Tierschutz

Immer mehr "Problemhunde" im Tierheim in Heppenheim

Steigende Kosten und unseriöse Tierschutzorganisationen beschäftigen das größte Tierheim im Kreis Bergstraße. Auch eine Forderung nach einer flächendeckenden Kastrationspflicht für Freigänger-Katzen wurde laut.

Von 
Angela Schrödelsecker
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„Iron“ sollte Schutzhund werden. Leider haben die früheren Besitzer ihn völlig falsch erzogen. Katrin Hassanin und die Tierpfleger arbeiten jetzt mit ihm. © Thomas Neu

Bergstraße. Es ist ein normaler Morgen im Tierheim in Heppenheim. Die Tierpfleger versorgen die Hunde, Katzen und die vielen anderen Bewohner. Die Gassigeher holen die Hunde ab und machen sich auf den Weg in die Felder. Da kommt ein Mann mit einem Karton auf dem Motorrad. Darin befindet sich ein Hahn. Etwas klein, aber selbstbewusst und munter. Der Mann gibt an ihn gefunden zu haben. Jetzt zieht das Tier erst mal im Tierheim ein – es gibt die Hoffnung, dass sich der Besitzer meldet, von dem der Hahn möglicherweise weggelaufen ist.

Dieses Katzenjunge, noch namenlos, lebt gerade im Heppenheimer Tierheim. © Thomas Neu

Die erste Vorsitzende des Tierschutzvereins Heppenheim und Umgebung Katrin Hassanin schmunzelt, es gebe hier immer wieder solche Überraschungen. Wie der Fundschafbock „Viktor“ aus Hochstätten oder auch zwei Pferde, für die das Veterinäramt eine Unterbringung suchte.

Auch nachts können Tiere in Heppenheim sicher untergebracht werden

Und zum Glück ist auf dem Gelände ausreichend Platz, um auch Tieren, die nicht Hund, Katze und Kaninchen sind, ein vorübergehendes oder dauerhaftes Zuhause zu bieten. In Notfällen wird natürlich kein Tier abgewiesen.

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Es gibt zum Beispiel einen Polizeizwinger, in dem die Behörden auch nachts Tiere sicher unterbringen können. Dennoch müsse man, wie im Januar, ab und an eine Warteliste für Abgabehunde führen: „Wenn wir voll sind, sind wir eben voll. Und wenn noch ein bisschen Luft ist, dann kann es manchmal passieren, dass die Menschen etwas Geduld aufbringen müssen bis wir ihr Tier aufnehmen können“, so Hassanin.

Andere Tierheime im Kreis Bergstraße bangen um die Existenz

Es gibt Platz für etwa 35 Hunde und rund 40 Katzen. Das Heppenheimer Tierheim ist für fast den kompletten Kreis Bergstraße zuständig – Ausnahmen sind Lampertheim, Bürstadt, Biblis, Viernheim und Groß-Rohrheim. Hier sind andere Einrichtungen verantwortlich. Vor kurzem berichteten die Tierheime Lampertheim und Viernheim, dass das Geld und die Ehrenamtlichen knapp werden und sie um ihre Existenz bangen.

Wenn sie tatsächlich schließen müssten, hätte das wohl auch Folgen für die Heppenheimer Einrichtung. Dazu Hassanin: „Da sind dann auch die jeweiligen Kommunen meiner Meinung nach in der Pflicht, um da zu unterstützen.“ Personalnot herrsche im Heppenheimer Tierheim aktuell nicht. wie die Vereinsvorsitzende im Gespräch berichtet. Alle fünf Tierpfleger wurden hier ausgebildet und aktuell habe man zwei Azubis.

Dieser Hahn ist frisch im Tierheim eingetroffen und hatte sicher einen aufregenden Sonntagmorgen. Es wird sich noch zeigen, ob ihn sein Besitzer vermisst. © Thomas Neu

Einer davon ist im dritten Lehrjahr und wird im Anschluss an die Ausbildung übernommen. Auch mit Gassigehern seien sie gut besetzt, an einer Stelle fehle es aber, so Hassanin: „Wir haben zunehmend Hunde, die mit großen Problemen zu uns kommen. Da ist nicht jeder geeignet und da fehlen uns fachkundige Gassigeher. Die Erziehungsarbeit müssen meist die Tierpfleger leisten.“ Sie erzählt in diesem Zusammenhang von Schäferhund „Iron“.

