Großeinsatz im Bensheimer Zeltdorf für Geflüchtete

Im Zeltdorf für Geflüchtete auf dem Festplatz am Berliner Ring kam es am Sonntag gegen 19 Uhr zu einer Auseinandersetzung, die einen größeren Polizeieinsatz nach sich zog. Der Sicherheitsdienst hatte die Beamten alarmiert.

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pol/dr
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Im Bensheimer Zeltdorf für Geflüchtete kam es am Sonntagabend zu eimem Großeinsatz. © dpa

Polizei. Zunächst warten dort nach Polizeiangaben drei Bewohner mit zwei Bewohnerinnen in Streit geraten. Eine der beiden Frauen wurde dabei angegriffen und mit einer Eisenstange am Kopf verletzt.

„Dies erzürnte im weiteren Verlauf eine mittlere zweistellige Zahl anderer Bewohner“, erklärte die Polizei, ohne weitere Details zu nennen. Die Situation sei angespannt gewesen, konnte jedoch durch eine „größere Anzahl an Streifen beruhigt werden“.

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Die Täter seien festgenommen worden und hätten die Nacht in einer Zelle sowie im Krankenhaus verbracht. Die verletzte Frau wurde von einem Arzt versorgt. Der Einsatz am Berliner Ring sorgt für einiges an Aufsehen. Abgesehen von der Polizei waren auch Rettungsdienst und Feuerwehr vor Ort.

Auf Nachfrage teilte am Montag ein Sprecher des Polizeipräsidiums Darmstadt mit, dass nach der Attacke auf die Frau rund 50 Personen involviert gewesen sein. Zu Handgreiflichkeiten oder Schlägereien sei es jedoch nicht gekommen. „Die Stimmung war aufgeheizt, konnte durch die Beamte aber beruhigt werden“, so ein Sprecher. Insgesamt haben man 20 Streifenwagenbesatzungen aus der Region in Bensheim zusammengezogen.

Gegen die Männer wird nun wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung ermittelt. „Sie werden aber wieder freigelassen und sollen in eine andere Unterkunft verlegt werden“, hieß es. Sobald die Polizei ihre Ermittlungen abgeschlossen habe, werde die Angelegenheit an die Staatsanwaltschaft übergeben. „Da kann es dann auch zu einer Anklage kommen“, erklärte der Polizeisprecher.

In den Zelten auf dem Festplatz haben bis zu 1000 Personen Platz. Aktuell ist die Kapazität nahezu ausgeschöpft. Waren nach der Inbetriebnahme im Frühjahr 2022 ausschließlich Geflüchtete aus der Ukraine dort untergebracht, dient das Camp nun als Quartier für Flüchtlinge aus anderen Ländern.

