Bensheim. Eine geschichtsträchtige Eröffnungszeremonie, hitzige Diskussionen um die Wasserqualität der Seine und ein Selfie von nord- und südkoreanischen Tischtennisspielern, das um die Welt geht – die Olympischen Spiele 2024 in Paris waren Emotionen pur.
Erstmals und einmalig in das olympische Programm mit aufgenommen wurde „Breaking“, besser bekannt als Breakdance. Männer und Frauen traten in Einzelbattles gegeneinander an, improvisierten zur Musik und versuchten, mit ihren Tanz-Kombinationen die Jury zu überzeugen. In Deutschland hat Breakdance noch einen Nischenstatus – das zeigt sich auch daran, dass sich keine deutschen Teilnehmer für Olympia qualifizieren konnten.
Trotzdem gibt es seit 2009 beim TV Bensheim eine aktive Breakdance-Szene. So trudeln auch an diesem Freitag alle Tänzer nacheinander in der Turnhalle der Joseph-Heckler-Schule ein. Bevor es losgeht, steht das Aufwärmen auf dem Programm. In lässigen Jogginghosen, weiten T-Shirts und Sneakern rennen die Kinder und Jugendlichen in der Halle im Kreis herum.
Der Kreislauf der Tänzer kommt beim Laufen langsam in Schwung
Aus einem Lautsprecher ertönt Hip-Hop-Musik und der typische Turnhallengeruch liegt in der Luft. Trainer Paul Bascharin und seine Schützlinge Nico und Paul geben den Ton an und eröffnen das Aufwärmtraining, das in der Regel eine halbe Stunde dauert. Während der Kreislauf der Tänzer beim Laufen langsam in Schwung kommt, sind als Nächstes Liegestütze, Sit-ups und Handstände an der Reihe, bevor die Muskulatur gezielt gedehnt wird. Nachdem Arme, Beine und sämtliche andere Muskelgruppen gedehnt und aufgewärmt sind, begeben sich alle Kinder und Jugendlichen in die Mitte der Turnhalle. Dort liegen rote Matten sorgfältig aneinandergereiht, um möglichen Verletzungen entgegenzuwirken.
Hier beginnt das Breaking mit dem sogenannten „Top Rock“ – einer Abfolge von Schritten und Gesten im Stehen, bevor es auf den Boden geht. In der Regel tanzen die B-Boys oder B-Girls – wie Breakdancer auch genannt werden – die ersten Takte der Musik im Top Rock. Blitzschnelle, kreisende Bewegungen mit den Füßen, die Arme arbeiten sich von vorne nach hinten und wieder zurück – diesen Move nennt man „Indian Step“, der zu den Grundschritten des Top Rocks gehört. Noch spektakulärer wird es beim „Footwork“: Die Tänzer stützen sich auf Händen und Armen, während ihre Beine scheinbar schwerelos kreisen. „Es ist erstaunlich, was die Breakdancer körperlich leisten und wie schnell sie Fortschritte machen“, beschreibt Melanie Oelschläger, Helferin beim Breakdance-Training, die Performance der Tänzer.
Oelschläger tanzt selbst seit Jahren Hip-Hop und macht derzeit eine Fortbildung zur Übungsleiterin. Daher weiß sie auch aus eigener Erfahrung, wie viel Kondition und Fitness dieser Sport verlangt. Das Training folgt einem festen Ritual: Eine Person tritt in die Mitte und präsentiert ihre Moves, während die anderen im Kreis zuschauen und anfeuern. Trainer Paul Bascharin gibt währenddessen Tipps und motiviert seine Schützlinge. Er tanzt seit 2006 Breakdance und erwarb seine Trainerlizenz bereits vor 16 Jahren, im Jahr 2009.
Breakdance – alles, was man wissen muss
- Breakdance (auch Breaking) ist ein Element der Hip-Hop-Kultur und entstand in den 1970er Jahren in den Straßen von New York City, insbesondere in der Bronx.