Besitzer war mit überdrehtem Hund überfordert

Der Dreijährige wurde offenbar unseriös und völlig falsch zum Schutzhund erzogen – zumindest wurde der Versuch unternommen. Am Ende war das Tier überdreht und der Besitzer überfordert. Im Tierheim hat er inzwischen einen Tierpfleger gebissen. Trotzdem hat sich einer der Gassigeher mit besonders ruhigem Gemüt angeboten und meinte Augenzwinkernd: „Bisschen Risiko ist halt immer dabei.“ Natürlich schauen die Pfleger immer, dass eine Verbindung gut für Mensch und Tier ist – gerade bei Beißvorfällen ist Vorsicht geboten.

„Viktor“, das Kamerunschaf aus Hochstätten sucht auch ein Zuhause. © Thomas Neu

Zudem landen immer häufiger Tiere aus dem Ausland in deutschen Tierheimen, da unseriöse Tierschutzorganisationen Hunde auf Parkplätzen übergeben und dann bei Problemen nicht mehr ansprechbar sind. Wenn die Halter dem Tier nicht gewachsen sind, geben sie es dann eben hier in den Tierschutz – dann werden sie zum Problem von Hassanin und ihrem Team.

Deutlich mehr unkastrierte Katzen unterwegs

Im Heppenheimer Tierheim bemerkt man auch, dass mehr Tierhalter weniger Geld haben. Es werden deutlich mehr unkastrierte Katzen abgegeben. Auch der Impfstatus sei inzwischen oft unvollständig. Hassanin selbst stellt natürlich auch gestiegene Kosten fest: „Wir haben eine tolle Tierärztin, die einmal pro Woche kommt. Wir haben hier ausgebildete Tierpfleger, die auch einige Untersuchungen, wie Leukose-Tests bei Katzen oder Kot-Tests auf Parasiten, selbst durchführen können. Trotzdem sind im Vergleich zwischen der ersten Jahreshälfte 2023 und 2024 allein die Tierarztkosten um 57 Prozent Prozent gestiegen. OP-Kosten müssen auch wir zum Beispiel voll tragen.“

„Drax“ ist eine American Bulldog. Er hat in einer Shisha-Bar jemanden gebissen. Einen Besitzer konnte die Polizei nicht ermitteln. © Thomas Neu

Die Spenden seien dafür etwas zurückgegangen, was im Sommer erfahrungsgemäß auch nicht unüblich sei. Von einem Einbruch mag die Vereinsvorsitzende nicht sprechen: „Es gab Zeiten, da lief es finanziell durchaus besser als jetzt und da wir befürchteten, dass es nicht immer so bleibt, haben wir Rücklagen gebildet. Von denen zehren wir jetzt auch ein bisschen.“

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Abgerechnet wird bei Fundtieren direkt mit den jeweiligen Kommunen. Die meisten zahlen eine Pauschale, Lindenfels und Rimbach rechnen einzeln ab.

Beratungstermine im Tierheim gibt es nur noch zu verabredeten Zeiten

Wie Hassanin ausführt, würden diese Beträge für den Betrieb des Tierheims nicht reichen. Deshalb sei man auf Spenden angewiesen und es gibt im Tierheim jedes Jahr verschiedene Veranstaltungen, um die Kasse aufzubessern: Das Herbstfest am 3. Oktober, das 2024 auch gleichzeitig die Feier zum 60. Geburtstags des Tierschutzvereins ist, der Ostermarkt und das Adventscafé.

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Nach ihren Wünschen für die Zukunft gefragt muss Hassanin kurz überlegen, hat aber zwei Antworten: „Die Straße am Tierheim entlang soll dieses Jahr noch gemacht werden. Wir hoffen sehr, dass das auch tatsächlich passiert. Bei Regen ist die Straße in keinem guten Zustand. Außerdem wünsche ich mir eine flächendeckende Kastrationspflicht für Freigänger-Katzen – also eine Katzenschutzverordnung. In Lorsch gibt es so was bereits. Das würde uns wirklich helfen.“

Bei Interesse an einem Tier gibt es Beratungstermine übrigens nur noch zu verabredeten Zeiten. Offene Vermittlungstage werden nicht mehr angeboten, um sich auch die nötige Zeit zu nehmen, die so eine Beratung eben brauche: „Das war etwas Positives, das wir aus Corona mitgenommen haben,“ so Hassanin.

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