Bensheim/Mumbai. Von der Schulbank in Bensheim direkt in die Slums von Mumbai: Für die 19-jährige Abiturientin Franziska Wilkes, Tochter des ehemaligen Landrats Matthias Wilkes, wurde der Freiwilligendienst in Indien zu einer Erfahrung, die weit mehr war als nur ein Auslandseinsatz. Über die Karl Kübel Stiftung nahm sie an einem entwicklungspolitischen Freiwilligendienst teil und lebte und arbeitete in einem sozialen Projekt mitten in Mumbai. Im Interview erzählt sie von bunten Festen, der Arbeit mit Kindern aus schwierigen Verhältnissen – und davon, was sie an Indien besonders vermisst.
Was hat dich dazu motiviert, nach Indien zu gehen und dort freiwillig zu arbeiten?
Franziska Wilkes: Ich wollte nach dem Abitur unbedingt etwas Soziales machen – und ins Ausland. Die Kombination hat für mich Sinn ergeben. An meiner Schule, dem Goethe-Gymnasium in Bensheim, nahm ich dann an einem Vortrag der Karl Kübel Stiftung teil. Dort habe ich von dem Programm erfahren. Die Stiftung entsendet jedes Jahr rund 20 Freiwillige nach Indien oder auf die Philippinen und sucht immer nach Freiwilligen. Die Partnerorganisationen vor Ort sind gut ausgewählt, sie kennen sich durch langjährige Zusammenarbeit. Ich habe mich beworben und wurde für einen Einsatz in Mumbai ausgewählt.
Was gehörte alles zu deinen Aufgaben vor Ort?
Wilkes: Ich habe auf dem Campus der Society of the Helpers of Mary gelebt, einer sozialen Organisation mit vielen Einrichtungen auf einem Gelände. Morgens habe ich in einem Mädchenheim geholfen, in dem etwa 150 Mädchen wohnen, die aus schwierigen familiären Verhältnissen kommen. Wir haben gemeinsam Hausaufgaben gemacht, vor allem Englisch geübt. Nachmittags war ich in einer Slumschule direkt neben dem Campus. Dort kamen Kinder nach der Schule hin, um Nachhilfe in Mathe und Englisch zu bekommen. Zusätzlich habe ich auch im Seniorenheim auf dem Campus geholfen – bei der Essensausgabe und beim Zubettbringen der Seniorinnen.
Gab es kulturelle Unterschiede, an die du dich gewöhnen musstest?
Wilkes: Indien ist extrem vielfältig – nicht nur sprachlich, sondern auch kulturell und religiös. Der Hinduismus prägt vieles, vor allem die vielen Feste und die Lebensfreude. Das war richtig schön. Mumbai ist eine unglaublich lebendige Stadt, es ist immer etwas los, auch auf den Straßen. Die Menschen sind sehr offen. Man wird häufig einfach angesprochen – das kann am Anfang ungewohnt sein, aber es hilft sehr, um Kontakte zu knüpfen. Besonders die Gastfreundschaft hat mich beeindruckt. Auch in den Slums wurden wir oft eingeladen.
Gab es einen Moment, der dich besonders berührt hat?
Wilkes: Ja, ganz am Anfang bin ich einmal Zug gefahren und wusste nicht, wo ich aussteigen muss. Ich habe eine Frau gefragt – und plötzlich sprangen fünf weitere Frauen auf, um mir Tipps geben.
Was würdest du anderen jungen Menschen raten, die sich für einen Freiwilligendienst im Ausland interessieren?
Wilkes: Seid offen, sprecht Leute an, lasst euch nicht einschüchtern. Nutzt auch die Urlaubstage – 21 hatte ich –, um zu reisen. Ich habe sowohl den Norden als auch den Süden Indiens gesehen. Das Land ist unglaublich vielfältig.
Zum Schluss: Was möchtest du noch loswerden?
Wilkes: In Deutschland haben viele ein negatives Bild von Indien – Armut, Chaos. Aber das Land ist so viel mehr: Es ist bunt, warmherzig, lebendig. Ich bin unglaublich dankbar für diese Erfahrung. Frederik Koch
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