. Die Fusion der Mannheimer und Heidelberger Kliniken würde einen riesigen Schub bringen. Wir sind schon länger dabei, das den drei Landesregierungen zu vermitteln.

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Von
Christian Schall
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Vor allem in Stuttgart gibt es aber Widerstände gegen eine Fusion, auch Ministerpräsident Kretschmann ist dagegen.

Krauch: Wir haben sehr viel Geduld. Wir können auf die Entscheidungsträger und politischen Gremien mit guten Argumenten zugehen, sie zusammenbringen und erläutern, welche Vorteile das für die Wirtschaft und für die Menschen bringen würde. Wir könnten ein Kalifornien der medizinischen Forschung werden. Auch hier können milliardenschwere Start-ups wie Biontech entstehen.

Mit welchen Themen wollen Sie die Metropolregion noch voranbringen?

Krauch: Ein wesentliches Thema ist Künstliche Intelligenz. Mit SAP oder SAS haben wir hier starke Protagonisten. Wir arbeiten schon mit dem Bildungscampus in Heilbronn zusammen. Damit haben wir drei superspannende Zukunftsthemen, die zu Zugpferden werden könnten.

Und wo sind die Schwächen der Region? Viele Pendler würden sagen, es ist der Verkehr.

Krauch: In der Verkehrsinfrastruktur haben wir sicher noch viel zu tun. Der Mobilitätspakt ist deshalb ganz wichtig, da tut sich auch vieles. Aber der Verkehr ist nicht unser größtes Problem.

Was ist es dann?

Krauch: Der Fachkräftemangel, oder eigentlich sogar der Arbeitskräftemangel in allen Branchen. Das ist zurzeit unser allergrößtes Problem. Wir müssen attraktiv sein, um Arbeitskräfte von außerhalb der Region anzuziehen. Ohne Zuzug werden wir das Problem nicht lösen. Ausbildung ist ebenfalls wichtig, wir dürfen niemanden verlieren, der etwa durch Corona in der Schule den Anschluss verpasst hat. Bildung, Wohnen, Kultur - da müssen wir gut sein, um Menschen anzuziehen. Das wollen wir mit innovativen Formaten und Spitzenevents wie beispielsweise dem bundesweit einzigartigen Bildungsgipfel educon erreichen.

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