Polizei

Messerattentäter wohnte in einem Hochhaus in Heppenheim

Sechs Menschen wurden bei der Attacke in Mannheim teilweise lebensgefährlich verletzt. Die Polizei durchsuchte schon am Freitagabend die Wohnung in dem Gebäude in Heppenheim. Anwohner schildern ihre Eindrücke.

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Florian Karlein
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Die Polizei durchsuchte die Wohnung des mutmaßlichen Messerattentäters in einem Hochhaus im Westen von Heppenheim. © René Priebe

Heppenheim/Mannheim. Es war gegen 21 Uhr am Freitagabend, als Polizisten sich durch Klingeln in einer Erdgeschosswohnung Einlass in ein Hochhaus im Westen von Heppenheim verschafften. So schildert es ein Bewohner des Hauses am Samstagvormittag. Kurz darauf habe „alles vollgestanden mit Polizei“. Sofort habe er gedacht, dass das in Zusammenhang mit der Messerattacke in Mannheim am Freitagmittag (der BA hat berichtet) stehen könnte.

Was über das Messerattentat in Mannheim bekannt ist

Bei der Person, die am Freitag Tag auf dem Mannheimer Marktplatz mit einem Messer mehrere Personen angegriffen und sechs davon zum Teil lebensgefährlich verletzt hat, handelt es sich um einen in Afghanistan geborenen 25-jährigen Mann, der seit 2014 in Deutschland lebt. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt mit seiner Familie in Heppenheim.

In den Nachtstunden des 31. Mai wurde die Wohnung in Heppenheim durch Polizeibeamte unter Hinzuziehung von Spezialkräften durchsucht. Hierbei wurden elektronische Datenträger sichergestellt, die nun ausgewertet werden.

Bislang ist der Mann polizeilich nicht in Erscheinung getreten.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Karlsruhe hat das Amtsgericht Karlsruhe bereits am 1. Juni Haftbefehl wegen versuchten Mordes gegen den Tatverdächtigen erlassen.

Ein Polizeibeamter wurde durch mehrere Messerstiche schwer verletzt und starb später.

Bei den weiteren vom Tatverdächtigen verletzten Personen handelt es sich um fünf Männer im Alter von 25, 36, 42, 54 und 59 Jahren. Unter den Verletzten befinden sich ein deutsch-kasachischer sowie ein irakischer Staatsbürger, die übrigen drei Personen haben die deutsche Staatsbürgerschaft.

Der 54-Jährige wurde bei der Attacke lebensbedrohlich verletzt, befindet sich zwischenzeitlich jedoch außer Lebensgefahr.

pol(Quelle: Staatsanwaltschaft Karlsruhe, Polizeipräsidium Mannheim und LKA)

Er behielt recht: Die Beamten durchsuchten tatsächlich die Wohnung des mutmaßlichen Attentäters, der seit 2014 in Deutschland leben soll. Der 25-jährige Afghane hatte am Freitag auf dem Mannheimer Marktplatz im Vorfeld einer islamkritischen Kundgebung sechs Menschen teilweise lebensgefährlich verletzt. Darunter einen Polizisten, der mittlerweile gestorben ist. Im Internet kursierende Aufnahmen zeigen, wie der Täter mit einem langen Messer auf seine Opfer einsticht, einen der eingreifenden Polizeibeamten sticht er mehrmals in Hals und Kopf. Erst danach kann ihn ein weiterer Polizist mit einem Schuss außer Gefecht setzen.

"Da hat alles vollgestanden mit Polizei"

Am Samstagmorgen schildern mehrere Bewohner des Hochhauses, in dem es über 100 Wohnungen gibt, das Geschehen vom Abend. Ihre Namen sind der Redaktion bekannt, doch keiner der Augenzeugen und Nachbarn will, dass sein Name veröffentlicht wird.

Gegen 21 Uhr habe es an seiner Tür geklingelt, so der Bewohner einer Erdgeschosswohnung. Vier Beamte hätten um Einlass gebeten, mit der Begründung, sie wollten zum Fahrstuhl. Er habe sie eingelassen und sei zurück in seine Wohnung. Wenig später habe er durch den Spion der Wohnungstür geschaut, weil er durch laute Geräusche aufmerksam geworden sei. „Da hat alles voll gestanden mit Polizei.“

Durchsuchung der Wohnung dauerte knapp zwei Stunden

Schnell war dem Bewohner klar, dass die Durchsuchung mit dem Mannheimer Angriff zusammenhing. Wenig später hätten schwarze Müllsäcke neben dem Fahrstuhl gestanden, mit beschlagnahmten Dingen aus der Wohnung. Gegen 23 Uhr, also knapp zwei Stunden nach Beginn der Durchsuchung, hätten die Beamten das Haus wieder verlassen. Der Augenzeuge gab an, den Verdächtigen nicht bewusst gekannt zu haben. Wahrscheinlich sei man sich schon einmal begegnet.

Eine andere Augenzeugin berichtete, dass der mutmaßliche Mannheimer Angreifer im gleichen Stockwerk wie sie wohnte. Beim Fußball schauen habe sie auf einmal laute Geräusche im Flur gehört, ihr Mann habe nachgeschaut und viele Polizeibeamte vor der benachbarten Wohnung gesehen. Das Ehepaar blieb jedoch in der Wohnung.