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Man stehe in Kontakt mit den Sportcoaches des Kreises und habe sich auch vorgenommen, noch vor dem Sommer einen Schwimmkurs für die Bewohner anzubieten, möglichst einen offenen Kurs, damit die Jugendlichen nicht nur unter sich bleiben. Mittlerweile gehen auch alle in die Schule. Das zu organisieren, sei keine einfache Aufgabe gewesen, so Kleiner. Die Schulen im Kreis seien überlastet. Platz gefunden haben die Heranwachsenden an der Heppenheimer Martin-Buber-Schule sowie an der Karl-Kübel-Schule und der Metzendorfschule in Bensheim. Zusätzlich besuchen sie auch Sprachkurse. „Wir merken Fortschritte. Mit einigen kann man sich schon ganz gut auf Deutsch unterhalten“, freut sich der pädagogische Leiter. Die Voraussetzungen beim Einzug waren ganz unterschiedlich: Einige sprachen etwas Deutsch, andere ein wenig Englisch, manche kannten bis dato nur ihre Muttersprache, auch Analphabeten seien unter den Bewohnern. 17 Angestellte, darunter zwei Hauswirtschafterinnen, kümmern sich um die Jugendlichen. Von Vorteil ist, dass eine der Mitarbeiterinnen Dari und Farsi spricht, eine andere Türkisch. Und Türkisch können, bedingt durch die Fluchtroute, viele der Heranwachsenden zumindest ein wenig. Die Verständigung auf Arabisch laufe meist über Übersetzungsprogramme. Darüber hinaus ist man in Kontakt mit Sandy Döbert von der Stadt Heppenheim, die bei Bedarf einen ihrer Integrationslotsen auf den Weg schickt. Jeder Angestellte habe zwei „Bezugskinder“, die ihm zugeordnet sind. Diesen könne man dadurch mehr Aufmerksamkeit widmen. „Wir geben ihnen das Gefühl, gesehen zu werden und nicht einer von vielen zu sein.“ Kochen und Schnee schippen Mittlerweile sind die jungen Geflüchteten angekommen in ihrem neuen Zuhause. Das habe seine Zeit gebraucht. „Jetzt werden sie offener. Es musste erst Vertrauen entstehen“, erklärt Kleiner. Einige engagieren sich bei der Gartenarbeit. Für den Sommer wollen alle gemeinsam eine Veranda bauen. Auch beim Kochen helfen die Jungs. Andere seien bereits auf dem Weg in einen Minijob, um ein bisschen zusätzliches Taschengeld zu verdienen. „Mitunter hat es was von Jugendherbergsromantik“, lacht Kleiner. Um aber gleichzeitig klar zu machen, dass hinter jedem Jugendlichen, ein Schicksal mit teilweise schrecklichen Erlebnissen, stehe: „Zum großen Teil haben sie traumatische Fluchterfahrungen gemacht. Inwieweit, das kann man bisher nur mutmaßen. Manche überspielen das besser, andere weniger gut. Mit der Zeit ploppt das mehr auf. Sie werden offener und erzählen.“ Wie sieht es aus mit psychologischer Aufarbeitung? Man sei im engen Kontakt mit dem psychosozialen Zentrum für Geflüchtete von Caritas und DRK. „Da bekommt man relativ zügig Hilfe. Aber das ist natürlich keine Psychotherapie, wie sie eigentlich notwendig wäre.“ Im Haus könne man den Jugendlichen zumindest einen Platz bieten, an dem sie sich wohl und sicher fühlen. „Wir merken, wenn jemand eine Aggression entwickelt oder in Gedanken an die Familie tief traurig ist, und können sie auffangen. Viele vermissen ihre Eltern, kämpfen mit den Tränen.“ Immer mit im Boot sind das Jugendamt und die Vormunde der jungen Geflüchteten. Die Zusammenarbeit klappt gut und ist unkompliziert. Gibt es Probleme mit den Nachbarn auf dem Maiberg? Bisher nicht, sagt Kleiner. Einmal habe sich jemand beschwert, weil eine Essensverpackung in der Nähe des Hauses lag. Man habe sie einfach weggeräumt. Positive Resonanz gab es, als beim ersten stärkeren Schneefall alle gemeinsam morgens um 6 Uhr Schnee geschippt haben. Je nach Alter müssen die Geflüchteten bis spätestens 22 Uhr daheim sein. „Das funktioniert gut. Natürlich kommt es vor, dass der ein oder andere mal ein paar Minuten zu spät kommt oder mal einer heimlich aus dem Fenster seines Zimmers raucht. Aber das passiert auch bei jeder Klassenfahrt ab der 10. Klasse. Jeder Jugendliche testet seine Grenzen aus, aber alles ist bisher im Rahmen geblieben, es gab keinerlei Übergriffe.“ Derzeit sucht man gemeinsam mit der Flüchtlingshilfe gebrauchte Fahrräder, damit die Heranwachsende die Strecke zum Bahnhof oder zu den Schulen und Vereinen schneller und individueller zurücklegen zu können. Darüber hinaus wünscht man sich ausrangierte Fitnessgeräte, damit sich abends alle auspowern können – wichtig für den Aggressions- und Impulsabbau, weiß der Pädagoge. Darüber hinaus sucht VisioPart weiterhin pädagogische Fachkräfte. rid/ü

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