- Geprägt wurde der Stil von afroamerikanischen und puerto-ricanischen Jugendlichen.
- Tanzende werden als B-Boys (Break-Boys) und B-Girls (Break-Girls) bezeichnet.
- Wichtige Elemente: Top Rock – Bewegungen im Stehen, oft als Einleitung des Tanzes, Footwork – schnelle, komplexe Beinarbeit in Bodenhöhe, Power Moves – akrobatische Elemente wie Windmill, Headspin oder Airflare, Freezes
- Plötzliche Stopps in einer eindrucksvollen Pose und Transitions – Übergänge zwischen verschiedenen Moves.
- Wettkämpfe und Bewertung: Tänzer treten in Battles gegeneinander an. Eine Jury bewertet nach Technik, Kreativität, Musikalität, Style und Charisma.
- Olympische Geschichte: 2018 war Breaking erstmals bei den Olympischen Jugendspielen in Buenos Aires vertreten.
- 2024 feierte Breakdance in Paris seine Olympia-Premiere. Trotz großer Begeisterung wurde die Disziplin nicht für die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles aufgenommen.
- Breakdance weltweit und in Deutschland: Große internationale Events: Red Bull BC One, Battle of the Year, UK B-Boy Championships.
- In Deutschland gibt es eine wachsende Szene, aber wenige offizielle Wettkämpfe für Kinder und Jugendliche.
- Weitere Informationen zu den Trainingszeiten beim TV Bensheim: www.tv-bensheim.de/turnen/angebote
Vor der Pandemie sei die Tanzsportart in Bensheim und Umgebung präsenter gewesen. Damals habe es regelmäßig Auftritte in Mainz, Frankfurt und Rüsselsheim gegeben. Doch für Kinder und Jugendliche seien Battles bis heute rar gesät. „Vor Corona hatten wir deutlich mehr Teilnehmer“, erzählt Bascharin. Die Einschränkungen während der Pandemie hätten den Nachwuchs ausgebremst. Doch glücklicherweise bietet der TV Bensheim wieder gemeinsam mit der Joseph- Heckler-Schule – wie vor Corona-Zeiten – eine Breakdance-AG an, für die sich Kinder ab acht Jahren anmelden können. Seit seinem achten Lebensjahr macht auch Aufwärm-Helfer Paul Breakdance.
Empfohlen wird das Training für Kinder ab acht Jahren
„Das hat bei mir schon im Kindergarten angefangen, dass ich mich fürs Tanzen interessiert habe“, erzählt er während einer kurzen Pause. Er sah Jugendliche, die Hip-Hop tanzten und meldete sich daraufhin beim TV Bensheim zum Breakdance-Training an. Bis heute ist er seiner damaligen Tanzgruppe mit Trainer Paul Bascharin treu geblieben und trainiert am heutigen Freitagnachmittag mit den jüngeren Kindern. Einer der jüngsten Teilnehmer ist Sebastian. Heute steht er zum ersten Mal mit seiner Mutter in der Turnhalle.
Vor zwei Jahren war er noch zu jung, doch jetzt kann er endlich mitmachen. „Wir sind zufällig auf das Angebot gestoßen und haben es uns gemerkt. Als Sebastian alt genug war, haben wir die Idee wieder aufgegriffen“, erzählt seine Mutter. Empfohlen wird das Training für Kinder ab acht Jahren. Nach eineinhalb Stunden intensiven Trainings endet die Einheit um 18 Uhr. Alle sind erschöpft, sehen aber zufrieden aus. Zwar wird Breakdance voraussichtlich nicht mehr Teil der Olympischen Spiele sein, doch das hindert die jungen Tänzer nicht daran, ihre Leidenschaft weiterzuverfolgen. Ein Auftritt in der Region wäre für sie bereits ein großer Erfolg, betont Bascharin. Und wer weiß? Vielleicht wird aus einem der Nachwuchstalente doch noch ein B-Boy oder BGirl, das eine große Bühne erobert.
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