Identität des Täters war ein Schock - "Dem hätte ich niemals so etwas zugetraut"

Man habe den Mann und seine junge Familie vom Sehen gekannt, erzählt die Nachbarin. „Sie lebten sehr zurückgezogen.“ Andere Hausbewohner bestätigten: „Da ist nie etwas aufgefallen oder vorgefallen.“ In dem Hochhaus würde Menschen mit und ohne Migrations-Hintergrund seit vielen Jahren friedlich miteinander leben.

Er sei „aus allen Wolken gefallen“, als er gehört habe, dass ein Bewohner des Hauses derjenige sei, der in Mannheim Menschen niedergestochen hat, sagte ein anderer Bewohner noch immer schockiert. Die Familie sei sehr leise, unauffällig, aber auch freundlich gewesen. Geredet hätten sie mit keinem. „Der sah gar nicht böse und gefährlich aus, dem hätte ich niemals so etwas zugetraut.“

Bewohner fühlen sich in ihrem Haus weiterhin sicher

Angst haben die befragten Bewohner des Hochhauses nach der Tat in Mannheim nicht: „Nein, wir fühlen uns sicher hier“, so ein Bewohner stellvertretend für viele. „Ich habe keine Angst“, ergänzt auch die Frau, die im gleichen Stockwerk lebt. „Mir tun Frau und Kinder leid. Die müssen ja jetzt auch unter dem leiden, was der Mann und Vater da getan hat“, so ein Passant aus dem benachbarten Hochhaus.

Bei einer kurzen Umfrage in der Heppenheimer Innenstadt ist niemand anzutreffen, der den Angreifer kennt: Der syrische Verkäufer im Gemischtwarenladen am Graben zeigte sich sichtlich erschüttert von der Tat: „Warum macht er so was? Ist er verrückt? Und warum sticht er auch auf Polizisten ein?“ Vor einem der Barbiere in der Fußgängerzone glaubt dann doch ein Afghane, den Mann zu kennen. „Name stimmt, Bart und Gesicht auch“, sagt er. „Aber er hat nie viel geredet und war ganz normal“, sagt er. „Sofort aus dem Land schicken, der schadet uns allen“, fordert er.

Der Angreifer wurde als unauffällig beschrieben

Am Samstagvormittag kamen immer wieder Journalisten zu dem hohen Wohngebäude. „Sie wollen bestimmt wissen, wie der so war, oder?“, fragt ein Mann mit Vollbart, der mit schwarzer Jacke und verschränkten Armen den Hauseingang bewacht. Seinen Namen will er nicht nennen. Er stellt sich als Beirat des Hauses vor. Vor dem Haus, dessen Fassade nicht den modernsten Eindruck macht, ist es ruhig gegen 12 Uhr am Samstag. Nur der stärker werdende Regen prasselt nieder. Um das Hochhaus – es liegt an einer der am meisten befahrenen Straßen Heppenheims unweit des Langnese-Werks und ist schon von der A 5 aus zu sehen – ist viel Grün, die Außenanlage des ähnlichen Gebäudes direkt daneben wurde vor wenigen Monaten erst komplett neu gestaltet. An der Haustür hängt ein Schild, das darauf hinweist, das der Flur videoüberwacht wird.

Als „unauffällig“ beschreibt der Beirat des Hauses den 25-Jährigen, der am Freitag den Messerangriff in Mannheim verübte. Dass er zu so einer Tat fähig sein könnte, hätte er nicht gedacht, erzählt der Beirat weiter. Mit dem Afghanen, der Medienberichten zufolge 2013 nach Deutschland gekommen sein soll, gab es im Haus keine Probleme. Er wohnte mit seiner Frau und seinen zwei kleinen Kindern – eines soll drei oder vier Jahre alt, das andere noch ein Baby sein – im neunten von 14 Stockwerken. Zur Miete, und das schon seit mehreren Jahren, erzählt der Beirat, der selbst auch in dem Haus wohnt. Unter den insgesamt 104 Parteien im Haus gebe es sowohl Eigentümer wie auch Mieter.

Frau und Kinder des Täters hatten die Wohnung bereits verlassen

Ein Mann mit orangefarbenem T-Shirt, kurzer Hose und Badeschlappen erzählt er von seinen Begegnungen im Hausflur mit dem späteren Attentäter: „Er war schon introvertiert.“ „Vor zwei Tagen habe ich ihn noch gesehen. Sowas hätte ich ihm nie zugetraut.“ Allerdings habe sich der 25-Jährige in den vergangenen Monaten verändert, ergänzt der Beirat des Hauses, benutzt das Wort „radikalisiert“, sagt, er sei zuletzt aggressiver gewesen. Beide werden – wie alle Bewohnerinnen und Bewohner – derzeit mit Kurznachrichten und Anrufen überhäuft. Das Heppenheimer Haus ist über Nacht vorübergehend berühmt geworden.

Etwa drei Stunden, bis kurz vor 23 Uhr, durchsuchten nämlich Ermittler des Landeskriminalamts am Freitagabend die Wohnung des Attentäters. „Die waren schwer bewaffnet“, schildert der Beirat die Situation.

Ein Fahrzeug parkte direkt vor der Haustür, die anderen auf der Straße. Durch ihre Türen oder vom Balkon aus verfolgten die Bewohnerinnen und Bewohner demnach die Szenerie. Die Frau und die Kinder des 25-Jährigen seien schon weg gewesen, als die Polizei kam, sagt der Hausbeirat: „Die haben wohl gewusst, was er vorhat.“ fk/aw/ü

Redaktion Leiter des Redaktionsteams Mannheim

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